Minimaler Bewusstseinszustand (MCS)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Minimaler Bewusstseinszustand (MCS)

Ein minimaler Bewusstseinszustand (MCS) ist nicht zu verwechseln mit einem Wachkoma, obwohl sich beide Erkrankungen sehr ähneln. Betroffene erscheinen zeitweilig wach, da die Augen geöffnet und Bewegungen als auch ein Minenspiel vorhanden sind. Ein minimaler Bewusstseinszustand kann vorübergehend als auch dauerhaft sein.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein minimaler Bewusstseinszustand?

Bei einem MCS liegt eine Störung in der Großhirnfunktion vor. Diese wird oftmals als Folge von Erkrankungen oder durch Verletzungen ausgelöst.
© Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com

Ein minimaler Bewusstseinszustand (MCS) - auch als Minimal Concious State bezeichnet - ist ein Dämmerzustand, der dem des Wachkomas sehr ähnlich ist.

Im Gegensatz zum Wachkoma jedoch, reagieren die Betroffenen gelegentlich auf äußere Reize, wie z. B. Berührungen, Töne oder Lichteffekte. Der minimale Bewusstseinszustand wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert, welches unabhängig vom Großhirn funktioniert, so dass immer noch ein Schlaf-Wach-Rhythmus vorhanden ist.

Ein minimaler Bewusstseinszustand kann sich aus einem Koma oder auch aus einem Wachkoma entwickeln. Es kann vorübergehend sein, jedoch nach ca. 12 Monaten verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene aus dem minimalen Bewusstseinszustand wieder erwacht und es geht in einen Dauerzustand über.

Ursachen

Es gibt verschiedene Ursachen für einen minimalen Bewusstseinszustand. Bei einem MCS liegt eine Störung in der Großhirnfunktion vor. Diese wird oftmals als Folge von Erkrankungen oder durch Verletzungen ausgelöst.

Folgende Erkrankungen oder Störungen im Gehirn können zu einem minimalen Bewusstseinszustand führen: Apoplex (Schlaganfall), Schädel-Hirn-Trauma, Epilepsie, Meningitis, Enzephalitis, Tumore, Gehirnblutungen.

Aber auch Stoffwechselerkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus, Leberfunktionsstörungen, Schilddrüsenerkrankungen und Nierenerkrankungen können ein Auslöser für den minimalen Bewusstseinszustand sein. Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen können auch Alkohol- und Drogenmissbrauch einen minimalen Bewusstseinszustand auslösen.

Ein MCS tritt nicht sofort ein. Wenn die o. g. Ursachen einen schweren Verlauf nehmen und die Patienten ins Koma fallen, kann sich aus diesem ein minimaler Bewusstseinszustand entwickeln.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der Arzt trägt eine hohe Verantwortung bei der richtigen Abgrenzung zwischen dem Syndrom reaktionsloser Wachheit (SRW oder Wachkoma) und dem Zustand minimalen Bewusstseins (MCS). Oft kommt es zu Fehldiagnosen, wobei die Rate der Fehldiagnosen bei circa 37 bis 43 Prozent extrem hoch liegt. Beim klassischen Wachkoma gibt es keine Hinweise auf eine Kontaktfähigkeit des Patienten, obwohl Wachheitsphasen mit geöffneten Augen vorliegen.

Bei einem minimalen Bewusstseinszustand (MCS) zeigen die Patienten Verhaltensweisen, die eine bewusste Wahrnehmung der Umwelt vermuten lassen. Während die Betroffenen beim Syndrom reaktionsloser Wachheit keinerlei Reaktionen auf Außenreize zeigen, reagieren Personen mit MCS zuweilen auf Berührungen, Töne oder Seheindrücke. Sie können unter anderem nach Aufforderung die Hand, den Fuß oder einen anderen Körperteil bewegen.

Manche Betroffene können einem bewegten Gegenstand über den Blickkontakt folgen oder bestimmte vereinbarte Gesten durchführen bei Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden müssen. Einer MCS geht immer ein Wachkoma voraus. Es handelt sich um einen Übergangszustand zwischen Koma und vollem Bewusstsein. Der Patient kann jahrelang oder gar für immer in diesem Zustand verharren.

