Bakteriophagen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien infizieren und sich dabei vermehren. Für jedes Bakterium gibt es auch einen spezifischen Bakteriophagen. Bakteriophagen werden in Medizin und Gentechnik eingesetzt.
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Was sind Bakteriophagen?
Bakteriophagen stellen eine Gruppe von Viren dar, welche Bakterien und Archaeen (Urbakterien) infizieren. Dabei vermehren sie sich weiter unter der Zerstörung des Bakteriums.
Für jedes Bakterium existiert ein spezifischer Bakteriophage nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Bakteriophagen sind, nach traditioneller Definition, wie alle Viren keine Lebewesen. Sie sind für ihre Vermehrung auf einen Wirt angewiesen. Außerhalb des Wirtes finden keine biochemischen Prozesse statt. Die Phagen nutzen dazu die Enzyme ihres Wirtes.
Bakteriophagen bestehen lediglich aus DNA oder RNA, welche mit einer Eiweißhülle umgeben sind. Die überwiegende Mehrzahl der Phagen besitzt jedoch DNA als genetisches Material.
Erstmalig wurden Phagen im Jahre 1917 von dem kanadischen Biologen Félix Hubert d’Hérelle beschrieben. Der Aufbau der verschiedenen Phagen unterscheidet sich. Grundsätzlich bestehen Bakteriophagen aus mehreren Komponenten. Hauptsächlich wurde der Aufbau der sogenannten T-Phagen untersucht, die unter anderem auch das Bakterium Escherichia coli befallen.
Die T-Phagen bestehen aus einem polyedrischen Kopf, welcher über einen Hals mit einem länglichen Einspritzkanal (Injektionsapparat) verbunden ist. Unter dem Einspritzapparat befindet sich die Grundplatte mit Schwanzfiber und Spikes. Der Kopf ist ein Kapsid, welcher Nukleinsäure enthält. Kapsid, Einspritzkanal und Grundplatte bestehen aus Protein. Schwanzfiber und Spikes dienen der Verankerung des Phagen an der Zellwand des Bakteriums.
Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften
Die Vermehrung der Bakteriophagen lässt sich in fünf Phasen einteilen. Zunächst wird der Phage an einem spezifischen Zellwandrezeptor absorbiert. Die Enden der Schwanzfäden lagern sich auf der Zelloberfläche an. In einem nächsten Schritt injiziert der Phage seine DNA oder RNA ins Bakterium. Dabei bleiben die leeren Proteinhüllen auf der Bakterienoberfläche zurück. Die dritte Phase wird als Latenzphase bezeichnet, in welcher sich keine Phagen nachweisen lassen. In der mehrere Stunden dauernden Latenzphase beginnt die Translation in die virale mRNA und die Replikation in die virale Nukleinsäure. In der sogenannten Produktionsphase werden die viralen Proteine erzeugt. Dann kommt es in der anschließenden Reifephase zur Zusammensetzung der einzelnen Virenbestandteile. Nach dem Abschluss der Virusproduktion löst ein von der umgebauten Bakterienzelle produziertes Lysozym das Bakterium auf und setzt die produzierten Phagen frei.
Bedeutung & Funktion
Heute finden Bakteriophagen bereits auf vielen Gebieten breite Anwendung. Besondere Anwendungsbereiche eröffnen sich in Medizin, Biologie oder Agrartechnik. In der Medizin dienen Bakteriophagen aufgrund ihrer Spezifität auf bestimmte Bakterien dem Nachweis von Bakterienstämmen. Dieses Anwendungsgebiet wird als Lysotypie bezeichnet.
Zurzeit finden intensive Forschungen zur Bekämpfung von Bakterien mittels Bakteriophagen bei Infektionen statt. Besonders unter dem Eindruck der immer größer werdenden Anzahl von antibiotikaresistenten Bakterienstämmen gewinnt dieser Forschungsbereich wachsende Bedeutung. Problematisch ist jedoch die geringe Stabilität der Phagen im Körper. Sie werden von den körpereigenen Fresszellen sofort beseitigt.
Grundsätzlich wurde diese Einsatzmöglichkeit bereits von Félix Hubert d’Hérelle in Erwägung gezogen. Allerdings gerieten nach Entdeckung und Einführung der Antibiotika die Forschungsergebnisse zu dieser Anwendungsmöglichkeit völlig in Vergessenheit. Das von D’Hérelle im Jahre 1934 gegründete Eliava-Institut für Phagenforschung besteht jedoch heute noch im georgischen Tiflis. Zusammen mit dem Ludwik-Hirszfeld-Institut für Immunologie und Experimentelle Therapie aus dem polnischen Breslau wird dort heute Forschung zur alternativen Bekämpfung von antibiotikaresistenten Bakterien mittels Phagen durchgeführt.
Vielfältigen Einsatz finden Phagen auch in der Lebensmittelindustrie. So werden beispielsweise verschiedene Sprühnebel aus Phagen beim Verpacken von Käse oder Würstchen eingesetzt, um sie vor Bakterien zu schützen.
Ein großes Anwendungsgebiet ist auch die Gentechnologie. So werden heute beispielsweise Phagen als Vektoren für bestimmte Gene verwendet und in Bakterien eingeschleust. Mithilfe dieser Methode konnten Insulin produzierende Bakterienstämme von Escherichia coli erzeugt werden.
Diese Vektoren gewinnen auch zunehmende Bedeutung für die Herstellung anderer Wirkstoffe. Des Weiteren können sie teilweise zur Bekämpfung von Gendefekten eingesetzt werden.
Krankheiten & Beschwerden
Die Erkrankung beginnt mit Anzeichen wie Schluckbeschwerden, Abgeschlagenheit, Übelkeit und Bauchschmerzen. Auf den Mandeln zeigt sich ein weißer Belag, der faulig süßlich riecht. Häufig kommt es zu Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Herzmuskelentzündungen, die tödlich enden können.
Eine weitere, mithilfe von Bakteriophagen ausgelöste, Erkrankung ist der Scharlach. Scharlach wird durch Streptokokken hervorgerufen, die mit Bakteriophagen infiziert sind. Durch diese Infektion erzeugen die Bakterien ein besonders heimtückisches Toxin. Es treten schwere Krankheitszeichen mit Schüttelfrost, Fieber, Erbrechen und Rachenentzündung auf. Zunächst ist die Zunge weiß belegt, färbt sich jedoch nach einigen Tagen himbeerrot. Auch ein Hautausschlag tritt auf. Wäre das Bakterium nicht mit Bakteriophagen infiziert, würde es nur zu einer harmlosen Mandelentzündung führen.
Auch die Cholera wird durch ein mit Bakteriophagen infiziertes Bakterium mit dem Namen Vibrio cholerae verursacht.
Quellen
- Hahn et al.: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer, Berlin 2009
- Kayser et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart 2010
- Knipper, R.: Molekulare Genetik. Thieme, Stuttgart 2006