Wilms-Tumor (Nephroblastom)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 20. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein Wilms-Tumor (Nephroblastom) stellt die häufigste Tumorerkrankung der kindlichen Nieren dar, von welcher Mädchen etwas häufiger betroffen sind als Jungen. Bei frühzeitiger Diagnose und Therapiebeginn ist ein Wilms-Tumor in der Regel langfristig heilbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Wilms-Tumor?

Der Wilms-Tumor (auch Nephroblastom genannt) ist eine spezielle Nierentumorform, die besonders bei Kindern auftritt.
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Als Wilms-Tumor bzw. Nephroblastom wird ein maligner (bösartiger) Tumor der Niere bezeichnet, von dem in erster Linie Kinder, insbesondere zwischen dem 1. und 4. Lebensjahr, betroffen sind.

Ein Wilms-Tumor ist meistens einseitig auftretend und neigt zu einer frühzeitigen |Metastasierung (Bildung von Tochtergeschwülsten), die oftmals hämatogen (über das Blut) in Lunge, Gehirn, Leber sowie die regionalen Lymphknoten erfolgt. Ferner wird ein Wilms-Tumor in manchen Fällen mit angeborenen Begleitfehlbildungen assoziiert, die vor allem das Auge (Aniridie bzw. fehlende Regenbogenhaut) oder die Harnröhre (urogenitale Fehlbildungen) betreffen.

Darüber hinaus ist ein Wilms-Tumor vor allem durch eine schmerzlose Tumorschwellung im Bereich der Bauchdecke gekennzeichnet und geht nur in seltenen Fällen mit Schmerzen, Hämaturie (Blut im Urin) oder Hypertonie (Bluthochdruck) einher.

Ursachen

Die Ursachen für einen Wilms-Tumor konnten bislang nicht geklärt werden. Aufgrund der Tatsache, dass ein Nephroblastom in vielen Fällen mit angeborenen Begleitfehlbildungen bzw. genetisch bedingten Erkrankungen wie das Beckwith-Wiedemann-Syndrom, das WAGR-Syndrom oder Denys-Drash-Syndrom assoziiert werden kann, wird von genetischen Faktoren für die Manifestierung der Tumorerkrankung ausgegangen.

Vermutet wird, dass das sogenannte Wilms-Tumor-Gen WT-1, das bei der physiologischen Ausbildung der Niere eine bedeutende Rolle spielt, sowie das WT-2, das sich ebenso wie das WT-1 auf dem Chromosom 11 befindet, zur Manifestierung eines Wilms-Tumors beitragen könnten.

Darüber hinaus konnte bei der Analyse der Tumorzellen ein DNA-Verlust auf dem kurzen Arm des Chromosoms 11, das im Normalfall für die Tumorsuppression (Unterdrückung) zuständig ist, festgestellt werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der Wilms-Tumor (auch Nephroblastom genannt) ist eine spezielle Nierentumorform, die besonders bei Kindern auftritt. In 85 Prozent der Fälle sind die Kinder, die an einem Wilms–Tumor leiden, jünger als fünf Jahre.In 11 Prozent aller Fälle tritt der Wilms–Tumor symptomlos auf und wurde bei einer Vorsorgeuntersuchung zufällig entdeckt.

Wenn der Wils–Tumor Symptome zeigt, ist das Hauptsymptom eine schmerzlose Wölbung des Abdomens, also eine Wölbung der Bauchdecke. In einigen Fällen klagen die Kinder über Schmerzen. Oft wird dieser gewölbte, „dicke“ Bauch nicht als ein Symptom erkannt sondern als Zeichen für Wohlernährung gesehen. In seltenen Fällen findet sich Blut im Urin des Kindes (Hämaturie).

Untypische Symptome, die mit dem Nephroblastom einhergehen können sind Fieber, Erbrechen, Probleme mit dem Verdauungssystem oder Bluthochdruck (Hypertonie). Die Probleme mit dem Verdauungssystem können Appetitlosigkeit sein oder Durchfall und Verstopfung im Wechsel.

In seltenen Fällen kann es zu einer erhöhten Konzentration von Kalzium im Blut kommen (Hyperkalzämie). In seltenen Fällen tritt der Wilms–Tumor auch bei jungen oder älteren Erwachsenen auf. Hier kann er sich durch Flankenschmerzen, einem Gewichtsverlust und dem plötzlichen Abfall von Leistungsfähigkeit bemerkbar machen.

Diagnose & Verlauf

Da ein Wilms-Tumor zu Beginn kaum kennzeichnende Symptome hervorruft, wird die Tumorerkrankung in vielen Fällen im Rahmen einer Routineuntersuchung durch ein Abtasten des Bauchbereiches diagnostiziert.

Wird hierbei eine schmerzlose Schwellung festgestellt, kann dies ein erstes Indiz für einen Wilms-Tumor darstellen. Zur Sicherung der Diagnose kommen bildgebende Verfahren wie Sonographie (Ultraschall), Computertomographie (CT), Röntgenuntersuchung sowie Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz. Diese dienen gleichzeitig der Ermittlung der Größe und Lokalisation sowie Ausbreitung des Tumors (Feststellung von Metastasen).

Darüber hinaus kann die Nierenfunktion anhand einer Kreatininclearance (Feststellung der Kreatininkonzentration im Urin oder Serum) sowie einer Nierenfunktionsszintigraphie (nuklearmedizinisches Verfahren) überprüft werden. Ein Wilms-Tumor weist einen progredienten Verlauf mit schnellem Wachstum auf und neigt frühzeitig zur Metastasierung. In der Regel ist die Prognose bei frühzeitiger Diagnose und Therapiebeginn allerdings gut und in etwa 90 Prozent der Fälle können die betroffenen Kinder langfristig geheilt werden.

Komplikationen

Der Wilms-Tumor ist die häufigste Form von Nierenkrebs bei Kindern. Wird der Tumor rechtzeitig entdeckt und adäquat therapiert, bestehen gute Chancen, dass der Patient vollständig genest und sich keine ernsthaften Komplikationen einstellen. Dennoch muss mit Krisen während der Therapie gerechnet werden.

Eine sehr häufige Komplikation, die beim Wilms-Tumor auftritt, ist hoher Blutdruck. Das hormonähnliche Enzym Renin, das verstärkt produziert wird, bewirkt eine Verengung der Gefäßlumen, was zu einem Anstieg des Blutdrucks führt. Darüber hinaus kann es zu Nierenblutungen kommen, weil die Membran der Bowman-Kapsel verletzt wird.

Das Blut sammelt sich dabei zunächst oftmals im Nierenbecken, im Urin können meist Blutklümpchen festgestellt werden. Sind die inneren Blutungen sehr stark ausgeprägt, kann dies zu einem Abfall des Blutdrucks und einer dadurch bedingten Bewusstlosigkeit beim Patienten führen. Auch ein lebensgefährlicher Kreislaufzusammenbruch ist bei sehr starken inneren Blutungen nicht ausgeschlossen.

Wie bei vielen bösartigen Geschwüren besteht auch beim Wilms-Tumor das Risiko, dass er streut. Metastasen bilden sich meist in der Lunge, was beim Patienten zu Schmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit und blutigem Auswurf führt, bevor sich schwerere Komplikationen einstellen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigt sich bei Kindern ein ungewöhnliches Verhalten, sollten Eltern stets erhöht ihre Aufmerksamkeit auf das Verhalten oder die gesundheitlichen Entwicklungen bei dem Kind richten. Bei einem weinerlichen Verhalten, einer starken Unruhe oder Schlafstörungen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Entwickeln sich am Körper unnatürliche Veränderungen, Schwellungen oder vor Wölbungen, sind diese ebenfalls schnellstmöglich abklären zu lassen. Bei Beschwerden wie Erbrechen, Übelkeit oder Störungen des Verdauungstraktes benötigt das Kind eine medizinische Versorgung. Appetitlosigkeit, Verstopfung oder Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus sind Warnsignale des Organismus.

Ein Arzt zu konsultieren, da es bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf zu schwerwiegenden Komplikationen kommen kann. Halten vorhandene Beschwerden über eine längere Zeit an, entwickeln sich neue Symptome oder nimmt die Intensität der Unregelmäßigkeiten zu, ist unverzüglich ein Arzt zu konsultieren. Bei Fieber, Blut im Urin sowie Störungen der Konzentration und Aufmerksamkeit besteht Handlungsbedarf.

Schmerzen und die Einnahme einer körperlichen Schonhaltung sollten näher untersucht und behandelt werden. Sinkt die körperliche sowie die geistige Leistungsfähigkeit, deutet dies auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung hin. Insbesondere bei plötzlichen Veränderungen besteht Anlass zur Besorgnis. Sinkt die Teilhabe am sozialen Leben und ist der Spieltrieb des Kindes innerhalb kurzer Zeit zurückgegangen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei einem Verlust des Gewichts ist ebenfalls ein Arztbesuch notwendig.

Behandlung & Therapie

Die Therapie eines Wilms-Tumors beinhaltet in der Regel eine chirurgische Entfernung der tumortragenden Niere (Tumornephrektomie) sowie chemo- und strahlentherapeutische Maßnahmen. Hierbei werden die einzelnen Maßnahmen und deren Reihenfolge auf das Alter des betroffenen Kindes sowie der Tumorbeschaffenheit und dem Entwicklungsstadium der Erkrankung abgestimmt.

So wird bei Kindern, die jünger als ein halbes Jahr sind, prinzipiell die tumortragende Niere direkt chirurgisch entfernt. Im Vorfeld des chirurgischen Eingriffs sollte allerdings geprüft werden, ob die zweite Niere voll funktionsfähig ist. Bei älteren Betroffenen oder Vorliegen eines größeren Nephroblastoms wird der Wilms-Tumor zunächst durch chemotherapeutische Maßnahmen verkleinert, bevor dieser im Rahmen einer Tumornephrektomie operativ entfernt wird.

Sollten beide Nieren betroffen sein, zielt ein operativer Eingriff auf den Erhalt der Nieren und im Anschluss an die Chemotherapie werden lediglich die verbliebenen Tumorreste und Metastasen aus dem nicht betroffenen Nierengewebe entfernt (Tumorenukleation). In seltenen Fällen (bspw. fortgeschrittenes Erkrankungsstadium oder hohe Malignität des Wilms-Tumors) ist zusätzlich eine Strahlentherapie erforderlich, um Tumorreste oder Metastasen, die chirurgisch bzw. chemotherapeutisch nicht entfernt werden konnten, abzutöten.

Ferner sollten betroffene Kinder im Anschluss an eine erfolgreiche Therapie regelmäßig im Rahmen von Nachuntersuchungen auf Rezidive (Wiederauftreten des Tumors), vor allem innerhalb der ersten beiden Jahre nach Therapieende, kontrolliert werden.

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Vorbeugung

Da die Ursachen für einen Wilms-Tumor unbekannt sind, kann einem Nephroblastom nicht vorgebeugt werden. Kinder, die von genetisch bedingten Erkrankungen betroffen sind, die die Tumorerkrankung zu begünstigen scheinen (u.a. das Beckwith-Wiedemann-Syndrom), sollten bei Auftreten einer Schwellung im Bauchbereich ärztlich auf einen möglichen Wilms-Tumor untersucht werden. In einzelnen Fällen können molekulargenetische Untersuchungen zur Feststellung einer Prädisposition (Veranlagung) zu einem Wilms-Tumor erforderlich sein.

Nachsorge

Im Anschluss an die eigentliche Behandlung des Wilms-Tumors ist eine Nachsorge der betroffenen Kinder notwendig. Wurde ein solider Tumor operativ entfernt, kümmern sich Fachärzte der Onkologie und Hämatologie der Kinderklinik um die Nachbehandlung. In den meisten Fällen muss nach der Chemotherapie sowie der Operation keine Strahlenbehandlung mehr stattfinden.

Umfang und Art der Nachsorge richten sich nach dem jeweiligen Stadium des Wilms-Tumors. Da diese Zeit für die betroffenen Kinder und ihre Familie überaus belastend verläuft, ist eine psychosoziale Betreuung sinnvoll. Dabei zeigen qualifizierte Psychotherapeuten sowohl dem erkrankten Kind als auch dessen Eltern und Geschwistern einen besseren Umgang mit der schwierigen Lage.

Einen wichtigen Bestandteil der Nachsorge stellen außerdem die Kontrolluntersuchungen dar. Sie müssen regelmäßig stattfinden, weil ein erneutes Auftreten der Krebserkrankung in den zwei Jahren nach der Therapie möglich ist. Zeigt sich tatsächlich wieder ein Geschwür, lässt es sich frühzeitig behandeln. Zu den engmaschigen Untersuchungen zählt unter anderem die Sonographie (Ultraschalluntersuchung). Ebenso ist eine Magnetresonanztomographie möglich. Bestätigt sich der Verdacht auf ein Rezidiv, wird dieses nochmals mit einer Chemotherapie bekämpft.

Zur Nachsorge gehört ebenfalls eine regelmäßige Kontrolle der Lunge durch Röntgenuntersuchungen. So drohen in den ersten zwei Jahren nach der Krebstherapie Metastasen (Tochtergeschwülste) in der Lunge. Zeigen sich nach fünf Jahren keine Rezidive oder Metastasen, gilt das Kind als geheilt, sodass keine Kontrolluntersuchungen mehr stattfinden müssen.

Das können Sie selbst tun

Die Entwicklung der Tumorerkrankung tritt in den meisten Fällen bei Kindern auf. Daher sind Angehörige und insbesondere die Eltern in der Verantwortung für eine bestmögliche Unterstützung des Patienten im Alltag. Die Maßnahmen der Selbsthilfe konzentrieren sich darauf, eng und harmonisch mit dem behandelnden Ärzteteam zusammenzuarbeiten sowie deren Anweisungen zu befolgen.

Studien zeigen immer wieder auf, dass die geistige und mentale Stabilität besonders wichtig bei der Bewältigung der Erkrankung ist. Daher sollten Konflikte und Stresssituationen möglichst vermieden werden. Die Aktivitäten zur Förderung der Lebensfreude und des Wohlbefindens stehen im Vordergrund. Gleichzeitig sollte das Kind Unterricht erhalten und bestmöglich im natürlichen Lernprozess unterstützt werden.

Das Kind sollte ausreichend über die vorliegende Erkrankung sowie deren Folgen umfassend informiert werden. Das Auftreten möglicher Symptome ist mit dem Kind zu besprechen, damit Situationen der Angst oder Panik auf ein Mindestmaß reduziert werden können. Da die Erkrankung mit zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen verbunden ist und eine Langzeittherapie benötigt wird, ist das Kind rechtzeitig auf die weitere Vorgehensweise emotional vorzubereiten. Der Kontakt zu anderen Kindern ist während dieser Zeit wichtig und sollte daher gefördert werden. Ein gemeinsamer Austausch kann bei der Bewältigung der Umstände hilfreich sein. Ebenso ist die Nähe zu den Familienmitgliedern ist in der gesamten Behandlungszeit enorm wichtig.

Quellen

  • Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014
  • Sauer, R.: Strahlentherapie und Onkologie. Urban & Fischer, München 2009

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