Dieser Zustand kann sich jedoch auch als Ausgangszustand für eine vollständige Genesung erweisen. Die Fehlerquote bei der richtigen Abgrenzung ist so hoch, weil es auch Patienten mit MCS gibt, die zwar die Umwelt bewusst erleben können, aber aus verschiedenen Gründen keine Möglichkeiten besitzen, Reaktionen zu zeigen.

Diagnose & Verlauf

Diagnostiziert wird der minimale Bewusstseinszustand von Neurologen. Die Diagnostik gestaltet sich äußerst schwierig, da sich MCS und Wachkoma zum Verwechseln ähnlich sind. Um einen minimalen Bewusstseinszustand zu diagnostizieren, werden bildgebende Verfahren eingesetzt.

Neben einem regulären MRT und CT, kommt auch eine sog. funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) zum Einsatz. Im umgangssprachlichen Bereich wird das fMRT auch als Hirnscanner bezeichnet. Mithilfe dieser Untersuchungsmethode lassen sich die Hirnaktivitäten in den verschiedenen Regionen des Gehirns messen.

Der Verlauf bei einem minimalen Bewusstseinszustand ist nicht vielversprechend. Die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene aus dem MCS aufwachen, ist höher, als ein Aufwachen aus dem Wachkoma. In den ersten Wochen und Monaten ist die Wahrscheinlichkeit noch am größten, dass der Betroffene erwacht. Sind jedoch schon mehr als 12 Monate seit Beginn des MCS vergangen, so wird es immer unwahrscheinlicher, dass der Betroffene erwacht. Der minimale Bewusstseinszustand wird zu einem Dauerzustand.

Erwacht ein Betroffener aus dem MCS, so bleiben i. d. R. schwere Schäden zurück. Je länger das MCS angehalten hat, desto ausgeprägter werden die körperlichen und psychischen Behinderungen sein. Ein minimaler Bewusstseinszustand kann viele Jahre anhalten, bevor der Betroffene schließlich stirbt.

Komplikationen

Der minimale Bewusstseinszustand wirkt sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus und kann zu sehr schweren psychischen Beschwerden oder zu Depressionen führen. Die Betroffenen befinden sich dabei in einem Wachkoma und können nicht mehr alleine essen oder trinken. Sie sind damit in der Regel immer auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.

Weiterhin sind auch die Augen geöffnet, sodass die Patienten Geschehnisse aus der Außenwelt immer mitbekommen, sich aber nicht aktiv einbringen können. Auch Sprechen in der Regel auch nicht möglich ist. Weiterhin kommt es auch zu einer Inkontinenz des Patienten. Nicht selten sind auch die Eltern, Kinder oder die Angehörigen der Betroffenen durch den minimalen Bewusstseinszustand deutlich betroffen und leiden an starken psychischen Einschränkungen und an depressiven Verstimmungen.

Es kann dabei nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden, ob es dabei zu einem positiven Krankheitsverlauf kommen wird oder ob der Betroffene sein gesamtes Leben lang in diesem Zustand verbringen wird. Auch eine gezielte Behandlung des minimalen Bewusstseinszustandes ist in der Regel nicht möglich. Mit verschiedenen Therapien können die Gelenke unterstützt werden, sodass diese nicht versteifen. Die Lebenserwartung selbst wird durch diesen Zustand in den meisten Fällen allerdings nicht verringert oder beeinflusst.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einem minimalen Bewusstseinszustand befinden sich viele Patienten bereits in ärztlicher Behandlung. Sie benötigen im Normalfall lediglich bei einer Verschlechterung oder bei plötzlichen Auffälligkeiten des gesundheitlichen Zustands Hilfe und Unterstützung.

Bemerkt der Betroffene im Alltag ohne eine diagnostizierte Erkrankung eine Beeinträchtigung seines Bewusstseinszustandes, sollte er einen Arzt konsultieren. Hält der Zustand bereits über eine längere Zeit an oder treten weitere Verminderungen des Bewusstseins auf, besteht Anlass zur Besorgnis. Da in einigen Fällen eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, ist ein Arztbesuch schnellstmöglich anzuraten. Bemerken Angehörige des sozialen Umfelds das minimale Bewusstsein, sind sie aufgefordert, Hilfe zu holen. Oftmals befindet sich der Erkrankte nicht in der gesundheitlichen Verfassung, die bestehenden Unregelmäßigkeiten zu bemerken.

