Pseudohalluzinationen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Patienten mit Pseudohalluzinationen nehmen Sinneseindrücke wahr, denen kein äußerer Reiz vorausgeht. Die Irrealität ihrer Wahrnehmung ist ihnen anders als bei einer tatsächlichen Halluzination bekannt. Fieberzustände und Ermüdung sind die mitunter häufigsten Ursachen für Pseudohalluzinationen.
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Was sind Pseudohalluzinationen?
Die Wahrnehmung bestimmt die Realität des Menschen. Über seine Sinnessysteme verschafft sich der Mensch einen Eindruck von der externen Realität und ist schließlich dazu in der Lage, angemessen auf die Umwelt zu reagieren. Die erste Instanz jeder Wahrnehmung ist die Bindung eines Reizmoleküls an die freien Nervenendigungen der Sinneszellen.
Pathologischen Wahrnehmungen muss kein äußerer Reiz vorausgehen. Als Halluzinationen sind beispielsweise Wahrnehmungen bekannt, denen kein Umgebungsreiz zugrunde liegt. Die Bindung von externem Reizmolekül an Sinneszelle bleibt für Halluzinationen also aus, obgleich sie der Betroffene als echte Wahrnehmungen empfindet. Halluzinationen können substanzbedingt oder psychisch bedingt auftreten und sind prinzipiell für jedes Sinnesgebiet denkbar.
Physikalisch nicht existente Objekte können im Rahmen von Halluzinationen gesehen werden. Nicht existente Stimmen können gehört, nicht existente Berührungen können empfunden und nicht vorhandene Gerüche sowie Geschmäcker können wahrgenommen werden. Ein ähnliches Phänomen liegt bei der Pseudohalluzination vor. Im Unterschied zum Halluzinierenden weiß der Pseudohalluzinierende allerdings, dass die wahrgenommenen Sinneseindrücke nicht der realen Wahrnehmung entsprechen.
Ursachen
Darüber hinaus können Trancezustände und Meditation der Pseudohalluzination einen Kontext geben. Dasselbe gilt für Erschöpfungszustände mit starker Ermüdung oder Bewusstseinseintrübungen durch pathologische Vorgänge wie Fieber. In Affektzuständen kann es außerdem zu einer Untervariante der Pseudohalluzination kommen, die als hysterische Pseudohalluzination bezeichnet wird.
Einen Sonderfall der Pseudohalluzination verursachen einige Krankheitssyndrome. An dieser Stelle ist vor allem auf das Charles-Bonnet-Syndrom zu verweisen, das aufgrund einer Sehbehinderung zu visuellen Sinnestäuschungen führt. Zuweilen gehen auch echte Halluzinationen in der Rückbildungsphase in Pseudohalluzinationen über. Grundsätzlich bestehen zwischen den beiden Phänomenen fließende Übergänge. Eine klare Abgrenzung fällt unter bestimmten Umständen schwer.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Art und der Kontext der Pseudohalluzination bestimmen die Symptome, an denen ein Pseudohalluzinierender im Einzelfall leidet. Je nach Kontext können visuelle, auditive, gustatorische oder taktile Pseudohalluzinationen auftreten. Von wahrgenommenen Stimmen bis hin zu ganzen Objekten, Geschmäckern oder Berührungen kann die Pseudohalluzination alle Sinnessysteme betreffen.
Das wichtigste Merkmal der Pseudohalluzination und zugleich das einzig zuverlässige Abgrenzungskriterium zur echten Halluzination ist die bewusste Beurteilung des Wahrgenommenen als irreal, die vom Patienten selbst vorgenommen wird. Welche Begleitsymptome zusätzlich zu den Pseudohalluzinationen vorliegen, kommt auf den größeren Rahmen des halluzinatorischen Ereignisses an.
Im Kontext körperlicher Erschöpfung können begleitsymptomatisch beispielsweise Kopfschmerzen, anhaltende Müdigkeit oder Abgeschlagenheit auftreten. Den begleitsymptomatischen Kontext des Charles-Bonnet-Syndroms bilden dagegen Sehstörungen. Bei Pseudohalluzinationen aufgrund von Krankheitsprozessen sind wiederum unspezifische Krankheitssymptome wie Fieber oder Infektionsanzeichen zu erwarten.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose von Pseudohalluzinationen stellt oft eine Gratwanderung dar. Das Phänomen überschneidet sich in vielen Fällen mit manifesten Halluzinationen oder kann zumindest leicht darin übergehen. Die Anamnese gibt erste Anhaltspunkte und gibt dem Beurteilenden wichtige Hinweise zum Geisteszustand des Patienten.
Bei der Diagnostik von Pseudohalluzinationen ist ein Nachweis darüber zu erbringen, dass der Patient das Wahrgenommene aus sich heraus als irreal beurteilt. Beurteilt er die scheinbaren Sinneswahrnehmungen dagegen als real, so läuft die Diagnose auf manifeste Halluzinationen hinaus.
Die Ursache für die Erscheinung wird sowohl für Pseudohalluzinationen, als auch echte Halluzinationen im Rahmen der weiterführenden Diagnostik aufgeklärt und kann organspezifische Testungen erfordern. Für Patienten mit Pseudohalluzinationen besteht eine deutlich bessere Prognose als für Halluzinierende. Als prognostisch ungünstig stellt sich allerdings die Tatsache heraus, dass Pseudohalluzinationen oft in echte Halluzinationen übergehen.
Komplikationen
Weiterhin kommt es zu starken Kopfschmerzen und einer deutlichen Abgeschlagenheit und zu einer verringerten Belastbarkeit. Die Patienten selbst sind dabei dauerhaft müde und leiden nicht selten auch an Sehstörungen. Die Pseudohalluzinationen sind in der Regel mit einer Grunderkrankung verbunden, sodass der weitere Verlauf dieser Krankheit sehr stark von der Grunderkrankung und von ihrer Behandlung abhängt.
In der Regel leiden die Betroffenen dabei allerdings an Fieber oder an anderen Infekten und Entzündungen. Die Behandlung der Pseudohalluzinationen erfolgt durch die Behandlung der Grunderkrankung. Ob es dabei zu einem Erfolg kommt, kann nicht universell vorausgesagt werden. In einigen Fällen treten die Pseudohalluzinationen allerdings auch aufgrund von psychischen Beschwerden auf, sodass eine psychologische Behandlung notwendig ist.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Sobald sich psychische Auffälligkeiten zeigen, besteht Anlass zur Besorgnis. Nimmt der Betroffene in seiner Umwelt Dinge, Gerüche, Geräusche oder Personen wahr, die bei einer objektiven Betrachtung nicht vorhanden sind, sollte dieses Phänomen beobachtet werden. In den meisten Fällen handelt es sich um eine kurzfristige Irritation, die nicht von Dauer ist oder einen wiederkehrenden Charakter hat.
Bei permanenten oder wiederholten Unregelmäßigkeiten der Sinneseindrücke, ist Handlungsbedarf vorhanden. Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald es zu Wahrnehmungen kommt, bei denen grundsätzlich keine äußere Reizeinwirkung vorhanden ist. Beginnt der Betroffene mit imaginären Personen in der festen Überzeugung, dass sie real sind, zu kommunizieren, muss ein Arzt konsultiert werden. Kommt es zu plötzlichen Eingebungen, einem Stimmenhören oder taktilen Unregelmäßigkeiten, sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen. Bei Fieber, anhaltenden Überanstrengungen, Kopfschmerzen oder Müdigkeit sollte ein Arzt aufgesucht werden. Sind Schlafstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Störungen der Sinnesorgane oder ein Erschöpfungszustand vorhanden, benötigt der Betroffene Hilfe.
Störungen des Bewusstseins, Unruhe oder eine depressive Stimmung sind untersuchen und behandeln zu lassen. Wirkt der Betroffene abwesend, sinkt seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, kommt es vermehrt zu zwischenmenschlichen Konflikten oder einem aggressivem Auftreten, ist ein Arztbesuch anzuraten. Können die alltäglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden, muss ein Arzt aufgesucht werden.
Behandlung & Therapie
Ob eine Pseudohalluzination behandelt werden muss und wie das Phänomen letztendlich behandelt wird, hängt von den Umständen des halluzinatorischen Ereignisses ab. Bei einmaligem Auftreten ist zum Beispiel keine Behandlung angezeigt. Der Patient beobachtet sich nach dem pseudohalluzinatorischen Ereignis selbst.
Falls weitere Ereignisse derselben Art auftreten oder die Grenze zwischen Realität und Irrealität zum Verschwimmen gerät, kann eine Behandlung erforderlich werden. Prinzipiell gilt die Lebensqualität des Patienten als oberster Maßstab. Sobald die pseudohalluzinatorischen Ereignisse die Lebensqualität merklich beeinträchtigen, macht eine Behandlung Sinn. Die Art der Behandlung hängt in diesem Fall vom Kontext der Pseudohalluzinationen ab.
Durch körperliche Erschöpfung hervorgerufenen Pseudohalluzinationen lässt sich zum Beispiel leicht begegnen, indem der Betroffene auf sein Schlafpensum achtet und gegebenenfalls Zwangsurlaub einlegt. Falls sich der Patient aufgrund der wahrgenommenen Szenarien stark beunruhigt fühlt, obwohl oder gerade weil er ihre Irrealität erkennt, kann kurzfristig eine konservativ medizinische Behandlung erfolgen.
