Psychose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Statistisch gesehen erkranken rund ein Prozent der Bundesbürger im Laufe ihres Lebens mindestens einmal an einer Psychose. Der Begriff selbst ist jedoch sehr vielschichtig und darf nicht zwangsläufig mit der Schizophrenie verwechselt werden, was aber sehr oft geschieht. Dabei muss eine Psychose-Krankheit heutzutage keine vernichtende Diagnose mehr bedeuten. Eine Psychso ist abzugrenzen von einer Neurose.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Psychose?

Psychosen umfassen ein sehr umfangreiches Repertoire an Beschwerdebildern und sind aus diesem Grund schwer zu vereinheitlichen. Dennoch existieren häufig in Erscheinung tretende Charakteristiken der Erkrankung.
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Der Begriff Psychose ist dabei ein Überbegriff, wobei zum einen zwischen organischen und nicht-organischen Psychosen unterschieden wird, aber auch zwischen affektiven Psychosen und Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis.

Organische Psychosen können beispielsweise durch eine Hirnverletzung ausgelöst werden (etwa Schädel-Hirn-Trauma). Nicht-organische Psychosen wiederum umfassen sowohl manisch-depressive Episoden, sogenannte schizoaffektive Störungen (Störungen des Gefühlserlebens) und Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis.

Kennzeichen aller Psychosen ist stets ein anhaltender oder auch vorübergehender Realitätsverlust (Stimmen hören, sich selbst entweder maßlos über- oder unterschätzen, Wahnvorstellungen, etc.). Der Begriff ist daher sehr umfassend und Differentialdiagnosen zur näheren Bestimmung des Krankheitsbildes sind unumgänglich.

Ursachen

Derzeit geht die Wissenschaft von einem Vulnerabilitäts-Stress-Modell als Ursachenmodell von Psychosen aus. Demnach sind manche Menschen empfindlicher (vulnerabler, verletztlicher) als andere und neigen in bestimmten Situationen (zum Beispiel bei anhaltendem Stress) dazu, eine Psychose zu entwickeln. Dieses Modell schließt richtigerweise die genetischen Aspekte mit ein, da darauf Bezug genommen wird, dass nicht jeder unter den gleichen Umständen eine Psychose entwickelt. Aus diesem Grund ist es auch Tatsache, dass bei manchen Menschen Drogenkonsum wie Haschisch zu einer Psychose führt, bei anderen aber wiederum nicht.

Insgesamt können sowohl Drogenkonsum, schwierige soziale Bedingungen, anhaltender Stress, traumatische Erlebnisse als auch eine starke genetische Ausprägung Ursache für eine Psychose sein. Meist handelt es sich jedoch um eine Mischung aus mehreren Faktoren. Festgestellt wurde mittlerweile, dass bei einem Psychose-Ausbruch der Hirnstoffwechsel des Betroffenen nicht im Gleichgewicht ist.

Insbesondere eine zu große Menge des Botenstoffes Dopamin wird für eine Psychose verantwortlich gemacht. Dabei wirken selbstverständlich auch soziale Komponenten oder etwa Drogenkonsum auf den Dopamin-Stoffwechsel mit ein.

Typische Psychosen

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Psychosen umfassen ein sehr umfangreiches Repertoire an Beschwerdebildern und sind aus diesem Grund schwer zu vereinheitlichen. Dennoch existieren häufig in Erscheinung tretende Charakteristiken der Erkrankung. Im Frühstadium leiden Patienten an steigender Nervosität und Konzentrationslosigkeit.

Darunter fallen auch leicht ausgeprägte Kommunikationsprobleme bei der Verständigung mit anderen Personen. Denkblockaden oder eine regelrechte Überflutung mit zusammenhanglosen Gedanken beeinträchtigen zudem die intellektuelle Leistungsfähigkeit. Im späteren Verlauf manifestieren sich Wahnvorstellungen und Halluzinationen.

Personen mit einer Psychose verfügen über ein ungewöhnlich ausgeprägte Neigung zum Misstrauen, hören Stimmen in ihrem Kopf und fühlen sich ständig unter Beobachtung von realen oder imaginären Menschen. Bei der Ich-Störung gelangen Erkrankte zur Überzeugung, das andere Menschen ihre Gedanken hören und gezielt beinflussen. Große Reizbarkeit oder eine auffällige Emotionslosigkeit treten als Folge auf.

Dies mündet in schweren Fällen in Feindseligkeit und Aggression gegenüber Mitmenschen oder Umwelt. Häufig entwickeln Patienten ein ungewöhnliches Interesse an Inhalten mystischen Hintergrundes oder beschreiten einen stark religiösen Lebensweg. Nicht immer verschlimmern sich die Symptome schleichend. Sie können auch völlig überraschend in Erscheinung treten und rasch wieder abebben. Unter den sonderbaren Verhaltensänderungen leiden auch die sozialen Kontakte. Menschen im direkten Umfeld empfinden diese häufig als unzumutbar oder bedrohlich und ziehen sich daher zunehmend von den Betroffenen zurück.