Anzeichen sind die geöffneten Augen des Betroffenen bei gleichzeitiger Unfähigkeit einer der Situation angemessenen sozialen Interaktion. Ist die Kommunikation mit den Menschen in der unmittelbaren Umgebung nicht möglich, ist ein Arzt zu rufen. Verhaltensauffälligkeiten wie eine Apathie, Benommenheit oder eine anhaltende geistige Abwesenheit müssen einem Arzt vorgestellt werden.

Kommt es zu einer Inkontinenz von Harn oder Stuhl, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Ist es dem Betroffenen nicht möglich, seinen Schließmuskel zu kontrollieren, benötigt er medizinische Hilfe. Kann der Alltag nicht selbständig bewältigt werden, ist ein Arztbesuch notwendig.

Behandlung & Therapie

Zu Beginn eines minimalen Bewusstseinszustands erfolgt eine intensivmedizinische Pflege. Danach können die Betroffenen in die Pflegeabteilungen des Krankenhauses oder in spezielle Pflegeeinrichtungen verlegt werden. Des Weiteren ist es auch möglich, dass die Angehörigen zu Hause die Betreuung übernehmen.

Neben einer allgemeinen medizinischen Versorgung und fachgerechten Pflege, sind vor allem physiotherapeutische, ergotherapeutische und logopädische Maßnahmen sinnvoll. Mithilfe der Krankengymnastik, als auch der Ergotherapie, werden die verschiedenen Gliedmaßen bewegt, so dass die Gelenke nicht versteifen. Des Weiteren werden verschiedene Reize eingesetzt, um das Gehör als auch das Sehfähigkeit anzuregen. Es gibt hierfür spezielle Musiktherapien und die sog. basale Stimulation, bei der mit Sinnesreizen versucht wird, eine Reaktion des Betroffenen zu bewirken.


Aussicht & Prognose

Die Prognose bezüglich des Überkommens eines minimalen Bewusstseinszustandes (MCS) ist abhängig von der Ursache und dem jeweiligen Patienten. So ist zuerst anzumerken, dass ein jüngeres Lebensalter die Chance, Gehirnverletzungen und dadurch resultierende Bewusstseinszustandsveränderungen zu überstehen, erhöht. Gleichzeitig ist die Prognose bei nicht-traumatischen Hirnverletzungen, die zum MCS führten, schlechter als bei traumatischen Hirnverletzungen. Das gesamte oder große Teile des Gehirns betreffende Leiden (Infektionen, Tumoren etc.) sind also schlechter für die Prognose als etwa eine heftige Verletzung infolge eines Unfalls.

Zudem haben Patienten im minimalen Bewusstseinszustand eine signifikant bessere Prognose als solche, die sich im vegetativen Stadium befinden. Da beide Zustände aber nicht immer richtig unterschieden werden, werden MCS-Patienten gelegentlich wie Patienten im vegetativen Stadium behandelt. Dies führt zu einer schlechteren Prognose, weil die Behandlung meistens rein palliativ ist und nicht auf eine mögliche Bewusstseinszustandsverbesserung hinwirkt.

Zudem wird es mit der Zeit unwahrscheinlicher, dass Betroffene aus ihrem Zustand erwachsen. Die meisten, die es tun, erwachsen binnen der ersten drei Monate, während dies nach zwölf Monaten als extrem unwahrscheinlich gilt.

Bleibende Schäden in Form von eingeschränkten Hirnfunktionen und damit einhergehenden Problemen bleiben bei fast allen Menschen, die in einem minimalen Bewusstseinszustand waren, erhalten. Einige Einschränkungen können durch geeignete Therapien kompensiert werden.

Vorbeugung

Einem minimalen Bewusstseinszustand kann man nicht vorbeugen. Es können nur allgemeine prophylaktische Maßnahmen ergriffen werden, im Sinne von Unfallverhütung im Haushalt, am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr.

