Nephronophthisen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Nephronophthisen sind Nierenerkrankungen, die auf eine genetische Mutation oder Deletion zurückzuführen sind. Das terminale Nierenversagen stellt sich im Rahmen dieser sieben Krankheitsformen spätestens bis zum 25. Lebensjahr ein. Als kurative Therapie steht bislang lediglich eine Transplantation zur Verfügung.
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Was sind Nephronophthisen?
Bei Nephronophthisen handelt es sich um genetische Nierenerkrankungen mit chronisch entzündlichen Eigenschaften. Das interstitielle Nierengewebe ist der Hauptangriffspunkt der Krankheiten. Bislang wurden sieben verschiedene Erbkrankheiten dieser Gruppe zugeordnet:
- juvenilen Nephronophthise
- infantile Nephronophthise
- adoleszente Nephronophthise
Die restlichen drei Erkrankungen werden als NPHP4, NPHP5, NPHP6 und NPHP7 bezeichnet und sind bislang nicht besonders gut erforscht.
Bis in die 70er Jahre beschrieb die Forschung die Nephronophthisen als medullär zystische Nierenerkrankungen. Histologisch lassen sich diese Erkrankungen kaum voneinander abgrenzen. Der Erbgang der medullären zystischen Nierenerkrankungen unterscheidet sich aber vom Erbgang der Nephronophthisen. Statt einem autosomal-dominanten Erbgang liegt bei den Nephrophthisen ein autosomal-rezessiver Erbgang vor. Die Häufigkeit aller Formen wird mit einem Verhältnis von etwa 1: 100.000 angegeben.
Ursachen
Bei der adoleszenten Form liegt der Gendefekt auf Chromosom 3 Genlocus q21-q22. Die vierte Form der Nephronophthise wird durch eine Mutation oder Deletion auf Chromosom 1 Genlocus p36.22 ausgelöst, wo für das Protein Nephroretinin codiert wird. Bei der fünften Variante liegt eine Deletion oder Mutation auf Chromosom 3 Genlocus q21.1 vor, die das Protein Nephrocystin-5 beeinträchtigt. NPHP6 wurde auf eine Anomalie auf Chromosom 12 Genlocus q21.33 zurückgeführt und bei NPHP7 ist das Zinkfingerprotein beeinträchtigt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei allen Nephronophthisen treten enorme Salzverluste ein, die den Patienten erheblich dehydrieren und in der Regel eine Verschiebung im Elektrolythaushalt auslösen. Der Urin lässt sich nicht mehr auf eine Konzentration von 800 mosm*kg−1H2O bringen. Azotämie tritt ein. Betroffene haben also einen überdurchschnittlich hohen Gehalt stickstoffhaltiger Stoffwechselprodukte im Blut.
Auch eine Anämie oder Blutarmut zählt zu den Symptomen einer Nephronophthise. Zusätzlich tritt eine Hypokaliämie, also Kaliummangel auf. Ebenso häufig ist eine Übersäuerung nachzuweisen. Die Tubuli der Nieren sind atrophisch und erweitern sich zystisch. Anders als bei gesunden Patienten liegen die Tubuli an der kortikomedullären Grenzlinie.
Zysten bilden sich vor allem an den Sammelrohren des Nierenmarks und am distalen Konvolut der Nieren. Die Nierenfunktion lässt Schritt für Schritt nach und mündet in terminales Nierenversagen. Nur bei der adoleszenten Nephronophthise tritt das terminale Nierenversagen erst nach der Volljährigkeit ein.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Der Arzt stellt die Diagnose einer Nephronophthise in der Regel über Bluttests, Urinproben und Nierenfunktionsszintigraphie sowie Bilgebungsverfahren. Als Bildgebungen kommen sowohl Ultraschall, als auch MRT infrage. In der Regel bleiben Nephronophthisen über lange Zeit unerkannt, bis sich schwere Beschwerden einstellen.
Die Prognose für Betroffene ist eher ungünstig. Spätestens mit 25 Jahren stellt sich für alle Patienten terminales Nierenversagen ein. Die adoleszente Form ist mit den vergleichsweise günstigsten Prognosen verbunden, da das Nierenversagen bei dieser Unterart erst nach der Volljährigkeit zu erwarten ist.
Komplikationen
Beim häufigsten Gendefekt, dem NPHP1-Defekt, tritt das terminale Nierenversagen bereits vor dem 25. Lebensjahr ein. Es kann in diesem Zeitraum jederzeit auftreten. Mit Hilfe einer symptomatischen Behandlung könnte der Eintritt des Nierenversagens noch aufgeschoben werden. Noch ungünstiger ist die Prognose für den NPHP2-Defekt. Hier tritt das terminale Nierenversagen häufig schon vor der Geburt ein, aber spätestens noch innerhalb des ersten Lebensjahres.
Etwas günstiger ist der Verlauf beim NPHP3-Defekt. Das terminale Nierenversagen findet hier meist erst um das 19. Lebensjahr statt. Über die Gendefekte NPHP4, NPHP5, NPHP6, NPHP7 ist noch nicht viel bekannt. Allerdings kommt es auch hier jeweils zu einem Nierenversagen.
Der Patient bedarf einer ständigen ärztlichen Behandlung und Überwachung, da es sonst zu einer Anhäufung von harnpflichtigen Substanzen im Blut, zu einem Kaliummangel, einer Anämie (Blutarmut) und einer metabolischen Azidose (Übersäuerung) kommt. Trotz ständiger Blutreinigung kann ein Totalausfall der Nieren eintreten, ein lebensgefährlicher Zustand, der nur mittels einer Nierentransplantation behoben werden kann.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wann mit Nephronophthisen zum Arzt gegangen werden muss, hängt unter anderem von der Art der Erkrankung und ihrer Ausprägung ab. Grundsätzlich sollten Nierenbeschwerden abgeklärt werden, wenn sie länger als einige Wochen bestehen bleiben. Anzeichen einer Blutarmut sowie Mangelerscheinungen bedürfen einer ärztlichen Abklärung. Auch bei hormonellen Beschwerden oder Nierenschmerzen muss ein Arzt aufgesucht werden. Wer bereits an einer Nierenerkrankung leidet, sollte genannte Beschwerden dem Arzt mitteilen. Weiterhin ist medizinischer Rat gefragt, wenn eine bestehende Erkrankung plötzlich stärker wird oder ungewöhnliche Symptome auftreten, die zuvor nicht bemerkt wurden.
Der Mediziner wird dann eine umfassende Untersuchung vornehmen und anhand dessen eine Diagnose stellen. Geschieht dies frühzeitig, lassen sich ernste Komplikationen vermeiden. Deshalb müssen bereits erste Anzeichen abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden. Der richtige Ansprechpartner ist der Hausarzt, ein Internist oder ein Nephrologe. Bei starken Beschwerden sollte der Betroffene umgehend in ein Krankenhaus gebracht werden. Gegebenenfalls ist auch der Besuch in einer Fachklinik für Nierenleiden notwendig.
Behandlung & Therapie
Eine ursächliche Therapie gibt es für Patienten der Nephronophthisen nicht. Die Behandlung beschränkt sich auf eine Linderung der Symptome. Die Stück für Stück voranschreitende Niereninsuffizienz lässt sich mit den aktuellen Therapiemöglichkeiten also nicht aufhalten. Die einzige Aussicht auf vollständige Heilung ist eine Transplantation der Nieren. Bei mehr als zehn Prozent aller Betroffenen wird die Diagnose erst dann gestellt, wenn bereits terminales Nierenversagen vorliegt.
Als Nierenrersatztherapien stehen nach Eintreten des terminalen Nierenversagens mehrere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Als Dialysen stehen die Hämodialyse und die Peritonealdialyse zur Auswahl. Bei allen Dialyseverfahren handelt es sich um Verfahren der Blutreinigung, die die blutreinigenden und entgiftenden Funktionen der Nieren ersetzen sollen. Die Hämodialyse ist ein extrakorporales Verfahren und findet so außerhalb des eigenen Körpers statt.
Die Peritonealdialyse ist dagegen ein intrakorporales Verfahren und wird innerhalb des Patientenkörpers angewandt. Ersteres Verfahren wird bedeutend häufiger als Nierenersatztherapie verwendet. Die Dialyse kann auf Dauer eine funktionstüchtige Niere nicht ersetzen. Daher wird bei terminalem Nierenversagen früher oder später immer eine Nierentransplantation erforderlich. Dabei kann es sich entweder um die Transplantation einer Verwandten-Niere handeln oder um die Transplantation einer Verstorbenen-Niere.
Gegenwärtig werden öfter geeignete Spendernieren gefunden, als je zuvor, denn Transplantat-Listen sind in der heutigen Zeit nicht mehr auf Deutschland begrenzt, sondern beziehen sich auf die gesamte EU. Die Forschung ist derzeit außerdem damit befasst, medikamentöse Therapien für Patienten mit Nephronophthisen zu entwickeln. So wird sich das fortschreitende Nierenversagen in absehbarer Zeit eventuell medikamentös hinauszögern lassen.
Aussicht & Prognose
Generell ist die Prognose für alle Betroffenen eher ungünstig. Zumeist entwickelt sich bei allen Erkrankungsformen spätestens mit dem 25. Lebensjahr eine terminale Niereninsuffizienz. Der Eintritt dieses endgültigen Nierenversagens hängt dabei vom jeweils vorliegenden Gendefekt ab. So versagen die Nieren bei einem NPHP1-Defekt in aller Regel bereits vor dem 25. Lebensjahr. Ungünstiger ist die Prognose bei Vorliegen eines NPHP2-Defekts. Bei diesem verlieren die Nieren zumeist bereits vor der Geburt oder während des ersten Lebensjahres ihre Funktionsfähigkeit. Bei einem NPHP3-Defekt setzt das Nierenversagen durchschnittlich um das 19. Lebensjahr ein. Zu den Gendefekten NPHP3 bis NPHP7 liegen bislang nicht hinreichend aussagekräftige Studiendaten vor, sodass die Fachärzte hier keine genauere Prognose hinsichtlich des Zeitpunkts des Nierenversagens stellen können.
Ein terminales Nierenversagen kommt allerdings keinem Todesurteil gleich. Die Funktion der Nieren kann durch eine Dialyse ersetzt werden, bis die Fachärzte ein geeignetes Spenderorgan transplantieren können. Die Wartezeit bis zum Erhalt einer Spenderniere kann allerdings sehr lang sein, da zu wenige Spendernieren zur Verfügung stehen. Trotz Dialyse wirkt sich das Nierenversagen auf den Organismus aus. So zeigen sich häufig aufgrund der Einlagerung harnpflichtiger Substanzen ein gesteigerter Juckreiz sowie eine Gelbfärbung der Haut. Unbehandelt führen Nephronophthisen zu einer sehr viel früher einsetzenden terminalen Niereninsuffizienz.
Vorbeugung
Da es sich bei Nephronophthisen um mutationsbedingte Erbkrankheiten handelt, lässt sich den Erkrankungen kaum vorbeugen.
Nachsorge
Die symptomatische Behandlung der Nephronophtise über eine Nierentransplantation bedeutet für die Patienten die bei einer Organtransplantation übliche Nachsorge. In stationärer Behandlung erfolgt neben der Wundversorgung nach dem Eingriff eine medikamentöse Einstellung. Damit die neue Niere vom eigenen Körper angenommen wird, müssen die Organempfänger lebenslang Immunsuppressiva einnehmen.
Im Anschluss an den stationären Aufenthalt folgt eine Phase der Rehabilitation. Die anschließende ambulante Nachsorge beinhaltet zu Beginn in wöchentlichen Abständen, mindestens aber jedes Vierteljahr, die Kontrolle der Blutwerte. So wird überprüft, ob die Nieren funktionieren und leistungsfähig sind. Eine radiologische Untersuchung mittels Ultraschalles, CT oder MRT ermöglicht, den Zustand der Niere zu begutachten. Diese Nachsorgeuntersuchungen sind wichtig, um zu erkennen, ob die Niere vom Körper abgestoßen wird oder eine Entzündung des Organs vorliegt.
Werden Betroffene mit einer Dialyse behandelt, weil kein passendes Spenderorgan gefunden wurde, sind hygienische Vorschriften einzuhalten. Nur so kann die Dialyse, die über einen sogenannten Shunt (eine arteriovenöse Fistel) durchgeführt wird, ohne Komplikationen verlaufen. Den Erkrankten wird im Anschluss an die Blutreinigung empfohlen, zwischen den regelmäßigen Sitzungen der Hämodialyse auf ihre Ernährung achten. Dabei sind die Aufnahme von Kalium, Phosphaten und Salz gering zu halten. Protein dagegen soll in ausreichender Menge über die Nahrung aufgenommen werden.
Das können Sie selbst tun
Wenn eine Nephronophthise diagnostiziert wurde, muss der Betroffene sich zunächst in ärztliche Behandlung begeben. Anschließend können eine Reihe von diätetischen Maßnahmen ergriffen werden, um die Symptome und Beschwerden der Erkrankung zu lindern.
Wichtig ist in erster Linie eine schonende Ernährung, die sich unter anderem aus Rohkost, wenig gesalzenen Lebensmitteln sowie Fruchtsäften und Mineralwasser zusammensetzen kann. Der Ernährungsplan sollte gemeinsam mit einem Ernährungsberater erstellt werden, damit die Niere sich optimal darauf einstellen kann. Sollten Komplikationen auftreten, muss der Arzt informiert werden. Bei dem Verdacht auf ein Nierenversagen wird am besten der Rettungsdienst gerufen. Sollten plötzlich Nierenschmerzen auftreten, muss der Arzt aktiviert werden. Womöglich haben sich Zystennieren gebildet, welche medizinisch behandelt werden müssen.
Die Erkrankten sollten außerdem auf ausreichend Bewegung achten. Moderater Sport, bei dem die Nieren möglichst nicht belastet werden, hilft bei der Genesung, indem das Immunsystem gestärkt und die Verdauung gefördert wird. Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, gilt es für Betroffene bei einer Schwangerschaft die notwendigen genetischen Untersuchungen durchführen lassen. Im Rahmen einer genetischen Beratung wird über die Risiken aufgeklärt.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010