Acetylcystein
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. August 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Acetalcystein ist häufig Bestandteil hochwirksamer Arzneimittel bei Atemwegserkrankungen zur Schleimlösung und als Antidot bei Vergiftungen. Aufgrund seiner vielfältigen Wirkungsmechanismen findet es auch Anwendung in anderen medizinischen Bereichen.
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Was ist Acetylcystein?
Acetylcystein ist ein biochemischer Wirkstoff mit zwei verschiedenen Hauptanwendungsgebieten. Vorrangig wird es als sogenanntes Expektorans (Schleimlöser) in vielen Medikamenten eingesetzt. Des Weiteren ist Acetylcystein sehr wirksam als Antidot (Gegengift) bei Paracetamolvergiftungen.
Andere Einsatzmöglichkeiten, wie z. B. bei Nierenproblemen, Infektionskrankheiten und in der Psychiatrie wurden untersucht und diskutiert. Belastbare Ergebnisse liegen aber noch nicht vor. Aufgrund der positiven Wirkungen und der geringen Gefahr schwerwiegender Nebenwirkungen wird Acetylcystein auch in diätischen Lebensmitteln eingesetzt.
Pharmakologische Wirkung
Die Wirksamkeit von Acetylcystein bei der Behandlung von so unterschiedlichen Beschwerden, wie die Schleimbildung bei Atemwegserkrankungen und die Intoxikation mit Paracetamol beruht auch auf unterschiedlichen Wirkmechanismen.
Der zähe Schleim in den Bronchien besteht aus Mucopolysaccharidketten, die über Schwefelbrücken miteinander verbunden sind. Acetylcystein bewirkt nun das Aufbrechen dieser Schwefelbrücken, wobei sich der Schleim verflüssigt und gut abgehustet werden kann. Als weiterer Mechanismus wird die antioxidative Wirkung von Acetylcystein diskutiert. So kann durch das Abfangen von freien Radikalen der Entzündungsprozess in den Bronchien beendet werden, was die Abheilung der Bronchitis ermöglicht. Allerdings konnte diese These noch nicht bestätigt werden. Vielmehr bewirkt bereits die Schleimlösung einen positiven Einfluss auf den Heilungsprozess.
Der andere Wirkungsmechanismus von Acetylcystein, der maßgeblich bei der Entgiftung bei Paracetamolintoxikationen zum Ausdruck kommt, beruht auf der antioxidativen Eigenschaft von NAC. So entfaltet Acetylcystein (NAC) sowohl direkte als auch indirekte antioxidative Wirkungen. Bei der direkten antioxidativen Wirkung von NAC werden sauerstoffhaltige Radikale durch die SH-Gruppe abfangen. Dabei verbinden sich zwei Acetylcysteinmoleküle über Disulfidbrücken miteinander. Die entzündungshemmende Wirkung dieses Prozesses wurde bereits diskutiert.
Der indirekte Mechanismus ist jedoch der interessantere und häufiger anzutreffende antioxidative Prozess. Als Antioxidans wirkt hier das beim Abbau von NAC entstehende Glutathion. Glutathion als kurzes Peptid ist normalerweise in ausreichendem Maße in der Leber gespeichert und stellt das wichtigste Entgiftungsmittel im Organismus dar. Bei einer akuten Vergiftung, wie z. B. mit Paracetamol, kann sich der Vorrat jedoch aufgrund des hohen Bedarfes erschöpfen. Paracetamol wird so zu einer tödlichen Bedrohung. Die Gabe von Acetylcystein kann die toxische Wirkung des Giftes neutralisieren.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Aufgrund seines interessanten Wirkungsspektrums wird Acetylcystein in vielen Arzneimitteln eingesetzt. So wird NAC als Expektorans bei verschiedenen Atemwegserkrankungen zur Schleimlösung angewendet. Damit erzielt man gute Erfolge.
Besonders bei solch schwerwiegenden Erkrankungen, wie Mukoviszidose, ist Acetylcystein unverzichtbar. Der Schleim wird verflüssigt und kann leicht abgehustet werden. Umstrittener ist jedoch die langfristige Behandlung einer Bronchitis mit Acetylcystein. Der Schleim wird zwar gelöst, jedoch konnte bisher keine signifikante Verringerung des Entzündungsprozesses verzeichnet werden.
Völlig unbestritten jedoch ist die Wirkung von NAC als Antidot zur Behandlung von Paracetamolvergiftungen. Bei einer akuten Vergiftung wird Acetylcystein für ca. 20 Stunden oral oder 72 Stunden intravenös verabreicht. Auch für die Entgiftung von speziellen chemischen Giften, wie z. B. Acrylnitril, Methacrylnitril oder Methylbromid ist die Wirkung von Acetylcystein erwiesen.
Der Einsatz von acetylcysteinhaltigen Kontrastmitteln bei Röntgenuntersuchungen von nierenkranken Risikopersonen hat keine Wirksamkeit ergeben. Gegenwärtig prüft man die Wirksamkeit von Acetylcystein bei psychiatrischen Erkrankungen, wie Schizophrenie, Zwangsstörungen oder Depressionen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Ein interessantes Einsatzgebiet ist auch die Erforschung der Wirksamkeit von Acetylcystein zur Schleimlösung bei Prostatitis.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Acetylcystein, das häufig als Schleimlöser bei Atemwegserkrankungen oder als Antidot bei Paracetamol-Vergiftungen eingesetzt wird, gibt es einige wichtige Punkte zu beachten.
Die Dosierung von Acetylcystein hängt von der Indikation ab. Bei Atemwegserkrankungen, wie Bronchitis oder Mukoviszidose, beträgt die übliche Dosierung für Erwachsene in der Regel 600 mg einmal täglich oder 200-300 mg zwei- bis dreimal täglich. Kinder erhalten entsprechend niedrigere Dosen, je nach Alter und Körpergewicht. Die Einnahme erfolgt meist in Form von Brausetabletten, Granulat oder Lösung, die in Wasser aufgelöst und getrunken werden.
Bei der Behandlung einer Paracetamol-Vergiftung wird Acetylcystein intravenös verabreicht. Hier erfolgt die Dosierung nach einem speziellen Schema, das die Schwere der Vergiftung und den Zeitpunkt der Einnahme berücksichtigt. In der Regel beginnt die Behandlung mit einer hohen Anfangsdosis, gefolgt von weiteren Dosen über 20 bis 72 Stunden.
Es ist wichtig, Acetylcystein nicht auf nüchternen Magen einzunehmen, um Magenreizungen zu vermeiden. Bei Patienten mit Asthma sollte Vorsicht geboten sein, da Acetylcystein bronchiale Reaktionen hervorrufen kann. Auch bei Leber- und Nierenerkrankungen ist eine sorgfältige Überwachung notwendig.
Die Einnahme von Acetylcystein sollte immer nach den Anweisungen des Arztes oder Apothekers erfolgen, um Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Risiken & Nebenwirkungen
Bei der Anwendung von Acetylcystein sind nur sehr wenige Nebenwirkungen bekannt. Kontraindiziert ist die Anwendung jedoch bei Kindern unter 2 Jahren, bei einer bekannten Überempfindlichkeit, bei Asthma bronchiale und bei Magen-Darm-Blutungen.
Bei der oralen Verabreichung kann es in seltenen Fällen zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Auch über Sodbrennen, Kopfschmerzen und Fieber wurde berichtet. Sehr selten kann ein anaphylaktischer Schock bei intravenöser Verabreichung auftreten.
Acetylcystein sollte nicht zusammen mit Antibiotika, sondern in einem zeitlichen Abstand von 2 Stunden, eingesetzt werden, weil dessen Wirksamkeit ansonsten reduziert würde.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Acetylcystein betreffen bestimmte Patientengruppen und Gesundheitszustände, bei denen die Einnahme des Medikaments vermieden oder nur unter strenger ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte.
Eine der Hauptkontraindikationen ist eine Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Acetylcystein oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Symptome einer allergischen Reaktion können Hautausschlag, Juckreiz, Schwellungen, Atemnot oder anaphylaktische Reaktionen sein.
Patienten mit aktivem Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür sollten Acetylcystein ebenfalls nicht verwenden, da das Medikament die Schleimhäute reizen und bestehende Ulzera verschlimmern kann.
Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit Asthma bronchiale geboten. Acetylcystein kann zu Bronchospasmen führen, die eine Verschlechterung des Asthmas auslösen können. In solchen Fällen sollte die Anwendung nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen, wobei geeignete Maßnahmen zur Bronchodilatation bereitstehen sollten.
