Nervus vestibulocochlearis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Nervus vestibulocochlearis ist ein sensorischer Nervenstrang, der sich aus dem Nervus cochlearis, dem Hörnerv und dem Nervus vestibularis, dem Gleichgewichtsnerv, zusammensetzt. Der Nervenstrang wird auch als 8. Hirnnerv bezeichnet. Die afferenten sensorischen Nerven leiten akustische und vestibuläre Meldungen an die entsprechenden Hirnkerne. Besonders der Hörnerv enthält auch efferente Fasern, die über „Anweisungen“ der entsprechenden Hirnkerne an das Hörorgan Anpassungen möglich machen.
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Was ist der Nervus vestibulocochlearis?
Im Innenohr liegen die Organe für Gleichgewichtsrückmeldungen und für das Hören praktisch zusammen, weil sie auch evolutionstechnisch eine Einheit bilden. Die afferenten Ableitungen des Hörorgans werden zusammen mit ihren efferenten Zuleitungen als Nervus cochlearis bezeichnet, weil die Übersetzung der empfangenen Schallwellen in Nervenimpulse in der Cochlea, der Hörschnecke erfolgt.
Die afferenten sensorischen Fasern der Vestibularorgane werden als Nervus vestibularis bezeichnet. Beide Nervenstränge zusammen bilden den 8. Hirnnerv mit der Bezeichnung Nervus vestibulocochlearis. Der Nervus vestibularis setzt sich aus afferenten Fasern der einzelnen Vestibularorgane (je 3 Bogengänge und je 2 Otolithenorgane) zusammen. Die Nervenstränge des Hörnervs und des Gleichgewichtsnervs verbinden sich zum Nervus vestibulocochlearis, der von einer gemeinsamen Bindegewebshülle umgeben ist und in den Hirnstamm zieht.
Kurz vor Erreichen des Hirnnervenkerns bzw. der Ganglien cochleare und vestibulare trennen sich die beiden Nervenstränge wieder. Die Ganglien cochleare und vestibulare setzen sich jeweils aus mehreren Nervenkernen zusammen, unter anderem besteht ein Kern des Vestibularapparates aus einer Ansammlung von Purkinje-Zellen des Kleinhirns mit einem weit verzweigten System von Dendriten.
Anatomie & Aufbau
Für die weitere Verarbeitung und Verteilung der Impulse sind die entsprechenden Hirnnervenkerne verantwortlich. Die Nuclei vestibulares beispielsweise sorgen für die weitere Verschaltung der Informationen aus dem Vestibularapparat. Efferenzen ziehen zum Thalamus, ins Kleinhirn sowie zu den Kernen der Augenmuskeln und ins Rückenmark. So kann der vestibulo-okuläre Augenreflex nahezu verzugsfrei aktiviert werden, weil die Augenmuskulatur direkt über die Kerne zu entsprechenden Kontraktionen veranlasst wird.
Der am Nervus vestibulocochlearis anteilige Nervus cochlearis vereinigt etwa 30.000 Fasern zu einem Nervenstrang und zwar jeweils für das linke und das rechte Ohr. Die Fasern bestehen ebenfalls zum größten Teil aus somatosensorischen afferenten Fasern, enthalten aber auch Efferenzen. Die sogenannte Hörbahn weist eine komplexe Verzweigungsstruktur mit einer Reihe von Nervenkernen in verschiedenen Hirnregionen auf und divergiert stark im Hirnstamm in parallele Verarbeitungswege.
Funktion & Aufgaben
Die Hauptfunktion der somatosensorischen afferenten Fasern des Nervus vestibulocochlearis besteht darin, die in der Cochlea bzw. in den Vestibularorganen durch Mechanorezeptoren erzeugten Nervenimpulse an die entsprechenden Nervenkerne weiterzuleiten, die eine erste Verarbeitung der Signale vornehmen.
Die Signale, die in umgekehrter Richtung über die efferenten Fasern aus bestimmten Hirnregionen bzw. von den Kernen kommen, werden an die Vestibularorgane bzw. an die Hörorgane weitergeleitet, wo sie umgesetzt werden. Die Verschaltungen der cochleären wie auch der vestibulären Afferenzen in verschiedenen Kernen und Hirnregionen sind sehr komplex, weil es sich bei den somatosensorischen Impulsen teilweise um Informationen handelt, die verschiedensten Organen „in Kopie“ zugänglich gemacht werden, um bestimmte Reflexe wie den vestibulo-okulären Reflex ohne Zeitverzug auslösen zu können und weil es sich um einen Teilbereich multisensorischer Informationen handelt, die nicht immer miteinander kompatibel sind, so dass das Gehirn im Falle der Inkompatibilität darüber entscheiden muss, welche der Informationen „richtig“ bzw. welche „falsch“ sind.
Falls auch gleichzeitig visuelle Eindrücke eine Rolle spielen, sind diese immer dominant und inkompatible vestibuläre Meldungen werden unterdrückt. Gleiches gilt für cochleäre somatosensorische Impulse. Die über die afferenten Fasern des Nervus vestibulocochlearis gesendeten Impulse dringen erst nach entsprechender Bearbeitung durch die zuständigen Hirnareale in manipulierter Form in unser Bewusstsein.
Krankheiten
Ebenso sind häufig Nervenentzündungen, in diesem Fall eine Neuritis vestibulocochlearis, der Grund für Beschwerden. Eine derartige Nervenentzündung können durch eine Virusinfektion oder durch Durchblutungsstörungen verschiedenster Art verursacht werden. Die durch ein SHT verursachten Läsionen des Nervus vestibulocochlearis können sich in leichten bis schweren Gleichgewichtsstörungen, in Schwindelgefühlen und Unwohlsein äußern sowie in Einschränkungen des Hörvermögens bis hin zu einseitiger Taubheit. Bei einseitigen Gleichgewichtsstörungen kann sich auch ein Nystagmus der Augen einstellen, eine unbewusste Augenbewegung mit einer Wiederholfrequenz wie sie auch bei Drehbeschleunigungen und Abstoppen einer Drehbeschleunigung auftreten.
Ein weiteres Symptom kann im Ausfall des vestibulo-okulären Augenreflexes liegen. In diesem Fall ist beim Gehen und Laufen die Stolper- und Fallgefahr groß, weil die Augen nicht stabilisiert sind und die Augen nur noch der sehr viel langsameren willentlichen Korrektur folgen. Falls keine organische Krankheiten an den Organen selbst oder am Nervus vestibulocochlearis erkennbar ist, können Schwindelsymptome, Tinnitus und ein vermindertes Hörvermögen auch auf länger anhaltenden Stress bedingt sein.
Quellen
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012