Pseudouridin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei Pseudouridin handelt es sich um ein Nukleosid, das einen Baustein der RNA darstellt. Als solcher ist er vor allem ein Bestandteil der Transfer-RNA (tRNA) und an der Translation beteiligt.
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Was ist Pseudouridin?
Pseudouridin ist ein Grundstoff der tRNA und besteht aus zwei Bausteinen: der Nukleinbase Uracil und dem Zucker β-D-Ribofuranose. Die Biologie bezeichnet es auch als Psi-Uridin und kürzt es mit dem griechischen Buchstaben Psi (Ψ) ab.
Pseudouridin ist ein Isomer des Nukleosids Uridin: Es besitzt die selbe Molekülmasse wie Uridin und besteht aus den exakt gleichen Bausteinen. Den Unterschied zwischen Pseudouridin und Uridin macht lediglich ihre verschiedene dreidimensionale Struktur aus. Der räumliche Unterschied der beide Nukleoside besteht in der Nukleinbase Uracil. Beim Uridin setzt sich der zentrale Ring, den das Uracil bildet, aus insgesamt vier Kohlenstoff-Atomen, einer NH-Verbindung und einem Stickstoffatom zusammen.
Beim Pseudouridin besteht die zentrale Grundstruktur jedoch aus einem Ring aus vier einzelnen Kohlenstoff-Atomen und zwei NH-Verbindungen. Die Biologie bezeichnet Pseudouridin deshalb auch als natürlich modifiziertes Nukleosid. In den 1950er Jahren wurde es erstmals entdeckt und seitdem als das modifizierte Nukleosid identifiziert, das am häufigsten vorkommt.
Funktion, Wirkung & Aufgaben
Die genetischen Informationen sind beim Menschen hauptsächlich in Form von DNA gespeichert. Die menschliche DNA befindet sich im Kern jeder Zelle und verlässt ihn nicht. Nur wenn sich die Zelle teilt und der Zellkern sich auflöst, bewegt sich die DNA im restlichen Zellkörper. Damit die Zelle dennoch auf die Informationen zugreifen kann, die in der DNA gespeichert sind, fertigt sie eine Kopie davon an. Diese Kopie ist die Messenger-RNA, kurz mRNA. Der namensgebende Unterschied zwischen DNA und RNA besteht in Sauerstoff, der sich an die Ribose anlagert. Nachdem die mRNA aus dem Zellkern hinaus gewandert ist, kann die Translation beginnen.
Die zwei Enden der tRNA können sich an jeweils unterschiedliche Moleküle binden. Das eine Ende der tRNA ist so beschaffen, dass es genau zu einem Triplett der mRNA passt, also zu einer Gruppe von drei aufeinanderfolgenden Basen. An das gegenüberliegende Ende der tRNA dockt eine passende Aminosäure an. Die insgesamt zwanzig Aminosäuren, die in der Natur vorkommen, bilden die Bausteine für alle existierenden Proteine. Ein Triplett codiert dabei jeweils eindeutig eine bestimmte Aminosäure. Ein Ribosom verbindet die Aminosäuren, die sich am einen Ende der tRNA befinden, und erschafft somit eine lange Kette. Diese Proteinkette faltet sich aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften und erhält dadurch eine charakteristische räumliche Struktur.
Sowohl Hormone als auch Neurotransmitter sowie Bausteine für Zellen und extrazelluläre Strukturen bestehen aus diesen Ketten. Wenn das Ribosom zwei benachbarte Aminosäuren verknüpft, wird die tRNA wieder frei und kann eine neue Aminosäure aufnehmen und zur mRNA transportieren. Pseudouridin taucht in einer seitlichen Schleife der tRNA auf. Ohne Pseudouridin wäre die tRNA nicht funktionsfähig und der Organismus könnte grundlegende Mikroprozesse nicht ausführen.
Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte
Die Summenformel für Pseudouridin lautet C9H12N2O6. Pseudouridin besteht aus dem Zucker Ribose und der Nukleinbase Uracil. Uracil ersetzt in der Ribonukleinsäure (RNA) die Base Thymin, die nur in der Desoxyribonukleinsäure (DNA) vorkommt. Die anderen drei Basen der menschlichen Nukleinsäuren sind Adenin, Guanin und Cytosin; sie treten sowohl in der DNA als auch in der RNA auf.
Der Zucker Ribose besitzt ein Grundgerüst aus fünf Kohlenstoffatomen. Deshalb nennt ihn die Biologie auch eine Pentose. Ribose spielt nicht nur als Baustein der Chromosomen eine Rolle; sie kommt zum Beispiel auch im Energielieferanten ATP vor und wirkt als sekundärer Botenstoff bei einigen neuronalen und hormonellen Prozessen. Der menschliche Körper synthetisiert Pseudouridin mithilfe eines Enzyms, der Pseudouridin-Synthase. Im Fall von bestimmten Krankheiten kann dieser Vorgang gestört sein. Die Folge sind Erkrankungen, die typischerweise mehrere Organsysteme betreffen können.
Krankheiten & Störungen
Bei der Myopathie mit Laktatazidose und sideroblastischer Anämie kommt es zu einer Störung der Pseudoruridin-Synthase. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Muskelkrankheit, begleitet von Blutarmut. Vermutlich verhindert eine Mutation die korrekte Entstehung der Pseudouridin-Synthase. Infolgedessen produziert der Körper möglicherweise fehlerhafte tRNA, die von der gesunden tRNA abweicht. Beii dieser Form der metabolischen Myopathie kommt es infolge der anormalen tRNA zur Bewegungsintoleranz bei Kindern und zur Anämie im Jugendalter. Sie tritt jedoch nur sehr selten auf. Pseudouridin kann darüber hinaus auch bei Erkrankungen der Augen, Nieren und anderer Organsysteme mitwirken.
Neuere Forschungen weisen zum Beispiel darauf hin, dass sich die Konzentration von Pseudouridin als Marker für die Nierenfunktion eignet. Bislang nutzen MedizinerInnen vor allem den Kreatinspiegel als Marker. Der Nachteil dieser Methode ist jedoch, dass der Kreatinwert sehr anfällig für Fehler ist: Er hängt beispielsweise auch vom Ausmaß der Muskelmasse ab. Pseudouridin und C-Mannosyl-Tryptophan sind frei von diesem Einfluss und könnten in Zukunft deshalb Kreatin als Marker für die Nierenfunktion ablösen (Sekula et al., 2015).
Quellen
- Christen, P., Jaussi, R., Benoit, R.: Biochemie und Molekularbiologie. Springer, Berlin 2016
- Koslowski, H., Fiehring, C., Zöllner, H.: Labordiagnostik von Stoffwechselerkrankungen. Books On Demand Verlag, Norderstedt 2003
- Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004