Krankheitsverlauf

Statistisch gesehen erleben rund ein Drittel der Betroffenen nur einmal in ihrem Leben eine Psychose, das zweite Drittel erkrankt zweimal oder öfter und beim letzten Drittel chronifiziert sich das Krankheitsbild und manifestiert sich als bleibende Schizophrenie.

Normalerweise kündigt sich eine Psychose an, indem die Betroffenen zunächst ihre Umwelt wie fremd wahrnehmen, sich seltsam fühlen und sich dies nicht richtig erklären können. In der Folge versucht der Betroffene sich eine Therapie zusammen zu bauen, um sich das Geschehen zu erklären. Dies ist meist der Beginn der Wahnvorstellungen und des Realitätsverlustes.

Das wiederum kann dazu führen, dass die Betroffenen ihre Umwelt feindlich wahrnehmen und deswegen unter Umständen auch gewalttätig werden - sie sind schließlich Opfer einer angeblichen "Verschwörung".

Komplikationen

Psychosen, insbesondere Halluzinationen und Wahnvorstellungen, sind für den Patienten selbst und dessen soziales Umfeld stets beängstigend, weshalb sie in jedem Fall behandelt werden sollten. Problematisch werden psychotische Störungen aber meist erst dann, wenn der Betroffene seinen Beruf und seinen Alltag aufgrund der Krankheit nicht mehr alleine bewältigen kann oder von ihm eine Gefahr für sich selbst oder andere ausgeht.

Komplikationen resultieren insbesondere aus selbst- und fremdgefährdendem Handeln und unzureichender Versorgung des eigenen Körpers. Psychotische Störungen machen die Betroffenen zudem anfälliger für den Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen, was die Symptome der Psychose noch verstärken kann. Halluzinationen nehmen unter Einfluss von Drogen häufig extreme Formen an. Hier besteht die Gefahr, dass der Patient sich auf der Flucht vor dem, was er sieht, schwer verletzt oder Maßnahmen der Gegenwehr ergreift, die auch andere gefährden.

In schweren Fällen kann es auch vorkommen, dass der Patient einen Selbsttötungsversuch unternimmt, um einer vermeintlich schlimmeren Gefahr zu entrinnen. Wahnvorstellungen können, insbesondere bei gleichzeitigem Drogenmissbrauch, so schwere Formen annehmen, dass Patienten versuchen zu fliegen oder über Wasser zu laufen und sich dabei lebensgefährlich verletzen oder ertrinken.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die Auffälligkeiten des Verhaltens zeigen, sollten weiter beobachtet werden. Es ist zu unterscheiden, ob es sich um Persönlichkeitseigenschaften oder wirkliche Störungen handelt. Werden allgemeingültige soziale Regeln permanent missachtet oder scheinbar bewusst ignoriert, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Unpünktlichkeit, grundlose Beleidigungen, Wahrnehmungsstörungen oder unkontrollierte Handlungen sind alarmierende Zeichen für eine Erkrankung. Löst der Umgang mit anderen Menschen regelmäßig Konflikte, Unbehagen oder Angst bei dem Gegenüber aus, ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt oder Therapeuten angezeigt.

Das Hören von Stimmen, Eingebungen einer imaginären Macht oder das Sehen von Gegenständen, die nicht da sind, gilt als besorgniserregend. Abzugrenzen sind die Hinweise von spirituellen oder gläubigen Wahrnehmungen. Bei einer Psychose verhält sich der Betroffene nicht konform der gesellschaftlichen Norm. Er reagiert über, hat Probleme mit der Impulskontrolle, schadet in seinem Verhalten sich selbst und anderen. Wird er zu einer Gefahr für sich selbst oder die Umwelt, ist ein Rettungsdienst zu alarmieren.

Betroffene können die alltäglichen Verpflichtungen aufgrund ihrer Beschwerden nicht erfüllen. Werden durch Drogen induzierte Verhaltensstörungen festgestellt, wird eine ärztliche Hilfe benötigt. Bei einem Rückzugsverhalten, Teilnahmslosigkeit, Appetitlosigkeit oder einem depressiven Auftreten sollte ein Arzt konsultiert werden. Probleme der Konzentration oder Aufmerksamkeit sowie Wahnvorstellungen sind ebenfalls abklären zu lassen.

Behandlung & Therapie

Psychosen werden meist stationär mit Neuroleptika behandelt. Im Gegensatz zu den in früheren Jahrzehnten angewandten Medikamente handelt es sich bei den sogenannten atypischen Neuroleptika neuerer Generation um nebenwirkungsärmere Präparate, weswegen bevorzugt damit therapiert wird. In den letzten Jahren ist dabei eine Vielzahl von neuen Neuroleptika auf den Markt gekommen.

