Quecksilberintoxikation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Quecksilberintoxikation ist eine Vergiftung mit Quecksilber. Es kann zwischen akuten und chronischen Quecksilbervergiftungen unterschieden werden.
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Was ist eine Quecksilberintoxikation?
Die Quecksilbervergiftung wird auch als Merkurialismus bezeichnet. Sie wird durch eine direkte Aufnahme größerer Mengen Quecksilber oder durch eine längerfristige Aufnahme kleinerer Mengen Quecksilber verursacht. Quecksilber gehört zu den giftigen Schwermetallen. Mögliche Symptome reichen von Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel bis hin zu Seh- oder Gangstörungen. Die Quecksilbervergiftung wird mit einem Antidot behandelt. Alternativmedizinisch kommen Cutler-Protokolle zum Einsatz.
Ursachen
Insgesamt gibt es weltweit nur zehn akute Vergiftungen, die tödlich endeten. Es handelte sich dabei stets um Berufsunfälle in Industrie oder Forschung. Besonders giftig ist Quecksilber in organischen Verbindungen (zum Beispiel als Dimethylquecksilber). Deutlich häufiger kommt es jedoch zu chronischen Quecksilberintoxikationen. Hauptursache ist hier die Aufnahme von Nahrung, die mit Quecksilber verseucht ist.
Ein Beispiel für eine solche chronische Intoxikation ist die Minamata-Krankheit. Benannt wurde die Erkrankung nach der japanischen Stadt Minamata, in der Tausende Menschen aufgrund des Verzehrs von verseuchten Meeresalgen und Fischen chronisch erkrankten. Amalgam, ein Stoff, der in der Zahnmedizin für Füllungen genutzt wird, steht ebenfalls in Verdacht chronische Quecksilbervergiftungen auslösen zu können. Weitere mögliche Ursachen für eine chronische Vergiftung mit Quecksilber sind die Aufnahme der giftigen Substanz am Arbeitsplatz oder am Wohnort.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Frühsymptome einer akuten Vergiftung sind Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen. Typisch ist auch ein trockener Mund. Eine Aufnahme von 150 bis 300 Milligramm endet tödlich. Lange nach der Aufnahme des Quecksilbers kommt es zu Nieren- oder Leberschäden.
Chronische Quecksilberintoxikationen verursachen oft unspezifische Symptome. Das Quecksilber lagert sich im Gebiss, im Rückenmark, in den inneren Organen, in den Nervenbahnen und im Gehirn ab. Es findet sich in Urin, Blut, Stuhl und sogar in der Muttermilch. Die Betroffenen leiden zunächst nur unter Müdigkeit und Kopf- und Gliederschmerzen. Später kommt es zu Lähmungen, Gangunsicherheiten, Psychosen und in schweren Fällen sogar zum Koma.
Unbehandelt endet die Erkrankung tödlich. Bei Schwangeren gelangt die giftige Substanz über die Nabelschnur zum Ungeborenen. Die betroffenen Kinder kommen mit diversen Behinderungen zur Welt.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Bei Verdacht auf eine chronische Quecksilberintoxikation stehen verschiedene Diagnoseverfahren zur Verfügung. Mithilfe des DMPS-Mobilisationstests kann Quecksilber im Urin nachgewiesen werden. DMPS bildet mit Quecksilber einen wasserlöslichen Komplex. Die Schwermetalldepots in den Organen sollen im Rahmen dieses Tests mobilisiert und zur Ausscheidung gebracht werden. Die Quecksilberkonzentration im Harn unterliegt tageszeitlichen Schwankungen und Abweichungen. Deshalb wird zur Bestimmung der Urin über 24 Stunden gesammelt.
Der Kaugummi-Test dient der Bestimmung des Quecksilbergehalts im Speichel. Bei diesem Test muss ein zuckerfreier Kaugummi für zehn Minuten gekaut werden. Der Speichel, der sich beim Kauen bildet, wird gesammelt und anschließend im Labor untersucht. Die genaue Quecksilberbelastung kann mit diesem Test allerdings nicht diagnostiziert werden. Vielmehr zeigt der Test an, ob sich Quecksilber aus vorhandenen Amalgamfüllungen löst.
Mit verschiedenen labortechnischen Verfahren lässt sich Quecksilber auch im Blut nachweisen. Der Quecksilbergehalt im Blut gibt allerdings eher Hinweise auf eine kurz zurückliegende Belastung. Zudem wird Quecksilber auch in die Haarwurzel eingebaut. Der Quecksilbergehalt im Haar ist ein gutes Maß auch für länger zurückliegende Belastungen.
Komplikationen
Eine Quecksilberintoxikation ruft zunächst Zahnfleischentzündungen, Zahnlockerung, Durchfälle und Nierenentzündungen hervor. Aus diesen Beschwerden entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung schwerwiegende Komplikationen. Typisch für einen chronischen Verlauf ist die Schädigung des Nervensystems, die mit Muskelzuckungen, Stimmungsschwankungen, Erregungs- und Angstzuständen und Sprach- oder Sehstörungen verbunden sein kann. Auch Persönlichkeitsveränderungen und Konzentrationsstörungen können auftreten.
Im Allgemeinen schädigt das Schwermetall den gesamten Organismus. Neben dem Nervensystem erkranken häufig auch die inneren Organe, der Magen-Darm-Trakt und die Haut. Mögliche Spätfolgen sind irreparable Nieren- und Leberschäden sowie bleibende Ohr-, Augen- und Nasenrachenraum-Erkrankungen. Wird die Quecksilbervergiftung frühzeitig erkannt und behandelt, lassen sich diese schwerwiegenden Komplikationen vermeiden. Allerdings bergen auch die Behandlungsmethoden Risiken.
So werden typischerweise Antidote wie Dimercaptobernsteinsäure und Dimercaptopropansulfonsäure eingesetzt – beide mit Nebenwirkungen wie Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Fieber und Schüttelfrost verbunden. Auch Acetylcystein und andere Medikamente können Neben- und Wechselwirkungen hervorrufen. Die intravenöse Behandlung selbst kann zu Infektionen an der Einstichstelle führen. Selten bilden sich Ödeme oder Thrombosen, die ihrerseits mit Komplikationen verbunden sind. Nach der Behandlung kann es zu einem Rezidiv der Quecksilberintoxikation kommen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Quecksilberintoxikation sollte immer durch einen Arzt behandelt werden. Nur durch eine frühe Diagnose und Behandlung können weitere Komplikationen und im schlimmsten Fall auch der Tod verhindert werden. Eine Selbstheilung tritt bei dieser Erkrankung nicht ein, sodass die Quecksilberintoxikation immer von einem Arzt behandelt werden sollte. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene eine erhöhte Menge an Quecksilber eingenommen hat. Dies führt zu einem sehr trockenen Mund und weiterhin zu einer starken Müdigkeit.
Auch Lähmungen oder starke Kopfschmerzen können auf die Quecksilberintoxikation hindeuten und sollten von einem Arzt untersucht werden. Dabei kann der Betroffene auch in ein Koma fallen oder starke Psychosen aufweisen. Sollten diese Beschwerden nach der versehentlichen Einnahme auftreten, so muss sofort das Krankenhaus aufgesucht oder der Notarzt verständigt werden. In der Regel kann die Quecksilberintoxikation relativ gut behandelt werden, wenn die Behandlung schon frühzeitig eingeleitet wird.
Behandlung & Therapie
Die Quecksilbervergiftung wird mit einem Antidot therapiert. Dafür werden sogenannte Komplexbildner eingesetzt. Es handelt sich dabei um Substanzen, die mit dem Quecksilber einen Metallkomplex bilden. Diese Quecksilber-Antidot-Komplexe können von der Niere besser aus dem Blut filtriert werden. Verwendet werden Substanzen wie Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS) oder Dimercaptobernsteinsäure (DMSA).
Wurde die Intoxikation durch die Aufnahme von organischen Quecksilbervergiftungen wie Methylquecksilberausgelöst, wird Acetylcystein (NAC) verabreicht. Früher wurden auch Mineralstoffe zur Quecksilberausleitung genutzt. Untersuchungen zeigten allerdings, dass die Wirkung nicht ausreichend ist. In der Alternativmedizin kommt das sogenannte Cutler-Protokoll zum Einsatz. Das Protokoll verwendet ebenfalls DMSA oder DMPS. Zusätzlich wird Alphaliponsäure (ALA)verwendet.
Vorbeugung
Um eine Quecksilberintoxikation zu verhindern, ist beim Umgang mit dem giftigen Schwermetall Vorsicht geboten. Die Innenraumlufthygiene-Kommission des deutschen Umweltbundesamtes hat Innenraumluftrichtwerte für Quecksilber erarbeitet. Der Richtwert II reglemtiert die Konzentration von Quecksilber, bei deren Überschreiten sofort gehandelt werden muss. Beim Richtwert II wird ein zügiges Handeln empfohlen. Zur Senkung der Konzentration können technische und bauliche Maßnahmen erforderlich sein.
Wenn Fieberthermometer, Barometer, Blutdruckmessgeräte oder Energiesparlampen in geschlossenen Räumen zerbrechen, kann es zu einer Belastung der Luft mit Quecksilberdämpfen kommen. Der betroffene Raum sollte sofort gut durchgelüftet werden. Eine ausreichende Lüftung kann über mehrere Wochen erforderlich sein. Sichtbare Quecksilberkügelchen sollten vorsichtig mit einer Pipette aufgesaugt und bis zur Entsorgung in einem Gefäß unter Wasser gelagert werden.
Sind Quecksilberkügelchen in unerreichbare Ritzen oder Ecken gelangt, müssen diese mit quecksilberabsorbierenden Mitteln fixiert werden. Da Quecksilberdampf schwerer als Luft ist, sinkt er ab. Kleinkinder und Kinder, die häufig am Boden spielen, sind deshalb besonders gefährdet und sollten in quecksilberbelasteten Räumen nicht spielen. Unter keinen Umständen sollte das Quecksilber mit dem Staubsauger aufgesaugt werden. Das Metall und die giftigen Dämpfe werden dadurch weiträumig verteilt.
Nachsorge
Nach einer Quecksilberintoxikation ist es besonders wichtig, dass die Anweisungen des Arztes eingehalten werden. Wirksame Hausmittel stehen zur Heilung nicht zur Verfügung. Daher ist die konsequente Einnahme der verordneten Medikamente von entscheidender Bedeutung für einen raschen und nachhaltigen Behandlungserfolg.
Weiterhin können Patienten die begleitenden Symptome der Quecksilberintoxikation bekämpfen. So helfen bei starkem Juckreiz nachfettende oder histaminhaltige Cremes und Salben, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Wer damit den Juckreiz nicht in den Griff bekommt, kann mit speziellen Baumwollhandschuhen verhindern, dass vor allem in der Nach die Haut aufgekratzt wird. Das Kratzen verursacht nämlich Verletzungen der Haut, die in der Folge zu weiteren Erkrankungen, darunter insbesondere sekundären Entzündungen führen können.
Viele Patienten klagen im Nachgang einer Quecksilberintoxikation über Zahnfleischprobleme. Hier ist es ratsam, den Zahnarzt aufzusuchen, falls konkrete Symptome in Erscheinung treten. Aber auch ohne akute Symptome sollten betroffene Patienten nach einer Quecksilberintoxikation auf eine sorgfältige Mundhygiene achten. Mit antibakteriellen Mundspülungen, Zahnseide und gegebenenfalls Interdentalbürsten für die Zahnzwischenräume kann einer Entzündung des Zahnfleisches wirksam entgegengewirkt werden.
Schließlich ist es wichtig, die Quelle der Quecksilberintoxikation zu identifizieren. Sofern die Quelle der Vergiftung nicht beseitigt werden konnte, sollten andere Personen gewarnt werden, um weitere Vergiftungsfälle zu vermeiden.
Das können Sie selbst tun
Vermutlich hat der behandelnde Arzt bereits eine Chelat- oder andere Ausleitungstherapie verordnet, um das Quecksilber auszuleiten. Der Patient selbst kann aber auch zusätzlich einiges tun, um giftige Metallreste aus seinem Körper auszuleiten. Dazu gehören Saunagänge, Dampfbäder und schweißtreibender Sport, denn mit dem Schweiß werden Giftstoffe ausgeschieden. Wasserreiche Lebensmittel wie Obst, Tomaten oder Spargel wirken ebenfalls entgiftend. Den Entgiftungsprozess sollte der Betroffene weiter unterstützen, indem er keine anderen Gifte aufnimmt. Dazu gehören in erster Linie Alkohol und Nikotin, aber auch Autoabgase, Feinstaub und weitere Luftverschmutzungen. Reichen diese Entgiftungsmaßnahmen nicht aus, empfehlen viele Ärzte das sogenannte „Cutler-Protokoll“ als Alternative. Es ist allerdings umstritten und sehr aufwändig.
Möglicherweise hat die Quecksilberintoxikation die Mundschleimhaut des Betroffenen geschädigt. Das macht eine akribische Mund- und Zahnpflege unabdingbar. Zahnärzte geben hier Empfehlungen und Hilfestellung.
Ist die Quecksilbervergiftung weiter fortgeschritten, werden die körperlichen Folgen symptomatisch behandelt. Diese Behandlungen kann der Patient mit einem gesunden Lebensstil unterstützen. Um eine Kachexie zu vermeiden, sollte er ausreichend essen, selbst wenn es schwer fällt. Das gleiche gilt für einen geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus. Er sollte auch dann angestrebt werden, wenn der Patient unter Schlafstörungen leidet. Hilfreich sind hier feste Ruhezeiten, die unbedingt einzuhalten sind.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013