Propofol-Infusionssyndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Propofol-Infusionssyndrom beinhaltet eine sehr selten auftretende schwerwiegende Komplikation während einer Langzeitnarkose mit Propofol. Das Syndrom zeigt sich typischerweise anhand von Herzrhythmusstörungen, Problemen mit der quergestreiften Herz-, Skelett- und Zwerchfellmuskulatur sowie durch eine Laktatazidose, einer durch Milchsäure hervorgerufenen Azidose. Die genauen Ursachen des Propofol-Infusionssyndroms sind (noch) nicht hinreichend verstanden, wahrscheinlich ist es multifaktoriell begründet, und eine Langzeitnarkose mit einer Dosierung des Propofols von
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Was ist das Propofol-Infusionssyndrom?
Propofol (2,6-Diisopropylphenol) mit der chemischen Summenformel C12H18Oist ein sehr häufig verwendetes intravenöses Anästhetikum. Es kommt für die Einleitung und Aufrechterhaltung einer Anästhesie zum Einsatz und ist auch für eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA) sowie für die Dauersedierung von Patienten geeignet.
Das Mittel wirkt rein hypnotisch, also einschläfernd und hat keinerlei analgetische (schmerzlindernde) Eigenschaften. Es verursacht normalerweise kaum unerwünschte Nebenwirkungen und ist sehr gut verträglich. Bei Anästhesisten ist Propofol geschätzt, weil mit dem Mittel die Tiefe der Narkose gut steuerbar ist.
In sehr seltenen Fällen kann es allerdings doch zu schwerwiegenden Reaktionen kommen, die unter der Bezeichnung Propofol-Infusionssyndrom (PRIS) zusammengefasst werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Syndrom auftritt, ist offensichtlich bei Langzeitinfusionen von mehr als 24 Stunden und bei Kindern ein wenig erhöht. Ebenso begünstigen relativ hohe Dosierungen des Anästhetikums von über 5 mg/kg/h das Propofol-Infusionssyndrom.
Ursachen
Dadurch kommt es über eine Störung der mitochondrialen Fettsäureoxidation zu einer mangelhaften Energieversorgung. Gestützt wird diese These auch durch die Symptomatik, die sich bei Patienten mit dem sehr seltenen genetisch bedingten Mangel an aktiver Acyl-CoA-Dehydrogenase einstellt.
Auch bei diesen Patienten stellt sich eine Myolyse der quergestreiften Muskulatur (Rhabdomyolyse) ein sowie Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und eine metabolische Azidose. Das fehlende Enzym führt als Verursacher wie bei PRIS zu einer vergleichbaren Störung des Fettstoffwechsels.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Propofol-Infusionssyndrom zeigt sich zunächst durch verschiedenartige unspezifische Symptome. Erste Anzeichen können sich in Herzrhythmusstörungen zeigen. Dabei handelt es sich meist um atrio-ventrikuläre Blockierungen, das heißt, um Überleitungsprobleme des vom Sinusknoten ausgelösten Kontraktionsimpulses für die Vorhöfe durch den AV-Knoten auf die Kammern.
Typischerweise zeigt sich im EKG eine Verbreiterung des QRS-Komplexes oder das Kontraktionssignal wird durch den AV-Knoten vollständig geblockt, so dass bestenfalls der sehr langsame Kammerersatzrhythmus einspringen kann. Schwerwiegende weitere Probleme entstehen aufgrund der sich entwickelnden Rhabdomyolyse, die zur Auflösung des Gewebes quergestreifter Muskulatur führt. Das bedeutet, dass vor allem die Herz- und Skelettmuskulatur sowie das Zwerchfell betroffen sind.
Das Propofol-Syndrom löst außerdem eine metabolische Laktatazidose aus, und wahrscheinlich ist eine stark erhöhte Ausscheidung von Myoglobin im Urin (Myoglobinurie) ursächlich verantwortlich für die Entstehung einer Niereninsuffizienz. In einigen Fällen wurden auch pathologisch erhöhte Werte für Triglyceride im Blut festgestellt (Hypertriglyceridämie).
Diagnose & Krankheitsverlauf
Das Propofol-Infusionssyndrom tritt normalerweise im Verlauf einer Langzeitsedierung oder Langzeitnarkose auf, so dass wichtige Herz- und Kreislaufparameter unter laufender Beobachtung stehen. Erste Anzeichen des Syndroms zeigen sich durch Herzrhythmusprobleme, insbesondere AV-Blocks, die mit sehr langsamem Herzschlag (Brachykardie) assoziiert sein können.
Wenn zusätzlich im Blutserum eine Laktatazidose festgestellt wird und wichtige Herzenzyme wie Creatinkinase (CK), Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT), Glykogenphosphorylase BB (GPBB) und weitere pathologisch erhöht sind, wird der Verdacht auf Propofol-Infusionssyndrom erhärtet. Unbehandelt und bei Weiterführung der Propofol-Sedierung oder Propofol-Narkose ist die Prognose sehr schlecht aufgrund des zu erwartenden Herzstillstands.
Komplikationen
Die Betroffenen sind dann auf eine Dialyse oder auf die Transplantation einer Niere angewiesen. Sollte es dabei nicht zu einer Behandlung kommen, so versterben die Patienten in der Regel. Komplikationen treten in der Regel nur dann auf, wenn die Operation weiterhin fortgesetzt wird und keine Behandlung eingeleitet wird. Dabei kommt es in den meisten Fällen zu einem Herzstillstand.
Das Medikament wird durch ein anderes Narkosemittel ersetzt, wobei es in den meisten Fällen nicht zu besonderen Komplikationen kommt. In schwerwiegenden Fällen muss dann die Behandlung vollständig unterbrochen werden. Bei einer erfolgreichen Behandlung des Propofol-Infusionssyndrom kommt es auch nicht zu einer Verringerung der Lebenserwartung. Durch eine optimierte Dosierung können diese Beschwerden in der Regel vollständig vermieden werden, sodass es auch zu keinen weiteren Komplikationen kommt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Menschen, die sich unter dem Einfluss von Propofol befinden, können sich naturgemäß nicht mehr selbst um ihren Gesundheitszustand kümmern. Das Propofol-Infusionssyndrom stellt eine Komplikation während einer Narkose dar. Es handelt sich hierbei um eine Unregelmäßigkeit einer Langzeitnarkose. Der Betroffene befindet sich aufgrund einer vorhandenen Störung daher bereits einige Tage, Wochen oder Monate in einem Zustand, in dem von seiner Seite aus keine bewussten Handlungsmöglichkeiten vorhanden sind.
Da sich der Betroffene bereits in einer ärztlichen Behandlung befindet, übernehmen bei auftretenden Unregelmäßigkeiten die betreuenden Ärzte oder das Pflegeteam selbständig notwendige Schritte einer gesundheitlichen Versorgung. Angehörige sollten in dieser Zeit einen engen kommunikativen Austausch mit dem Arzt sowie den Pflegekräften führen.
Kommt es innerhalb der Besuchszeiten zu Auffälligkeiten, so sind diese unverzüglich einem Ansprechpartner zu melden. Zudem sollten offene Fragen zum Gesundheitszustand des Patienten gestellt werden und eine umfangreiche Aufklärung über die vorhandene Erkrankung erfolgen. In vielen Fällen benötigen Ärzte die Zustimmung der Angehörigen, um erforderliche Behandlungsschritte durchzuführen. Da der Betroffene nicht selbst über seine Versorgung entscheiden kann, sollten sich Angehörige oder Partner über die Gesamtsituation ausreichend informieren. In einigen Fällen ist zu prüfen, ob das Einholen einer Zweitmeinung von einem anderen Arzt angezeigt ist.
Behandlung & Therapie
Als wichtigste Maßnahme bei einem diagnostizierten Propofol-Syndrom gilt die sofortige Unterbrechung der Propofol-Infusion. Propofol muss durch ein anderes Narkotikum ersetzt werden. Zusätzlich zur sofortigen Unterbrechung der Propofol-Infusion sind unterstützende Maßnahmen angezeigt.
Die Maßnahmen bestehen in einer ausreichenden Versorgung mit Flüssigkeit sowie in einer Verabreichung von Katecholaminen, die als Stresshormone für die Aufrechterhaltung des Blutdrucks sorgen und die Herzfrequenz erhöhen. Falls die Bradykardie durch eine medikamentöse Behandlung nicht behoben werden kann bei persistierendem AV-Block, kann eine Schrittmacherstimulation erwogen werden.
Zusätzlich sollte zur Behandlung der Laktatazidose für entsprechenden elektrolytischen Ausgleich gesorgt werden. In einigen Fällen hat sich eine kontinuierliche Hämofiltration oder Hämodialyse als zielführend erwiesen, weil sie zu einer massiven Verbesserung der Symptome führte. In der Fachliteratur wird ein frühzeitiger Einsatz der Hämofiltration als Therapiemittel der ersten Wahl bei einem PRIS diskutiert.
Dabei wurden auch Fälle berichtet, bei denen die (zu späte) Anwendung der Hämofiltration nicht mehr zum Ziel führte. Zum Ausgleich der vermuteten Fettsäureoxidationsstörung in den Mitochondrien sollte während der Therapie auch auf eine ausreichende Zufuhr von Kalorien geachtet werden.
