Hypotrichose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Hypotrichose

Die Begriffe Hypotrichose und „Hypertrichose“ werden oft miteinander in Verbindung gebracht und verwechselt, jedoch haben sie beide eine andere Bedeutung: Menschen, die an Hypotrichose leiden, haben eine verminderte Körperbehaarung als üblich (griechisch: hypo: weniger) und leiden somit oft an Haarausfall. Menschen mit Hypertrichose haben stattdessen einen übermäßigen Haarwachstum aufgrund eines Gen-Deffekts, weswegen die Haare überall am Körper wachsen, besonders im Gesicht. Deswegen werden sie oft als „Wolfsmenschen“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Hypotrichose?

Einige Patienten leiden an Schmerzen auf der Kopfhaut und an anderen Körperregionen, die normalerweise stark behaart sind. Eine länger anhaltende Hypotrichose kann außerdem seelische Beschwerden hervorrufen.
© mozailla69 – stock.adobe.com

Hypotrichose ist die reduzierte Anzahl von Haaren, was oft durch Haarausfall bemerkbar wird und mit weiteren Beeinträchtigungen wie Wachstumsstörungen, Störungen des Haarwechsels und Ektoparasiten (blutsaugende Anthropoden wie etwa Stechmücken, Läuse oder Zecken) hervorgehen kann. Hypotrichose wird oft mit Alopezie beziehungsweise Haarausfall, in Verbindung gebracht, doch beschreibt es eher den permanenten Haarausfall in einer bestimmten Region, während bei der Krankheit Hypotrichose der Haarwachstum an mehreren Körperstellen ausbleibt.

Ursachen

Die Ursachen von Hypotrichose sind die des Haarausfalls ähnlich: Sie können sehr unterschiedlich sein, doch sind es meist folgende Ursprünge: genetisch bedingte Empfindlichkeiten, Störungen des Immunsystems, Einnahme von Medikamenten, Infektionskrankheiten, angeborene Veränderungen, sowie Schilddrüsenfunktionsstörungen.

Genetisch bedingte Empfindlichkeiten der Haarwurzeln treten oft bei Männern auf aufgrund einer Beeinträchtigung des männlichen Sexualhormons Testosteron: Die Wachstumsphase der Haare, auch Anagenphase genannt, beginnt, kürzer zu werden und Haarfollikel (Strukturen, die das Haar umgeben) beginnen zu schrumpfen. Dies führt zur Produktion von nur kleinen, dünnen Wollhaaren (Vellushaare), die kaum sichtbar sind. Weitere Haare werden nicht mehr gebildet und die Vellushaare können entweder bestehen bleiben oder ebenfalls ausfallen.

Bei einer Störung des Immunsystems greifen körpereigene Abwehrzellen die Haarwurzeln an, woraufhin das Haarwachstum gestoppt wird und die Haare ausfallen. Außerhalb der Krankheit Hypotrichose können die Haarwurzeln doch wieder erwachen und die Haarproduktion beginnt erneut; dies nennt man auch Schlafzustand.

Die Einnahme von Medikamenten und Schilddrüsenfunktionsstörungen können zur Schädigung der Haarwurzeln und zum vollständigen Stopp des Haarwachstums führen: Bei einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) produziert die Schilddrüse eine zu große Menge an den Hormonen Thyroxin und Trijodthyronin, das zur Schädigung der Haarfollikel resultiert.

Bei der Hypotrichose mit juveniler Makuladystrophie ist ein Gen-Defekt die Ursache: Im Gen CDH3 liegen Mutationen vor, das ein Calcium bindendes Protein codiert. Dies führt zu einer komplexen Heterozygotie, zwei unterschiedlich mutierte Allele.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Haarausfall äußert sich durch eine Reihe eindeutiger Symptome und Beschwerden. Zunächst kann eine Hypotrichose anhand der lichten Stellen erkannt werden, die scheinbar über Nacht an verschiedenen Körperstellen auftreten. Einige Patienten leiden an Schmerzen auf der Kopfhaut und an anderen Körperregionen, die normalerweise stark behaart sind. Eine länger anhaltende Hypotrichose kann außerdem seelische Beschwerden hervorrufen.

Viele Betroffenen entwickeln im Verlauf der Erkrankung psychische Störungen, wie zum Beispiel soziale Ängste, depressive Verstimmungen oder Minderwertigkeitskomplexe. Insbesondere Menschen, bei denen der Haarausfall plötzlich auftritt, leiden unter den äußerlichen Veränderungen und bedürfen der Unterstützung durch einen Therapeuten. Abhängig von der Ursache kann eine Hypotrichose weitere Symptome und Beschwerden hervorrufen.

Liegt dem Haarausfall beispielsweise eine Autoimmunerkrankung zugrunde, kann es zu einer Vernarbung der Kopfhaut kommen, die oft mit Schmerzen und Hautirritationen verbunden ist. Ist ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt ursächlich, können weitere körperliche Veränderungen und Erkrankungen hinzukommen.

Liegt den Beschwerden eine Erkrankung der Kopfhaut zugrunde, können Symptome der Haut auftreten. Typisch sind Rötungen und Juckreiz der Kopfhaut, Schuppen und Schuppenflechte. Zudem kann eine Hypotrichose, die von der Kopfhaut ausgeht, mit einer übermäßig trockenen Haut in Verbindung stehen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Krankheit ist auch oft ohne eine Spezialuntersuchung schnell bemerkbar, insbesondere bei Haarausfall an mehreren Körperregionen. Doch zur Diagnose wird meist ein Tirichogramm verwendet; Dies ist eine Untersuchungsmethode, die den aktuellen Status der Haarwurzel bestimmt. Hierfür darf der Erkrankte die Haare mindestens fünf Tage vor der Untersuchung nicht waschen, auch Färbungen der Haare dürfen nicht zwei Wochen vorher erfolgen.

Haarproben werden ausgerissen, beziehungsweise epiliert, und das Trichogramm gibt daraufhin Auskunft über das aktuelle Wachstumsverhalten der Haare, so können Haareigenschaften schnell bestimmt werden. Ist durch Hypotrichose auch Parasitenbefall zu finden, so wird zur Untersuchung auch Hautgeschabsel verwendet: Proben von gesunder sowie erkrankter Haut werden durch ein Skalpell entnommen, um sie daraufhin lichtmikroskopisch zu untersuchen. So wird die Ursache der Krankheit besser bestimmt.

Hypotrichosen können außerdem in Verbindung mit diversen Syndromen hervorgehen, etwa mit dem Nicolaides-Baraitser-Syndrom oder der juvenilen Makuladystrophie. Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die nicht nur mit Hypotrichose einhergeht, jedoch auch mit Minderwuchs, Fehlbildungen der Finger sowie Krampfleiden. Tritt mit einer Hypotrichose auch das genannte Syndrom auf, so ist die Haarwuchsstörung meist angeboren.

Die Hypotrichose mit juveniler Makuladystrophie ist ein sehr seltener Gen-Defekt, der nur vererbbar ist. Untersucht werden sollte er spätestens bei Schuleintritt, da im Kindesalter eine einhergehende Sehbeeinträchtigung auftreten kann. Zur ersten Untersuchung wird die sogenannte Ophthalmoskopie verwendet: Die einsehbaren Teile des Auges, wie die Netzhaut und sichtbare Arterien, werden untersucht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn der Haarausfall ganz plötzlich auftritt und über mehrere Wochen anhält, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kreisrunder Haarausfall muss in jedem Fall ärztlich abgeklärt und behandelt werden, da den Beschwerden oft ein gesundheitliches Problem zugrunde liegt. Tritt die Hypotrichose im Rahmen von Vernarbungen der Kopfhaut auf, ohne dass Verletzungen der Kopfhaut bemerkt werden, sollte ein Arzt konsultiert werden. Womöglich ist eine Autoimmunerkrankung ursächlich, die von einem Arzt diagnostiziert und behandelt werden muss.

Auch Infektionskrankheiten, hormonelle Störungen und Schilddrüsenfunktionsstörungen sind mögliche Ursachen von Haarausfall. Wer zu den Risikogruppen zählt, sollte mit den Anzeichen einer Hypotrichose in jedem Fall zum Arzt gehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Haarausfall ganz plötzlich auftritt oder im Verlauf seelische Beschwerden hervorruft.

Sollten sich infolge des Haarverlusts Minderwertigkeitskomplexe oder depressive Verstimmungen einstellen, wird am besten ein Therapeut hinzugezogen. Die Behandlung der eigentlichen Hypotrichose muss engmaschig von einem Arzt überwacht werden, um etwaige Neben- und Wechselwirkungen der verordneten Medikamente zu vermeiden.

Behandlung & Therapie

Im Falle einer andro-genetisch bedingten Hypotrichose besteht für Frauen und Männer die Möglichkeit, Präparate einzunehmen, die den Haarausfall stoppen können. Minoxidil ist ein Medikament, das ursprünglich für den Bluthochdruck verwendet wurde, jedoch stellte sich heraus, dass bei der Einnahme des Präparates Haare am gesamten Körper stetig wuchsen.

Die Dosierungen des Minoxidil sind bei Männern und Frauen unterschiedlich. Erfolgt eine Hypotrichose aufgrund einer Schilddrüsenüberfunktion, so sollte die Schildddrüsenerkrankung behandelt werden.


Vorbeugung

Da Hypotrichose unterschiedlichste Ursachen haben kann, richtet sich die Vorbeugung je nach dem Ursprung. Ist die Einnahme von Medikamenten Grund für die Krankheit, so sollten diese abgesetzt werden. Außerdem soll eine Schilddrüsenüberfunktion behandelt werden, falls der Haarausfall damit einhergeht.

Jedoch ist die häufigste Ursache für Hypotrichose schwer vorzubeugen: Da der Haarausfall an vielen Körperregionen mit einem Gen-Defekt hervorgeht und er somit vererbbar ist, so kann die Krankheit nicht vollkommen vorgebeugt werden; Therapien durch etwa Medikamente oder einer Chemotherapie können eventuell bei der Vorbeugung helfen, garantieren jedoch keinesfalls vollkommene Genesung.

Nachsorge

Die Hypotrichose kann im Verlauf der Krankheit zu psychischen Beschwerden führen. Darum ist bei der Nachsorge eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll. Diese hilft gegen Minderwertigkeitskomplexe und depressive Stimmungen, die vor allem bei plötzlichem Haarausfall auftreten können.

Die weiteren Nachbehandlungen richten sich nach der Ursache für die Erkrankung und nach der damit einhergehenden Entwicklung. Bei einer Autoimmunschwäche vernarbt die Kopfhaut möglicherweise, was zu Irritationen und Schmerzen führen kann. Auch Rötungen und Schuppen sind möglich. Diese Beschwerden lassen sich mithilfe von Salben oder Medikamenten lindern.

In Absprache mit dem Mediziner erfahren die Betroffenen, was sie gegen die Probleme unternehmen können. Bei hormonellen Veränderungen und Stress als Auslöser hilft eventuell eine Veränderung des Lebensstils. Die Patienten sollten gemeinsam mit ihrem Arzt oder einem Ernährungsexperten eine Diät zusammenstellen.

Mit dieser Reaktion auf die Warnsignale des Körpers ist es möglich, die Haarprobleme zu verringern. Die konsequente Nachsorge setzt dabei auf nährstoffreiche Lebensmittel wie Nüsse, Gemüse, Fisch und Vollkornprodukte. Alkohol- und Nikotinverzicht können ebenfalls hilfreich sein. Für das Wohlbefinden gibt es außerdem Naturheilmittel, die sich positiv auf das Hautbild der Patienten auswirken. Zusammen mit ausreichend Bewegung und sozialen Kontakten steigt die Lebensqualität erheblich.

Das können Sie selbst tun

Zusätzlich zur medizinischen Therapie kann eine Hypotrichose mit Hilfe verschiedener Hausmittel und Tipps selbst behandelt werden.

Zunächst gilt es, den ursächlichen Haarausfall zu stoppen. Meistens sind Stress und hormonelle Veränderungen, aber auch ein ungesunder Lebensstil für die lichten Stellen am Kopf verantwortlich. Es empfiehlt sich, auf die Signale des Körpers zu achten und gemeinsam mit einem Ernährungsmediziner eine geeignete Diät auszuarbeiten. Lebensmittel wie Gemüse, Vollkorn, gesunde Öle, Nüsse und Fisch enthalten wichtige Nährstoffe, die den Haarwuchs fördern. Auf Nikotin und Alkohol sollte verzichtet werden. Je nach Ursache ist es auch möglich, die Kopfhaut mit Naturheilmitteln wie Bockshornklee-Absud, Aloe vera oder Heilerde zu behandeln. Auch Nachtkerzenöl regt den Haarwuchs an und reduziert somit auch die Hypotrichose. Ein bewährtes Mittel aus dem Haushalt ist Franzbranntwein, der als Spülung in die Haare einmassiert wird. Auch Glycerin, Huflattichblüten und Essig können bei Hypotrichose helfen. Eine Massage fördert die Durchblutung und regt den Haarwuchs an.

Sollten diese Maßnahmen die Hypotrichose nicht reduzieren, muss der Haarmangel akzeptiert werden. Das oftmals reduzierte Selbstwertgefühl kann durch diverse Maßnahmen wiederhergestellt werden, zum Beispiel durch sportliche Betätigung oder die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe.

Quellen

  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010

Das könnte Sie auch interessieren