Beruhigungsmittel eignen sich in diesem Fall zur symptomatischen Linderung des Problems. Allerdings ist die anhaltende Gabe von Medikamenten im Kontext der Pseudohalluzination zu vermeiden, da sich ansonsten eine Medikamentensucht mit späterem Übergang zu echten Halluzinationen entwickeln könnte. Angemessener ist bei andauernden Pseudohalluzinationen mit beunruhigendem Effekt auf den Patienten eine kognitive Verhaltenstherapie, in der der Patient seine eigene Beunruhigung im Hinblick auf die Wahrnehmungen aufzugeben lernt.
Vorbeugung
Pseudohalluzinationen lässt sich nicht gänzlich vorbeugen, da die Phänomene im Kontext von Fieber- oder Ermüdungzuständen auftreten können und diese beiden Zustände zu den physiologischen Körperreaktionen jedes Menschen zählen.
Nachsorge
Die Unterscheidungskraft von Wahrheit und Imaginärem fehlt dem Erkrankten, wenn eine tatsächliche Halluzination vorliegt. Bei einer Pseudohalluzination ist sich der Betroffene über das nicht Reale seines Erlebens durchaus bewusst. Seine Urteilskraft bleibt präsent. Die Nachsorge bei Pseudohalluzinationen verläuft auf verhaltenstherapeutischer Ebene. Das Ziel ist ein möglichst uneingeschränktes Leben des Patienten. Dafür erlernt er unter Aufsicht eines Psychotherapeuten den angemessenen Umgang mit der Erkrankung.
Ausschlaggebend für eine günstige Prognose ist seine Fähigkeit, Reales von Halluziniertem weiterhin voneinander differenzieren zu können. Diese Fähigkeit soll auch nach abgeschlossener Nachsorge erhalten bleiben. Sie wird mithilfe gemeinsam erarbeiteter Methoden in den Therapiestunden und später im Alltag 'geübt'. Dieses Verfahren ist vor allem nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie ratsam. Der Patient muss schrittweise angeleitet werden, während er in sein gewohntes Umfeld zurückkehrt.
Die Nachsorge soll überdies das Entstehen einer tatsächlichen Halluzination verhindern. Die Adresse des behandelnden Therapeuten wird zur Anlaufstelle für den Betroffenen. Dort erhält der Erkrankte Rat und Unterstützung, falls sich die alltäglichen Aufgaben noch nicht aus eigener Kraft bewältigen lassen. Im Falle einer unerwarteten Verschlechterung nach einer stabilen Phase sollte der Patient die psychotherapeutische Praxis unbedingt aufsuchen. Der Facharzt kann intervenieren und wenn nötig eine Klinikeinweisung veranlassen.
Das können Sie selbst tun
Jeder kennt die gedanklichen Kapriolen, die unser Geist vor dem Einschlafen macht. Plötzlich erscheinen Bilder, die surreal sind und dem Betreffenden anzeigen, dass er in den Schlaf gleitet. Beim Aufwachen geschieht oft Ähnliches: Aus den surrealen Bildern werden langsam reale Wahrnehmungen, und der Betroffene wird wach.
Zum guten Glück ist den Patienten mit Pseudohalluzinationen klar, dass ihre Wahrnehmungen nicht echt sind. Daher können sie im Allgemeinen gut damit umgehen, möglicherweise sogar regelrecht genießen. Möglicherweise liegt den Pseudohalluzinationen allerdings eine Sehstörung zugrunde, das Charles-Bonnet-Syndrom. Eine halluzinatorische Migräne-Attacke oder eine besondere Demenzform könnten ebenfalls die Pseudohalluzinationen auslösen. Dies sollten Betroffene auf jeden Fall von einem entsprechenden Facharzt abklären und behandeln lassen.
Weitere Maßnahmen sind für die Betroffenen nicht erforderlich, es sei denn, sie leiden unter den Pseudohalluzinationen. Dann empfiehlt sich eine psychologische Behandlung, in der unter anderem auch mit Entspannungstechniken gearbeitet wird. Auch gruppentherapeutische Sitzungen haben sich bei Pseudohalluzinationen bewährt. Verschiedene Selbsthilfegruppen bieten im Netz ebenfalls Rat, Tat und Beistand an. In schwereren Fällen empfiehlt es sich, den behandelnden Psychologen nach Antipsychotika, Antikonvulsiva oder Serotonin-Antagonisten zu fragen. Diese Medikamente können die Symptome lindern.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015
- Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015