Patienten mit schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz sollten Acetylcystein nur mit Vorsicht einnehmen, da die Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigt sein könnte, was zu einer Akkumulation und potenziell toxischen Wirkungen führen kann.
Schließlich ist bei der intravenösen Anwendung von Acetylcystein zur Behandlung von Paracetamol-Vergiftungen Vorsicht geboten, insbesondere bei Patienten mit niedrigem Blutdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da es zu Blutdruckabfällen kommen kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Acetylcystein kann mit verschiedenen Medikamenten interagieren, was die Wirksamkeit oder Sicherheit der Behandlung beeinflussen kann. Eine der wichtigsten Interaktionen besteht mit Antitussiva (Hustenstillern). Da Acetylcystein als Schleimlöser wirkt und den Abtransport von Schleim fördert, kann die gleichzeitige Einnahme von hustenstillenden Mitteln den Hustenreflex unterdrücken und zu einem gefährlichen Schleimstau führen.
Eine weitere potenzielle Interaktion betrifft Nitroglyzerin (Glyceroltrinitrat), das zur Behandlung von Angina pectoris eingesetzt wird. Acetylcystein kann die blutdrucksenkende Wirkung von Nitroglyzerin verstärken, was zu einem stärkeren Blutdruckabfall und Schwindel führen kann. Allerdings wird diese Kombination in bestimmten Fällen therapeutisch genutzt, da Acetylcystein die vasodilatierende Wirkung von Nitroglyzerin unterstützen kann.
Bei der gleichzeitigen Einnahme von Antibiotika wie Penicillinen, Cephalosporinen, Tetracyclinen und Aminoglykosiden sollte Acetylcystein zeitlich versetzt eingenommen werden, um eine potenzielle Wechselwirkung zu vermeiden, die die Wirksamkeit der Antibiotika verringern könnte. Ein zeitlicher Abstand von mindestens zwei Stunden wird empfohlen.
Auch bei der Einnahme von Aktivkohle kann es zu Wechselwirkungen kommen, da Aktivkohle die Resorption von Acetylcystein im Magen-Darm-Trakt vermindern kann, wodurch die Wirkung abgeschwächt wird.
Patienten sollten ihren Arzt oder Apotheker über alle eingenommenen Medikamente informieren, um potenzielle Interaktionen zu vermeiden und eine sichere Anwendung von Acetylcystein zu gewährleisten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Acetylcystein nicht vertragen wird, gibt es mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe, die zur Schleimlösung und Behandlung von Atemwegserkrankungen eingesetzt werden können.
Eine gängige Alternative ist Ambroxol, ein Mukolytikum, das den Schleim in den Atemwegen verflüssigt und den Abtransport erleichtert. Ambroxol wird oft gut vertragen und bietet ähnliche Vorteile wie Acetylcystein bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Bronchitis oder Mukoviszidose.
Ein weiterer Wirkstoff ist Bromhexin, das ebenfalls schleimlösende Eigenschaften besitzt. Bromhexin wird häufig in Kombination mit anderen Wirkstoffen in Hustensäften oder Tabletten angeboten und kann helfen, den Schleim in den Bronchien zu verflüssigen und das Abhusten zu erleichtern.
Guaifenesin ist ein Expektorans, das die Schleimproduktion erhöht und das Abhusten erleichtert. Es wird oft in rezeptfreien Hustenmitteln verwendet und ist besonders nützlich bei produktivem Husten, um den Schleim abzutransportieren.
Bei pflanzlichen Alternativen kommen Thymian- und Efeuextrakte zum Einsatz, die schleimlösende und entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. Diese Pflanzenextrakte werden oft in Sirupen oder Tees verwendet und bieten eine natürliche Option zur Linderung von Husten und zur Schleimlösung.
Neben diesen Wirkstoffen kann inhalative Salzlösungen eine unterstützende Rolle spielen, indem sie die Atemwege befeuchten und den Schleim lösen. Dies ist besonders bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen eine schonende und effektive Methode.
Die Wahl der Alternative sollte immer in Absprache mit einem Arzt erfolgen, um die beste und sicherste Behandlung für den individuellen Fall zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor