Prophagen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Prophage wird die Phagen- DNA von temperenten Bakteriophagen bezeichnet, wenn diese in der bakteriellen Wirtszelle vorliegt. Bakteriophagen wurden 1917 von Félix Hubert d’Hérelle entdeckt. Es handelt sich um Viren, die sich an bestimmte Bakterien angepasst haben. Im weiteren Verlauf der Forschung wurde zwischen der lytischen Phage mit hoher Virulenz und der temperenten Phage mit stiller Prophage und lysogenem Zyklus unterschieden.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Prophagen?

Einige Erreger können ihre Virulenz erst durch die Symbiose mit Prophagen aufbauen. Clostridium botulinum kann das gefürchtete Botulinum- Toxin nur mit Hilfe der integrierten Phagen-DNA produzieren.
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Die Prophage der temperenten Bakteriophage kann als Plasmid in der Wirtszelle vorliegen oder in die bakterielle DNA integriert sein. Hierfür muss die temperente Phage bei der Injektion der Phagen-DNA den lysogenen Zyklus annehmen. Es wird unterschieden zwischen dem lytischen Zyklus und dem lysogenen Zyklus. Während der lytische Zyklus nach der Injektion des Erbgutes eine schnelle Replikation und anschließende Lyse der Wirtszelle hervorruft, werden bei dem lysogenen Zyklus Repressorgene der Phage in die Wirtszelle injiziert um den lytischen Zyklus, also die schnelle Auflösung der Zelle, zu unterdrücken.

Die temperente Phage kann je nach vorliegender Umweltbedingung zwischen lytischem und lysogenem Zyklus wechseln. Der lytische Zyklus bezeichnet die herkömmliche Vorgehensweise der Phagen-Gene innerhalb der Wirtszelle. Es findet nach der Injektion der viralen DNA eine schnelle Replikation innerhalb der Wirtszelle statt. Nachdem neben der viralen DNA auch das Kapsid und die Schwanzfaserproteine repliziert und aus den Einzelteilen zahlreiche neue virale Partikel zusammengesetzt worden sind, wird die Zellwand der Wirtszelle durch Lysozym zersetzt. Durch die Auflösung der Zellwand werden die neuen Phagen freigesetzt und können ihre DNA nun in weitere bakterielle Zellen injizieren. Dieser Prozess ist in circa einer Stunde abgeschlossen.

Aufgrund der hohen Anzahl an neuen viralen Partikeln wird diese Vorgehensweise als "virulente Form" bezeichnet. Da die Zellwand des Wirtes mittels Lysozym zerstört wird, wird die Bezeichnung "lytischer Zyklus" verwendet. Bei der temperenten Phage muss die schnelle Replikation und anschließende Lyse der Wirtszelle nicht zwangsläufig in Kraft treten. Je nach bestehenden Umweltfaktoren kann die temperente Phage zwischen lytischem und lysogenem Zyklus wechseln. Der lytische Zyklus kann durch die Injektion von Repressorgenen unterdrückt werden und der lysogene Zyklus für unbestimmte Zeit einsetzen.

Bei dem lysogenen Zyklus wird das Erbgut der Phage in das Erbmaterial des Keims eingefügt und kann hier für eine unbestimmte Zeit überdauern. Das injizierte Erbgut wird als "still" bezeichnet, und als "Prophage" definiert. Die Prophage kann als Plasmid im Zytoplasma der Wirtszelle liegen oder in das Erbmaterial des Bakteriums integriert werden.

Die Integrierung des viralen Erbmaterials setzt einen hohen Spezialisierungsgrad voraus. Das Erbgut der temperenten Phagen kann nur an bestimmten Positionen der bakteriellen DNA angebracht werden. Andersherum kann das Erbmaterial einzelner temperenter Phagenstämme immer an den gleichen Stellen des bakteriellen Genoms identifiziert werden.

Durch die gelungene Anpassung werden Prophagen zu Nutznießern der bakteriellen Zellteilung. Beim Teilungsvorgang der Wirtszelle Mitose wird das virale Erbgut weitergegeben. Eine weitere Übertragung auf andere Bakterien kann durch Konjugation erfolgen. Prophagen können sich also durch verschiedene Übertragungswege über ganze Bakterienstämme ausbreiten. Durch Umwelteinflüsse wie UV- Licht oder bestimmte Chemikalien kann die Prophage wieder in den lytischen Zyklus wechseln und eine aggressive Replikation anstreben.

Weiterhin macht sich die Prophage auch die Transkriptionsvorgänge der Wirtszelle zunutze: Die injizierten Repressorgene der Phage werden durch bestimmte Enzyme des Bakteriums als DNA-Schädigung erkannt und abgebaut. Der Abbau der Repressorgene wirkt innerhalb der Wirtszelle selbstzerstörerisch. Der lytische Zyklus kann nun nicht mehr unterdrückt werden und die Prophage wechselt aus dem lysogenen Zustand in die aggressive Replikation, die mit der anschließenden Auflösung der bakteriellen Zellwand endet.

Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften

Phagen sind hochspezialisierte Viren, die sich an einzelne Bakterienstämme angepasst haben. Nicht jede Bakteriophage kann also auf jedes Bakterium zugreifen. Eine Vermehrung ohne die spezifische Wirtszelle ist für die Bakteriophage nicht möglich. Die starke Spezialisierung führt dazu, dass Bakteriophagen in dem Terrain zu finden sind, in dem sich auch ihre Wirtszellen aufhalten.

Das Gleiche gilt in einem noch höheren Grad für Prophagen. Da Prophagen keine herkömmlichen Viren sind und sich lediglich als virales Erbmaterial innerhalb des Wirtsorganismus darstellen, können sie schon aufgrund der Definition nicht außerhalb der zugewiesenen Zellen aufgefunden werden.

Zusätzlich muss erwähnt werden, dass Bakteriophagen allein im Meerwasser eine Anzahl von (10 hoch 30) haben und somit mehr Phagen als Lebewesen auf dem gesamten Planeten vorhanden sind. Demgegenüber steht eine verschwindend geringe Anzahl von neunzehn offiziell erforschten Bakteriophagen, was eine genaue Aussage über das Vorkommen erschwert.

Bedeutung & Funktion

Die Phagentherapie wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und wird in Osteuropa bis heute erfolgreich zur Bekämpfung diverser Infektionskrankheiten eingesetzt. Die Vorteile der Phagentherapie liegen auf der Hand: Bakteriophagen schädigen nur einzelne Bakterienstämme während Antibiotika eine allgemein schädigende Wirkung auf Bakterien des Körpers hat.

Die Entdeckung von Penicillin in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts führte im Westen zu massivem Antibiotikaeinsatz und infolgedessen einer Einstellung der Phagenforschung. Der anschließende Aufbau zahlreicher Antibiotikaresistenzen löste in den neunziger Jahren wiederum ein verstärktes Interesse an Bakteriophagen aus.

Im Vordergrund stehen bei der Phagentherapie jedoch Bakteriophagen mit aggressiver Virulenz und ausschliesslich lytischem Zyklus, während temperente Bakteriophagen und Prophagen bis dato nur eine untergeordnete Rolle spielen.


Krankheiten & Beschwerden

Einige Erreger können ihre Virulenz erst durch die Symbiose mit Prophagen aufbauen. Clostridium botulinum kann das gefürchtete Botulinum- Toxin nur mit Hilfe der integrierten Phagen-DNA produzieren. Streptococcus pyogenes kann nur in Kombination mit Prophagen- DNA den Scharlach auslösen.

Vibrio cholerae erzeugt die Cholera nur durch spezielle Prophagen. Hier zeigt sich ebenfalls eine Bedeutung der Phagen für die Humanmedizin. Ganze Bakterienstämme könnten ihr pathogenes Potenzial verlieren, wenn die verantwortlichen Prophagen gezielt ausgeschaltet werden könnten.

Quellen

  • Alberts, B. et al: Molekularbiologie der Zelle. Wiley-VCH, Weinheim 2003
  • Darai, G., Handermann, M. et al: Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen. Springer, Berlin 2011
  • Wiedenmann, M.: Hygiene im Rettungsdienst. Urban & Fischer, München 2011

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