Bei einer Psychose ist aber neben der medikamentösen Therapie auch eine Psychotherapie notwendig. Die richtigen Medikamente und eine stimmige Psychotherapie sind oftmals der Schlüssel zum Erfolg, d.h. zum Abklingen der Psychose. Vor allem zu der medikamentösen Therapie gibt es keine Alternative, die Psychotherapie hat sich nur in Kombination mit den richtigen Medikamenten als wirksam erwiesen. Es gilt mittlerweile als überholt, eine Psychose nur mit Psychoanalyse oder nur mit Psychotherapie heilen zu wollen.

Um das richtige Medikament oder die richtige Medikamenten-Kombination zu finden, ist häufig zunächst einmal nur ein Herantasten und Ausprobieren möglich, da Psychosen und Stoffwechselprozesse im Gehirn sehr unterschiedlich verlaufen. Die auf dem Markt erhältlichen Medikamente sind aber in der Regel sehr wirksam, was bei den Neuroleptika älterer Generation nicht unbedingt der Fall war.

In der akuten Phase einer Psychose ist häufig ein Krankenhausaufenthalt in einer psychiatrischen Klinik notwendig.


Vorbeugung

Um einer Psychose vorzubeugen, ist es wichtig, dass man sich nicht übernimmt, d.h. der Stress in Schach gehalten und soziale Probleme gelöst werden. Zur Vorbeugung gehört auch, keine Drogen zu konsumieren, weil schließlich niemand weiß, ob er eine genetische Disposition zu einer Psychose hat, die durch Rauschmittel verursacht werden kann.

Insbesondere Menschen, die schon eine oder mehrere Psychosen erlebt haben, sollten mit ihren Kräften sorgsam umgehen und keinesfalls Drogen zu sich nehmen. Außerdem ist es notwendig, regelmäßig die verschriebenen Medikamente einzunehmen und regelmäßig einen Facharzt zu konsultieren, um einen Rückfall zu vermeiden.

Nachsorge

Einen Rückfall bei einer Psychose zu erleiden, ist nicht nur für den Betroffenen sehr belastend, sondern auch für sein soziales Umfeld. Durch eine entsprechende Nachsorge kann dies jedoch verhindert werden. Im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen wird festgestellt, ob der Patient auf die in der Behandlung verordneten Medikamente weiterhin gut eingestellt ist.

Außerdem führt der behandelnde Arzt entsprechende Gespräche mit dem Patienten über die Wirkungsweisen und Nebenwirkungen der Antipsychotika. Das Problem des eigenmächtigen Absetzens der Medikamente ist, dass es im ersten Zeitraum zu Verbesserungen des Gesundheitszustandes kommen wird. Danach treten jedoch wieder die gleichen Symptome während eines Rückfalls auf. Die kann durch eine konsequente Nachsorge unterbunden werden.

Während der Nachsorge ist neben der hausärztlichen und neurologischen Therapie auch eine psychologische Begleitung wichtig. Soziale Kontakte, die während der Erkrankung verloren gingen, können so wieder aufgebaut werden. Auch die kognitiven Fähigkeiten, wie Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit werden zurückgewonnen und stabilisiert.

Auch Therapien zum Stressabbau und zur Vermeidung von Überforderungen sind ratsam. Die Grundlage für eine erfolgreiche Nachsorge ist, dass sich der Patient auf das Team aus Ärzten und Therapeuten einlässt. So ist eine psychosoziale Nachsorgebehandlung dann auch erfolgreich.

Das können Sie selbst tun

Um die Situation zu verbessern, ist ein gesunder Lebensstil wichtig. Dazu gehört eine sehr sparsame Aufnahme von Genussstoffen wie Kaffee, Tabak und Zucker sowie ein Verzicht auf illegale und legale Drogen. Gesundes Essen und Trinken sowie ein ausreichender und regelmäßiger Schlaf sind die besseren Alternativen. Der Tagesablauf sollte klar geregelt sein.

Der soziale Faktor ist ebenfalls entscheidend. Das Absprechen eines Krisenplans mit engen Freunden oder Verwandten gehört genauso dazu wie regelmäßiger Kontakt zu psychisch stabilen Personen. Diese müssen nicht zwingend immer aus dem engsten sozialen Netz stammen. Sie finden sich bei zahlreichen Aktivitäten, die ebenfalls gut tun. Dazu gehören Sport, Wandern und ehrenamtliche Tätigkeiten. Da es immer wieder zu stressigen oder sonst belastenden Situationen kommen kann, ist als Ausgleich immer eine Entspannung vorzusehen. Diese sollte nicht auf später verschoben werden.

Um eine als belastend empfundene Situation mit anderen zu besprechen oder neue Tipps für den Umgang mit einer Psychose zu erhalten, kann es empfehlenswert sein, einer Selbsthilfegruppe beizutreten. Diese und ähnliche Kontakte sollten dauerhaft aufrecht erhalten bleiben, da nur so ideal auf eine spätere Krisensituation eingegangen werden kann.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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