Des Weiteren sind eine gesunde Ernährung und ausreichende körperliche Bewegung eine gute Maßnahme für ein gesundes und langes Leben. Um Krankheiten vorzubeugen bzw. um diese rechtzeitig zu erkennen, ist es sinnvoll, regelmäßig an den Vorsorge- und Gesundheitsuntersuchungen teilzunehmen. Sollte man wirklich erkranken, so hat man eine gute Ausgangsbasis, um die Krankheit zu besiegen, so dass sich daraus kein minimaler Bewusstseinszustand (MCS) entwickeln kann.

Nachsorge

Die Nachsorge spielt bei Betroffenen, die am minimalen Bewusstseinszustand leiden, eine überaus wichtige Rolle. So benötigen die Patienten auch nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus, je nach Ausmaß ihrer Aktivitätseinschränkungen, weiterhin Pflege. Dies gilt ebenso bei wiedererlangter Selbstständigkeit. Die rehabilitative Nachsorge findet ambulant statt und erstreckt sich über einen längeren Zeitraum, dessen Dauer sich nicht immer bestimmen lässt.

Da Betroffene nicht mehr allein leben können, empfiehlt sich eine Unterbringung in einer Wohngemeinschaft, wo außerklinische Intensivpflege geleistet wird. Doch auch im gewohnten Umfeld ist eine 24-Stunden-Pflege möglich. In leichten Fällen lässt sich auch betreutes Wohnen durchführen. Manche Betroffene sind sogar in der Lage, in einer speziellen Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten.

Schwer Erkrankte benötigen hingegen eine dauerhafte Pflege in einer Tagespflegestätte oder einer Praxis für ambulante Neurorehabilitation. Zahlreiche Patienten können sich noch nach Jahren in ihrer vertrauten Umgebung von einem apallischen Syndrom erholen. Beratungen sind durch die Pflegekassen möglich.

So haben sie die Aufgabe, die Betroffenen bei der Versorgung innerhalb der eigenen Häuslichkeit individuell zu beraten. In zahlreichen Regionen stehen außerdem spezielle Pflegestützpunkte zur Verfügung. Ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge ist die Frührehabilitation. Sie setzt die Akutbehandlung aus dem Krankenhaus fort und umfasst eine therapeutische Pflege, physiotherapeutische Maßnahmen, eine Sprach- und Schlucktherapie, eine Ergotherapie sowie neuropsychologische Behandlungen. Dabei soll der Bewusstseinszustand des Patienten gebessert werden. Ob eine gänzliche Genesung möglich ist, ist individuell abhängig.

Das können Sie selbst tun

Patienten, die sich im minimalen Bewusstseinszustand befinden, können für sich selbst und die Verbesserung ihrer Lage nur wenig beitragen. Die Angehörigen oder das Pflegepersonal sind dadurch in der Hauptverantwortung, um die Rahmenbedingungen für den Patienten zu optimieren.

Insbesondere die Hygiene und die Schlafbedingungen sind wichtig, um keine zusätzlichen Beschwerden auszulösen. Der Körper des Patienten muss regelmäßig bewegt und gründlich gereinigt werden. Da sich der Erkrankte nicht in der Lage befindet, dieses selbst zu erledigen, sollten helfende Hände diese Aufgaben übernehmen. Der Schlafplatz ist ebenfalls zu reinigen und mit sauberen Schlafutensilien auszustatten. Es gilt das Risiko für die Ausbildung von Bakterien oder anderen Krankheitserregern zu minimieren, da der Patient aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes sehr anfällig für weitere Erkrankungen ist. Die Zufuhr von frischer Luft ist dabei nicht zu vergessen. Diese hat einen fördernden Effekt auf die Atemwege des Patienten.

Mehrere Studien legen nahe, dass die Nähe und Stimme von Angehörigen einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben kann. Daher empfiehlt es sich, mit dem Patienten zu reden oder ihm Geschichten vorzulesen, auch wenn dieser nicht antworten kann. Gleichzeitig sollten die Angehörigen auf ihr eigenes Wohlbefinden achten. Zur Stärkung ihrer mentalen Kraft im Umgang mit der Erkrankung helfen Psychotherapien oder auch Entspannungsverfahren.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren