Muskelschwund (Muskeldystrophie)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Muskelschwund oder fachmedizinisch Muskeldystrophie ist eine Muskelerkrankung, die vor allem durch Vererbung verursacht wird. Der Muskelschwund kann dabei verschiedenen Formen annehmen und unterscheidet sich hierbei im Verlauf und der Prognose. Leider kann eine Muskeldystrophie noch nicht geheilt werden. Daher ist das Hauptaugenmerk jeder Behandlung die Verlangsamung der Erkankung sowie die Linderung von Beschwerden, die mit dem Muskelschwund einhergehen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Muskelschwund (Muskeldystrophie)?

Gegen krankhaften Muskelschwund und Muskelschwäche hilft nich immer ein gezielter Muskelaufbau, kann aber unterstützende physiotherapeuthische Zwecke erfüllen.

Die Muskeldystrophie (auch Muskelschwund) ist ein Überbegriff für verschiedene primär (also ohne andere Grundkrankheit) abbauende Muskelerkrankungen. Es sind mehr als 30 verschiedene Subklassen der Muskeldystrophien bekannt.

Die häufigsten sind jedoch die Muskeldystrophie Typ Duchenne (mit circa 1:5000 häufigste Muskelerkrankungen im kindlichen Alter) und Typ Becker-Kiener (Erwachsenenform mit etwas günstiger Prognose und langsameren Verlauf). Anderen Unterformen sind selten.

Allen Typen gemeinsam ist, dass die Erkrankungen mit einer fortschreitenden, in der Regel symmetrischen Muskelschwäche mit folgendem Muskelschwund einhergehen.

Ursachen

Für Muskelschwund bzw. Muskeldystrophie liegt keine äußere Ursache zu Grunde, sondern sie ist fast ausschließlich vererbt. Der Erbgang ist meist X-chromosomal rezessiv, also der Gendefekt liegt entsprechend auf dem X-Chromosom und um zu erkranken, müssten beide X-Chromosomen betroffen sein. Daher sind in der Regel nur männliche Individuen betroffen, da diese kein zweites X-Chromosom besitzen und so ein Gendefekt zur Krankheitsausprägung führt.

Das defekte Gen kann nur von der Mutter übertragen werden (sie ist Konduktorin), selber ist sie jedoch nicht manifest betroffen. Natürlich sind auch Neumutationen (also ohne jeglichen Erbgang vorhandener Gendefekt) möglich. Der Gendefekt bewirkt eine reduzierte Menge (Becker-Typ) oder einen gänzlichen Zerfall des Dystrophins (Duchenne), einem Baustein des Skelettmuskels, welcher für die Stabilität und Kontraktionsfähigkeit (also der Fähigkeit des Muskels, sich zusammenziehen zu können) notwendig ist. Dieser Dystrophienmangel führt letztendlich zu der Muskelschwäche und dem Muskelschwund.

Um eine Neumutation von einem Erbgang abzugrenzen (vor allem zur Bestimmung des Rezidivrisikos bei erneuter Schwangerschaft), kann eine Genanalyse der Mutter durchgeführt werden. In vielen Fällen ist allerdings auch bei der asymptomatischen Mutter ein erhöhtes Muskelzerfalls-Enzym (CK) nachweisbar.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Muskeldystrophie ist durch eine fortschreitende Muskelschwäche gekennzeichnet. Diese betrifft überwiegend bestimmte Körperregionen und tritt in der Regel symmetrisch auf. Wann und ob es überhaupt zu Beschwerden kommt, hängt vor allem von der Form der Muskeldystrophie ab. So sind mehr als 30 verschiedene Formen bekannt, die mit unterschiedlichen Beschwerden einhergehen.

Bei der eher langsam fortschreitenden Muskeldystrophie vom Typ Becker-Kiener zeigt sich die Muskelschwäche zunächst im Bereich der Oberschenkel- und Beckenmuskulatur. Die Erkrankung beginnt im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren, sodass die Gehfähigkeit aufgrund des langsamen Krankheitsverlaufs bei den meisten Patienten bis zum 30. oder sogar 40. Lebensjahr erhalten bleibt. Erst in späteren Stadien beeinträchtigt die Muskelschwäche auch die Funktion von Lunge und Herz.

Der Muskelschwund vom Typ Duchenne schreitet hingegen schnell fort. Die ersten Symptome zeigen sich im Kleinkindalter. Die betroffenen Kinder stolpern häufiger und fallen schnell hin. Rund ein Drittel der Betroffenen leidet ferner unter Wadenschmerzen und einem Watschelgang.

Aufgrund der fortschreitenden Muskelschwäche sind Patienten mit der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne noch vor dem 18. Lebensjahr auf den Rollstuhl und eine vollständige Pflege angewiesen. Infolge der Dystrophie sind die Atem- und die Herzleistung zunehmend eingeschränkt, sodass es auch zu Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche kommen kann.

Krankheitsverlauf

Bereits im frühen Kindesalter (Typ Duchenne) oder im Jugend- bis frühen Erwachsenenalter kommt es zu ersten Symptomen bei Muskelschwund (Muskeldystrophie). Charakteristisch ist eine fortschreitende Muskelschwäche, welche meist symmetrisch am Becken- und Schultergürtel beginnt. Später kommt es zum eigentlichen Muskelschwund.

Als Platzhalter dient Fettgewebe, was zu einer optischen Hypertrophie führt (typisch sind die so genannten Gnomenwaden). Im weiteren Verlauf verlieren die Kinder bzw. die Erwachsenen die Fähigkeit ohne Hilfe aufzustehen und schließlich zu gehen. Da die Muskeldystrophien nicht heilbar sind, kommt es nach langjährigem Verlauf zum Tod (Lebenserwartung bei Typ Duchenne circa 25 Jahre, bei Typ Becker deutlich länger). Todesursache ist meist Atemschwäche mit daraus resultierenden Infektionen.

Komplikationen

Bei Muskelschwund kann es passieren, dass sich der Herzmuskel verdickt und abgeschwächt wird. Störungen des Herzrhythmus und der Atmung sind die Folge. Da das Knochengerüst nicht mehr durch die Muskeln abgestützt wird, kann es weiterhin dazu kommen, dass Gliedmaßen deformiert werden und die Wirbelsäule sich in krankhafter Weise verkrümmt. In diesem Fall leidet der Betroffene oft unter starken Rückenschmerzen.

Fehlstellungen der Gelenke können auf Grund der starken Verkürzung, die durch die Rückbildung der Muskel entsteht, auch nicht ausgeschlossen werden. Diese sind dann meist nicht mehr zu korrigieren. In späteren Phasen des Verlaufs können Probleme mit der Atemmuskulatur entstehen. Die Atmung fällt dann schwerer und es kommt zu nächtlichen Abfällen der Sauerstoffzufuhr. Das geht mit einer erhöhten Anfälligkeit für Erkrankungen der Atemwege einher.

Besitzen Kranke nicht mehr die Fähigkeit, ihre liegende Position im Bett zu verändern, sind Druckgeschwüre an der aufliegenden Haut die Folge. Das wird auch als Wundliegen bezeichnet. Sämtliche Komplikationen können durch eine ärztliche Behandlung eingeschränkt, aber meist nicht verhindert werden. Im Allgemeinen führen schließlich die Komplikationen und nicht der Muskelschwund selber zum Tod.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein kontinuierlicher Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit ist mit einem Arzt zu besprechen. Können gewohnte sportliche oder alltägliche Verpflichtungen nicht mehr wahrgenommen werden, ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt anzuraten. Schmerzen der Muskeln, eine schnelle körperliche Überforderung des Betroffenen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind Hinweise für eine gesundheitliche Beeinträchtigung.

Kommt es häufig zu Kopfschmerzen, einem allgemeinen Unwohlsein, einem erhöhten Schlafbedarf sowie einer inneren Unruhe, wird ein Arzt benötigt. Bei einem Zittern der Gliedmaßen, einer Fehlhaltung des Körpers oder Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten ist ein Arzt aufzusuchen. Eine Unregelmäßigkeit bei der Atemtätigkeit, ein allgemeines Krankheitsgefühl sowie optische Auffälligkeiten bei der Fortbewegung müssen untersucht werden. Häufig fallen die betroffenen Personen durch einen Watschelgang bei der Vorwärtsbewegung auf.

Stellen sich zusätzlich Verhaltensauffälligkeiten, Stimmungsschwankungen oder andere psychisch bedingte Unregelmäßigkeiten ein, wird ein Arztbesuch empfohlen. Durch die körperlichen Veränderungen drohen seelische oder emotionale Probleme, denen rechtzeitig vorgebeugt werden sollte. Eine erhöhte Unfall- oder Sturzgefahr muss bei einem Muskelschwund berücksichtigt werden. Daher ist ein Arzt von den Besonderheiten zu informieren, wenn es wiederholt zu Verletzungen kommt. Sinkt die Aufmerksamkeit oder Konzentration des Betroffenen benötigt er ebenfalls medizinische Hilfe.

Behandlung & Therapie

Die Therapie von Muskelschwund (Muskeldystrophie) dient vor allem dem langen Erhalt der Muskelkraft (und somit der Selbstständigkeit), dem Ausgleich von bereits vorhandenen Defiziten und der Vermeidung von Komplikationen. Es ist eine fächerübergreifende Therapie uneingeschränkt sinnvoll. So sollten Hausarzt, Neurologen, Krankengymnasten, Physiotherapeuten, Pflegepersonal und natürlich die Eltern mit eingebunden werden. Ebenso sollte dem Betroffenen ein weitestgehend normales Leben ermöglicht werden. Schulbesuche und Arbeit (in z.B. einer speziellen Werkstatt für Betroffene) sind anzustreben.

Neben krankengymnastischen Übungen sind verschiedenste Hilfsmittel anzubieten, um Defizite auszugleichen (z.B. elektrischer Rollstuhl, Lifter für die Transfers, Ess- und Waschhilfen etc.). Nicht selten kommt es durch die geschwächte Rücken- und Bauchmuskulatur zu Wirbelsäulenverkrümmungen. Diese sollten operativ korrigiert werden, um die Sitzfähigkeit zu erhalten. Entscheidend für die Prognose ist die Therapie der Atemschwäche.

Neben krankengymnastischen und physiotherapeutischen Interventionen kann eine nächtliche Überdruckbeatmung die Prognose und die Lebensqualität deutlich erhöhen. Eine psychische Begleittherapie der oft depressiven Patienten sollte angeboten werden.

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Aussicht & Prognose

Eine Heilung der Muskeldystrophie ist heutzutage noch nicht möglich. Es lässt sich aber, durch Behandlung der Symptome und fachgerechte Krankengymnastik die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern. Besonders helfen den Betroffenen Atemtherapie, Wärmeanwendungen, Klopf-Druck-Massage, Elektrotherapie sowie die Kombination aus dynamischen und isometrischen Übungen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Überforderung und Überanstrengung der Muskulatur vermieden werden sollte, da dies den Verlauf der Erkrankung beschleunigen könnte.

Laut neuer Studien lässt sich auch durch einen Einsatz von sogenanntem Kreatinmonohydrat, in den leichteren Krankheitsfällen der Muskeldystrophie, die Kraft der Patienten für einige Zeit erhöhen. Wichtig ist zudem eine professionelle psychologische Betreuung der Patienten und ihrer Familien, da diese unheilbare Erkrankung eine starke Belastung darstellt. Auch Selbsthilfegruppen können eine gute Unterstützung diesbezüglich leisten. Zudem können Sehnenverlängernde Operationen, wenn sie rechtzeitig durchgeführt werden, die Gehfähigkeit der Patienten verlängern. Die sich einstellende Rückratsverkrümmung, die sich nach einigen Jahren zeigt, sollte ebenfalls rechtzeitig operativ korrigiert werden, denn diese hat einen negativen Einfluss auf die Atmung.

Sobald die Krankheit die Atemmuskulatur befallen hat, sollte nächtliche Heimbeatmung eingesetzt werden, um die Verbesserung des Atmens zu erzielen. Aufgrund dessen, das bisher noch keine Möglichkeit auf Heilung der Krankheit besteht, liegt die Lebenserwartung der Patienten mit Muskeldystrophie selten über 25 Jahre.

Nachsorge

Die Nachsorge bei Muskelschwund besteht im Wesentlichen in einer Linderung der auftretenden Beschwerden und Behinderungen. Dabei kommt der Physiotherapie große Bedeutung zu. Via Krankengymnastik und Ergotherapie lassen sich die Beweglichkeit sowie Restfunktionen der Muskeln fördern. Dabei sollte die Krankengymnastik jedoch nicht zu anstrengend sein, da man nicht unbedingt sicher sein kann, ob sich dies am Ende nicht negativ auswirkt. Die Patienten erhalten außerdem Handschienen oder Gehhilfen.

Damit sind sie in der Lage, den Ausfall einzelner Muskelgruppen möglichst lange zu kompensieren. Später erweist sich die Behandlung von Störungen hinsichtlich Schlucken und Sprechen als wichtig und notwendig. Dennoch können diese Maßnahmen eine spätere Ernährung über Sonden nicht vermeiden - auf diese Weise soll ein potentielles Eindringen der Nahrung in die Luftwege verhindert werden.

Eine Unterstützung der Atemfunktion reduziert für den Betroffenen die Anstrengung beim Luftholen. Leichte Ausstreichungen via Handflächen erweisen sich als überaus wohltuend. Das Gleiche gilt für sanfte Wassergüsse - dies umso mehr, als die sensiblen Nerven ein Leben lang intakt bleiben. Ein wichtiger Faktor ist auch die Ernährung - richtige Lebensmittel können durchaus Erleichterung verschaffen.

So können beispielsweise einweißreiche Drinks Muskelkraft und Lebensqualität bei älteren, kranken Menschen verbessern. Wichtig erscheint aber auch, die zumeist älteren Menschen richtig aufzuklären und zu motivieren, um sie vor der Abwärtsspirale beim Altern - inklusive Muskelschwund - zu bewahren.

Das können Sie selbst tun

Bei Muskelschwund können die Betroffenen einiges tun, um die Beschwerden zu lindern und ihre Lebensqualität so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Hilfsmittel wie zum Beispiel ein Greifer oder auch ein Rollator fördern die Selbstständigkeit und erleichtern den Alltag. Auch eine Toilettensitzerhöhung und ein Badewannensitz sind mitunter sinnvoll. Mindestens ebenso wichtig ist Bewegung, etwa in Form von Krankengymnastik, um die Muskeldystrophie zu verlangsamen. Jegliche Art von Sport sollte jedoch mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, denn: Das Gewebe ist bei Muskelschwund sehr dehnungsempfindlich, sodass nicht jede Sportart geeignet ist.

Grundsätzlich ist es bei Muskeldystrophie essenziell, dass sich der Betroffene an die Anweisungen des Arztes hält und beispielsweise die verordneten Medikamente regelmäßig einnimmt. Physiotherapeuten können Klopf-Druck-Massagen anwenden und den Patienten dazu anleiten, einige Übungen selbstständig zu Hause durchzuführen.

Da sich die Diagnose Muskelschwund auch auf die emotionale Stabilität auswirken kann, ist es zudem ratsam, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Hier können Betroffene Kontakt zu anderen Erkrankten knüpfen und sich über ihren Alltag mit Muskeldystrophie austauschen. Der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe trägt zudem dazu bei, dass die Patienten aktiv bleiben, was bei Muskelschwund ebenfalls von großer Bedeutung ist.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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