Wachkoma (apallisches Syndrom)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Wenn der Großteil oder die Gesamtheit der Großhirnfunktionen ausfallen, aber die Funktionen von Hirnstamm, Zwischenhirn und Rückenmark bestehen bleiben, wird von einem Wachkoma bzw. apallischen Syndrom (engl. Persistent Vegetative State, PVS) gesprochen. Der Patient wirkt wach, obwohl er vermutlich kein Bewusstsein hat. Ein Wachkoma ist zu unterscheiden vom Minimaler Bewusstseinszustand (MCS) und Locked-In-Syndrom, auch wenn die Übergänge hierbei fließend sind.
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Was ist ein Wachkoma?
Ein Wachkoma bzw. appalisches Syndrom definiert sich durch einen ganzheitlichen Verlust des Bewusstseins sowie die Fähigkeit zu kommunizieren.
Ferner kommt es zu einer Darm- und Harnblaseninkontinenz. Schlaf- und Wachrhythmus sind gestört, doch die basalen Lebensfunktionen wie Kreislauf, Atmung und Verdauung funktionieren noch. Die Patienten können auch schlafen und reagieren vereinzelt auf Reize. Für Außenstehende wirken die Betroffenen wach, doch dieser Eindruck täuscht weitgehend.
Die Leitungsbahnen zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm sind stark zerstört. Während das Stammhirn noch funktioniert, weist die Großhirnfunktion eine ausgeprägte Störung auf. Einige Patienten wachen irgendwann wieder auf, während andere nie wieder einen normalen Bewusstseinszustand erreichen.
Das Wachkoma bzw. das appalische Syndrom ist daher ein komplexes und sehr schweres Krankheitsbild, welches in der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt wird.
Ursachen
Das Wachkoma ist stets eine Folge von einer sehr schweren Schädigung des Gehirns. Ausgelöst wird die Schädigung häufig durch ein Schädel-Hirn-Trauma oder einen Sauerstoffmangel, der durch einen Kreislaufstillstand hervorgerufen worden ist.
Weitere Ursachen dieser neurologischen Erkrankungen sind ein Schlaganfall, Meningitis und Hirntumore. Auch neurodegenerative Krankheiten, zu denen beispielsweise das Parkinson-Syndrom gehört, können das apallische Syndrom auslösen. Außerdem gibt es Fälle, in denen eine extreme andauernde Unterzuckerung zu dem Zustand Wachkoma führen kann.
Was auch immer der Auslöser ist, es kommt zu einer starken Schädigung des Großhirns. Häufig werden auch andere wichtigen Hirnregionen nachhaltig beschädigt, sodass ein Wachkoma bzw. das apallische Syndrom verursacht wird.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das sogenannte Wachkoma oder apallische Syndrom ist durch einen weitgehenden Stillstand der Kommunikationsmöglichkeiten gekennzeichnet. Der Patient bedarf bei Diagnosestellung meist intensivmedizinischer Behandlung. Er hat oft einen Unfall mit schweren Hirnverletzungen überlebt oder ist durch andere Umstände in ein Wachkoma gefallen. Anfangs muss er künstlich beatmet und intravenös ernährt werden.
Das Wachkoma tritt meistens plötzlich ein. Nur bei bestimmten neurodegenerativen Krankheitsbildern können die Symptome sich schleichend einstellen. Als typisches Symptom gilt, dass der Betroffene wach wirkt. Er hat die Augen zwar offen, aber sie blicken ins Leere. Offensichtlich nehmen sie nicht wahr, was um sie herum geschieht. Ob überhaupt keine Wahrnemungsfähigkeit besteht, ist strittig. Oftmals machen pflegende Personen die Erfahrung, dass ein erhöhter Blutdruck oder andere Signale eine gewisse Reaktionsfähigkeit anzeigen.
Zu den weiteren Symptomen gehören eine Aphasie, Inkontinenz, Spastiken oder unwillkürliche Bewegungsmuster. Reflexe und Atem-Reflexe bleiben typischerweise erhalten. In einem späteren Stadium des apallischen Syndroms können Muskelverkürzungen, Muskelkzuckungen, Herzrasen, Schweißausbrüche oder Bluthochdruck auftreten.
Diese Symptome werden als Zeichen für ein nicht mehr normal funktionierendes vegetatives Nervensystem gewertet. Nur in wenigen Fällen wachen Patienten nach Jahren eines Wachkomas wieder auf. In den meisten Fällen entwickelt sich durch das lange Liegen ein Dekubitus. Durch lange Beatmung kann eine Lungenentzündung zum Tode führen.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose eines Wachkomas erfolgt klinisch und dauert meist mehrere Wochen oder Monate. Schwere neurologische Defektsyndrome müssen aufgedeckt werden. Dafür kommt die apparative Diagnostik zum Einsatz, zu denen die Kernspintomografie, das Elektroenzephalogramm sowie evozierte Potenziale gehören.
Sie werden im Verbund eingesetzt, da keine dieser Untersuchungsmethoden allein für eine Diagnose geeignet ist. Es muss eine Abgrenzung von anderen Krankheitsbildern wie Locked-In-Syndrom und Koma erfolgen. Ist ein Wachkoma festgestellt worden, müssen sich die Angehörigen auf einen Behandlungserfolg einstellen, welcher unter 50 % liegt. Eine bessere Prognose ist gegeben, wenn das Wachkoma erst am Anfang ist, der Patient jung ist und eine traumatische Hirnschädigung vorliegt.
Eine Besserung des Wachkomas bzw. des apallischen Syndroms ist unwahrscheinlich, wenn zum Beispiel die Hirnstammreflexe mehr als 24 Stunden fehlen, seit drei Tagen keine Pupillenreaktion mehr gezeigt wird oder ein massives Hirnödem im CT vorliegt.
Komplikationen
Patienten, die in ein Wachkoma fallen, leiden sowohl unter akuten Komplikationen als auch unter Spätfolgen, die sich häufig erst nach dem Erwachen bemerkbar machen. Zu den typischen Problem zählen Inkontinenz und Bettlägerigkeit, meist verbunden mit weiteren Folgen wie Entzündungen, wunden Stellen und Durchblutungsstörungen. Nach dem Erwachen leidet der Patient in der Regel an einem Delirium, welches mehrere Tage bis Wochen bestehen bleiben kann.
Bei länger andauerndem Wachkoma sind auch bleibende geistige Beschwerden möglich. Ein längeres Koma hat oft auch Auswirkungen auf die Psyche des Patienten. Es kommt dann zu depressiven Verstimmungen, Veränderungen in der Persönlichkeit oder schweren dissoziativen Störungen.
Auch Angststörungen können im Rahmen eines apallischen Syndroms auftreten. Ein bestehendes Wachkoma führt im Verlauf zu einer Abnahme der Hirnaktivität und kann infolge der Komplikationen tödlich verlaufen. Eine Besserung des Wachkomas wird mit dem Verlauf der Erkrankung immer unwahrscheinlicher.
Wird dem Patienten eine Magensonde gelegt, bestehen mögliche Risiken darin, dass Magen, Dünndarm oder Speiseröhre verletzt werden. In Einzelfällen wird die Magensonde in die Luftröhre statt in die Speiseröhre gelegt, wodurch es ernsten Verletzungen und Infektionen kommen kann. Die verabreichten Arzneimittel können in einigen Fällen unvorhergesehene Nebenwirkungen hervorrufen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Arzt wird benötigt, sobald der Betroffene nicht mehr ansprechbar ist und dadurch keine Möglichkeit der Kommunikation mit ihm stattfinden kann. Es muss ein Rettungsdienst alarmiert werden, da eine intensivmedizinische Betreuung notwendig wird. Bis zur Ankunft des Arztes ist den telefonischen Anweisungen des Notarztteams zwingend Folge zu leisten. Andernfalls droht das plötzliche Ableben des Betroffenen. Treten die Beschwerden nach einem Unfall, einem Sturz oder einer Krafteinwirkung ein, ist ein schnellstmögliches Handeln notwendig. Naturbedingt kann bei einem Wachkoma der Betroffene selbst keine Aktivitäten unternehmen, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Daher sind anwesende Personen aufgefordert, unverzüglich zu reagieren.
Maßnahmen der Ersten Hilfe müssen angewendet werden, damit das Überleben des Betroffenen gesichert werden kann. Unwillkürliche Bewegungen, Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus oder ein Zucken von verschiedene Muskeln am Körper des Betroffenen weisen auf eine bestehende Störung hin. Ein Ausbleiben der Atmung, ein blasses Erscheinungsbild sowie ein leerer Blick sind ebenfalls als Warnsignale des Organismus zu deuten. Bleibt die Reaktionsfähigkeit trotz aller Bemühungen aus, reagiert der Körper auf die natürlichen Reflexe ebenfalls nicht und kommt es binnen weniger Minuten zu plötzlichen Veränderungen, ist der Notarzt zu rufen. In einigen Fällen ist die Entwicklung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen schleichend zu beobachten. Dennoch ist bei einem Wachkoma die Hilfe von anwesenden Personen zwingend erforderlich.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung des apallischen Syndroms orientiert sich an den Entwicklungsphasen der neurologischen Frührehabilitation. Im Zentrum der Therapie steht die Akutbehandlung. In dieser Phase wird meist ein Luftröhrenschnitt vorgenommen und eine Ernährungssonde durch die Bauchwand angelegt.
Meist wird zudem eine Urinableitung durch die Bauchwand gelegt. Dies sichert die Lebensfunktionen und erlaubt eine bestmögliche pflegerische Versorgung des Patienten. Bereits in dieser Phase sollten zudem Anwendungen von Physiotherapeuten und Logopäden durchgeführt werden. Nachdem die Akutbehandlung abgeschlossen worden ist, schließt sich die nächste Phase an. Dabei wird die Therapie durch neuropsychologische Maßnahmen und Ergotherapie erweitert.
Bei einigen Patienten kommt zudem die Musiktherapie zum Einsatz. Ziel dieser Behandlungsmethoden ist, die geistigen, motorischen und psychischen Funktionen zu verbessern. In dieser Phase, welche einen Monat bis zu einem Jahr dauern kann, entscheidet sich der weitere Verlauf des Gesundheitszustandes des Patienten. Wenn sich eine merkliche Verbesserung der psychischen und physischen Leistungen zeigt, können weitere Maßnahmen unternommen werden.
Verbleibt der Betroffene in einem bewusstlosen Zustand, wird die sogenannte „aktivierende Behandlungspflege“ eingeleitet. Stets erfolgt die Therapie eines Wachkomas bzw. eines apallischen Syndroms unter ärztlicher Leitung, da dies auch von den Versicherungen gefordert sowie nachgeprüft wird.
Vorbeugung
Dem Wachkoma kann nicht direkt vorgebeugt werden. Jegliche starken Schädigungen am Kopf und Gehirn sollten jedoch vermieden werden, da diese Einfluss auf die Gehirnfunktionen nehmen könnten. Wenn bereits das Wachkoma bzw. das apalllische Syndrom vorliegt, kann durch gezielte Therapiemaßnahmen gelegentlich der Zustand des Betroffenen ein wenig verbessert werden.
Nachsorge
Nach einem Wachkoma spielt die Nachsorge eine überaus wichtige Rolle. So benötigen die Patienten auch nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus, je nach Ausmaß ihrer Aktivitätseinschränkungen, weiterhin Pflege. Dies gilt ebenso bei wiedererlangter Selbstständigkeit. Die rehabilitative Nachsorge findet ambulant statt und erstreckt sich über einen längeren Zeitraum, dessen Dauer sich nicht immer bestimmen lässt.
Zu den möglichen Behandlungen der Nachsorge gehören eine 24-Stunden-Pflege, eine außerklinische Intensivpflege, die Beatmung beinhaltet, sowie eine Wohngemeinschaft, die ambulant betreut wird. In leichten Fällen lässt sich auch betreutes Wohnen durchführen. Manche Betroffene sind sogar in der Lage, in einer speziellen Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten.
Dagegen benötigen andere Betroffene eine dauerhafte Pflege in einer Tagespflegestätte, einer Praxis für ambulante Neurorehabilitation oder in einem Wachkomahaus. Zahlreiche Patienten können sich noch nach Jahren in ihrer vertrauten Umgebung von einem apallischen Syndrom erholen. Beratungen sind durch die Pflegekassen möglich.
So haben sie die Aufgabe, die Betroffenen bei der Versorgung innerhalb der eigenen Häuslichkeit individuell zu beraten. In zahlreichen Regionen stehen außerdem spezielle Pflegestützpunkte zur Verfügung. Ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge ist die Frührehabilitation. Sie setzt die Akutbehandlung aus dem Krankenhaus fort und umfasst eine therapeutische Pflege, physiotherapeutische Maßnahmen, eine Sprach- und Schlucktherapie, eine Ergotherapie sowie neuropsychologische Behandlungen. Dabei soll der Bewusstseinszustand des Patienten gebessert werden.
Das können Sie selbst tun
Bei einem Wachkoma kann der Patient naturgemäß keine Maßnahmen der Selbsthilfe einleiten. In diesem gesundheitlichen Zustand wirkt der Betroffene, als sei er wach. Tatsächlich ist sein Bewusstseinszustand jedoch nur minimal oder gar nicht vorhanden. In dieser Situation ist er vollständig auf die Unterstützung und Hilfe des versorgenden Ärzteteams sowie der Angehörigen angewiesen.
Im Normalfall befindet sich der Betroffene in einem stationären Aufenthalt. Hier werden die notwendigen Pflegemaßnahmen automatisch von medizinischen Personal durchgeführt. Hilfreich und empfehlenswert ist die enge Zusammenarbeit der Angehörigen mit den Krankenschwestern oder Helfern der behandelnden Station. Täglich sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob die Auflagepunkte des Körpers des Patienten keine Druckstellen oder Wunden entwickeln. Daher ist der Körper des Betroffenen wiederholt zu bewegen oder in seiner Position zu verändern. Als hilfreich hat sich zudem das kontinuierlich eincremen der Auflagepunkte erwiesen. Die Umgebung des Patienten ist mehrmals täglich mit frischer Luft zu versorgen. Die Sauerstoffzufuhr unterstützt den Organismus im Heilungsprozess. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass der Betroffene nicht friert oder einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt wird.
Obgleich es keinen ausreichenden statistischen Beweis dafür gibt, berichten Patienten im Nachhinein immer wieder, dass die Kommunikation von den Angehörigen zu dem Patienten im Genesungsprozess einen positiven Einfluss hat.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015