Vorbeugung
Direkt vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung eines Propofol-Infusionssyndroms sind nicht existent, weil vor der Anwendung des Anästhetikums für eine Langzeitsedierung oder Langzeitnarkose nicht bekannt ist, ob der Patient Voraussetzungen für die Entwicklung des Syndroms bietet. Die Begrenzung der Dosierung des Mittels auf 4 mg/kg/h kann bereits als eine der wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen angesehen werden.
Die Beschränkung der Dauernarkose oder Sedierung mit Propofol auf maximal sieben Tage beinhaltet ebenfalls eine Vorsichtsmaßnahme zur Vermeidung eines PRIS. Aus Vorsichtsgründen sollte während der Schwangerschaft und während der Stillzeit kein Propofol Verwendung finden. Eine strenge Kontraindikation besteht für Personen, die an Soja-Allergie leiden.
Nachsorge
Das Propofol-Infusionssyndrom bedarf bei der Nachsorge einer konsequenten klinischen Überwachung. Da die Stoffwechselstörung nur auftritt, wenn Propofol in längeren Gaben erfolgte, ist es unbedingt empfohlen, eine erneute Anwendung von Propofol zu vermeiden. Die Herz-und Niereninsuffizienz müssen komplett ausheilen und es ist vor allem auf die Gabe von ausreichend Flüssigkeit zu achten.
In der Akutbehandlung muss die Anwendung einer Dialyse in Erwägung gezogen werden. Bleibende Schäden an Herz und Nieren sind nicht auszuschließen und bedürfen in der Nachsorge der weiteren Behandlung und Stabilisierung des Allgemeinzustandes des Patienten. Es sind nach der stationären Versorgung ambulant weitere Kontrolluntersuchungen notwendig und die Zusammenarbeit des Patienten mit einem versierten Arzt.
Das Propofol-Infusionssyndrom ist zwar als Erkrankung nach Absetzen des Propofols und der Akutbehandlung nicht mehr vorhanden, jedoch kann man erst nach einiger Zeit feststellen, ob die Auswirkungen auf den Körper des Patienten rechtzeitig und vollständig behoben werden konnten. Der Patient muss ausführlich und vollständig über die Auswirkung des Propofols aufgeklärt werden und darf nicht erneut mit einer Propofolinfusion sediert oder gar länger in einer Narkose gehalten werden. Daher ist es unerlässlich, dass die betroffene Person in einem Aufklärungsgespräch die Komplikation bei einem Narkosearzt sofort erwähnt.
Das können Sie selbst tun
Wenn das Propofol-Infusionssyndrom (PRIS) eingetreten ist, gibt es keine Selbsthilfemöglichkeit mehr. Es handelt sich um einen sehr seltenen medizinischen Notfall nach der Gabe des Narkosemittels Propofol. Die Infusion von Propofol muss sofort abgebrochen werden. Zusätzlich sind oft unterstützende Maßnahmen notwendig, die vor einem Kreislaufkollaps und einer metabolischen Azidose schützen.
Um ein Nierenversagen auszugleichen, sollte frühzeitig die Hämofiltration oder Hämodialyse in Betracht gezogen werden. Besonders durch die Hämodialyse verbessert sich die Symptomatik rasch. Nach erfolgreicher Anwendung dieser Maßnahmen kommt es zur vollständigen Gesundung des Patienten. Weder die Lebenserwartung noch die Lebensqualität sind eingeschränkt. Sollte sich jedoch wieder eine Situation ergeben, die eine Narkose notwendig machen, ist es für den betroffenen Patienten sehr wichtig, mit dem Arzt Alternativen zu besprechen. Der Arzt muss deshalb vom Patienten auf die Unverträglichkeit gegen normale Narkosemittel hingewiesen werden. Wenn bereits einmal PRIS eingetreten ist, dürfen auch keine Medikamente zur Sedierung mit Propofol bei Schmerzpatienten mehr angewendet werden. Daher sollte der Patient auch in diesen Fällen Alternativen mit dem Arzt absprechen.
Die einzige Möglichkeit für den Patienten, die Wahrscheinlichkeit eines PRIS zu senken, besteht in der Gestaltung der Ernährung. So wird PRIS neben genetischen Faktoren und einer zu hohen Dosierung von Propofol auch durch lange Fastenperioden, ketogene Diäten und kohlehydratarme Ernährung begünstigt.
Quellen
- Leuwer, M., et al.: Checkliste Intensivmedizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Schulte am Esch, J., et al.: Anästhesie und Intensivmedizin. Thieme, Stuttgart 2011
- Wilhelm, W. (Hrsg.): Praxis der Intensivmedizin. Springer, Berlin 2013