Reye-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Reye-Syndrom, benannt nach dem australischen Kinderarzt Ralph Douglas Reye, handelt es sich um eine akute Stoffwechselerkrankung, die mit Schädigungen des Gehirns und der Leber einhergeht. Das Reye-Syndrom betrifft schwerpunktmäßig Kinder.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Reye-Syndrom?

Wissenschaftler nehmen an, dass die Erreger von Grippe oder Windpocken ebenso dafür verantwortlich sein können, wie bestimmte Arzneistoffe. Das Reye-Syndrom tritt in Verbindung mit abklingenden viralen Infektionen auf.
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Das Reye-Syndrom tritt stest in der Folge einer vorausgegangenen Virusinfektion, im besonderen Grippe oder Windpocken, auf. Rund eine Woche nach Abklingen der eigentlichen Erkrankung kommt es zu starkem und häufigem Erbrechen und hohem Fieber.

Die Kinder wirken oft unruhig, mitunter sogar hyperaktiv und leicht reizbar. Der Blutzuckerspiegel kann stark absinken. In schweren und fortgeschrittenen Fällen kann es zu Krampfanfällen, Spastiken, Bewusstseinstrübung und Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma kommen. Rund zwei Drittel der Patienten mit schweren Verlaufsformen erleiden ein Ödem im Gehirn.

Grundsätzlich kann das Reye-Syndrom in jedem Lebensalter auftreten; es sind jedoch meistens Kinder zwischen vier und zwölf Jahren betroffen. Die Erkrankung tritt bei Mädchen und Jungen unterschiedslos häufig auf. Das Reye-Syndrom ist eine äußerst seltene Erkrankung, die jedoch gravierende Folgen nach sich ziehen kann und unbedingt medizinischer Behandlung bedarf.

Ursachen

Beim Reye-Syndrom kommt es zu einer Schädigung der Mitochondrien, welche wiederum den Stoffwechsel bestimmter Organe empfindlich beeinträchtigt. In der Folge kommt es zu einer Übersäuerung des Körpers sowie einer Anreicherung von Ammoniak und Fettsäuren in der Leber, was zum Leberversagen führen kann.

Die Anreicherung von Ammoniak kann zur Bildung eines Hirnödems führen. Wiewohl die genaue Ursache des Reye-Syndroms nicht bekannt ist, wurde es gehäuft in solchen Fällen beobachtet, in denen Patienten mit Virusinfektionen mit acetylsalicylsäurehaltigen Medikamente behandelt worden waren. Seit dem Bekanntwerden dieses Zusammenhanges konnte durch entsprechend angepasste Therapieempfehlungen ein allgemeiner Rückgang des Reye-Syndroms verzeichnet werden.

Der genaue Zusammenhang zwischen Acetylsalicylsäure und dem Reye-Syndrom konnte dabei bisher jedoch nicht geklärt werden; eine genetische Disposition wird vermutet. Bei Kindern unter zwei Jahren, die am Reye-Syndrom erkranken, wird meist eine angeborene Stoffwechselstörung als Ursache angenommen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Beim Reye-Syndrom handelt es sich um eine Funktionsstörung des Zellapparates. Die Krankheit tritt zumeist nur bei Kindern und Jugendlichen auf. Hauptsächlich werden die Leber und das Gehirn angegriffen. Das Reye-Syndrom kann dabei einen tödlichen Verlauf nehmen. Die Untersuchungen bezüglich der Ursachen sind noch nicht abgeschlossen.

Wissenschaftler nehmen an, dass die Erreger von Grippe oder Windpocken ebenso dafür verantwortlich sein können, wie bestimmte Arzneistoffe. Das Reye-Syndrom tritt in Verbindung mit abklingenden viralen Infektionen auf. Das erste Anzeichen dabei ist häufiges Erbrechen. Übelkeit tritt dagegen nicht auf. Die kleinen Patienten wirken ruhelos und verwirrt, sind kraftlos und kaum ansprechbar.

Typisch für die Krankheit sind auch Krampfanfälle. Nicht selten fallen die Patienten ins Koma. Durch die Ansammlung von Flüssigkeit kommt es zu einem erhöhten Hirndruck. Dadurch werden wichtige Nervenbahnen in Mitleidenschaft gezogen. Ebenso kommt es zu einer Leberverfettung.

Durch die damit einhergehende Funktionsstörung kann es zu verschiedenen Beeinträchtigungen des Stoffwechsels kommen. Ein Indiz ist zum Beispiel Unterzuckerung. Häufig verfärbt sich die Haut gelblich. Nach einer Blutentnahme wird eine verlängerte Blutgerinnungszeit festzustellen sein. Die Symptomatik ähnelt einer Blutvergiftung oder einer Hirnhautentzündung und ist daher, ohne eingehende Untersuchung, nicht leicht abzugrenzen.

Diagnose & Verlauf

Da das Reye-Syndrom äußerst selten ist - in den USA wird von jährlich rund 50 Fällen ausgegangen - wird es häufig nicht erkannt. Auch sind die Symptome relativ unspezifisch und werden häufig fehlgedeutet und als Hirnhautentzündung oder angeborene Stoffwechselstörung fehldiagnostiziert.

Die Diagnose kann anhand von Blut- und Urintests gestellt werden. Hierbei zeigen sich erhöhte Leberenzyme, Störungen der Blutgerinnung, eine erhöhte Konzentration von Ammoniak sowie häufig ein zu niedriger Blutzuckerspiegel. Zur Absicherung der Diagnose kommen bildgebende Verfahren oder eine Leberbiopsie zum Einsatz, bei der Veränderungen der Mitochondrien und eine Verfettung der Leber festgestellt werden.

Anhand der Hirnströme kann der Anstieg des Hirninnedrucks nachgewiesen werden. Anamnestisch ist außerdem die vorausgegangene Einnahme von acetylsalicylsäurehaltigen Medikamenten bei einer Virusinfektion von Bedeutung.

Unbehandelt stellt das Reye-Syndrom eine lebensbedrohliche Erkrankung dar, die in rund einem Viertel der Fälle tödlich endet. Etwa 30% der Patienten erleiden neurologische Folgeschäden wie Sprach- oder Lernprobleme. Das Reye-Syndrom ist nicht ansteckend.

Komplikationen

Das Reye-Syndrom an sich stellt eine sehr schwere Komplikation einer Virusinfektion dar und betrifft in der Regel Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren. In bis zu 50 Prozent aller Fälle versterben die Patienten an schweren Komplikationen, die besonders das Gehirn und die Leber betreffen. Leider gibt es keine kurative Therapie.

Die Behandlung besteht lediglich darin, die schweren Symptome zu lindern, um das Überleben der Betroffenen zu sichern. In vielen Fällen, in denen die Kinder überlebt haben, bleiben neurologische Störungen zurück, die aufgrund von Hirnschädigungen entstehen. So können lebenslang Lähmungen, Sprachstörungen oder geistige Einschränkungen bestehen bleiben. Hauptmerkmal des Reye-Syndroms sind Leber- und Hirnschädigungen. Die Leber entwickelt sich zur Fettleber, die in ihrer Funktion stark eingeschränkt ist.

Schließlich kann es sogar zu einem Leberversagen kommen, welches in schweren Fällen auch eine Lebertransplantation notwendig macht. Da die Funktionen von Leber und Nieren eng miteinander verknüpft sind, kann es auch zu Nierenschäden bis zum Nierenversagen kommen. Gleichzeitig ist das Gehirn betroffen. Der Hirndruck erhöht sich durch Flüssigkeitsansammlung (Hirnödem).

Das Hirnödem ist verantwortlich für die schwersten Komplikationen des Reye-Syndroms. Bei circa 60 Prozent der betroffenen Kinder entwickelt sich das Vollbild des Reye-Syndroms, welches neben Leberfunktionsstörungen auch durch Verwirrtheit, Gereiztheit, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma gekennzeichnet ist. Dreiviertel der Erkrankten mit voll ausgeprägtem Reye-Syndrom überleben die Krankheit nicht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Reye-Syndrom sollte immer durch einen Arzt untersucht und behandelt werden. Es kommt bei dieser Erkrankung in der Regel nicht zu einer Selbstheilung. Da es sich bei der Erkrankung um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann diese nicht vollständig geheilt werden. Dem Betroffenen steht allerdings auch eine genetische Beratung zu, damit das Reye-Syndrom nicht an die nächste Generation vererbt wird.

Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene über einen längeren Zeitraum an einer starken Übelkeit oder sogar an Erbrechen leidet. Dabei sind die Patienten häufig verwirrt oder auch kaum ansprechbar und können mit anderen Menschen nicht kommunizieren. Auch eine dauerhafte Unterzuckerung kann auf das Reye-Syndrom hindeuten und sollte untersucht werden. Im schlimmsten Falle kann der Betroffene bei einem unbehandelten Reye-Syndrom eine Blutvergiftung oder eine Entzündung der Hirnhaut erleiden, welche auch tödlich verlaufen kann. In erste Linie sollte bei den Beschwerden ein Allgemeinarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung erfolgt durch einen Facharzt.

Behandlung & Therapie

Es gibt keine spezifische, ursächliche Therapie für das Reye-Syndrom. Die Behandlung beschränkt sich auf die Linderung der akuten Symptome sowie die Schadensbegrenzung hinsichtlich schwerer Verlaufsformen wie Leberversagen oder Koma.

Dies bedarf einer intensivmedizinishen stationären Behandlung unter engmaschiger ärztlicher Betreuung. Durch eine Kanüle kann die Versorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen sichergestellt werden. Gegebenenfalls wird der Hirndruck durch spezifische Medikamente gesenkt. Teilweise ist eine künstliche Beatmung des Patienten nötig.

Das Reye-Syndrom stellt einen medizinischen Notfall dar. Bei Verdacht auf diese Erkrankung sollte schnellstmöglich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden, da eine zeitnahe medizinische Intervention ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern kann und das Risiko von Folgeschäden somit senkt.


Vorbeugung

Das das Reye-Syndrom in Zusammenhang mit der Gabe von acetylsalicylsäurehaltigen Medikamenten beobachtet wurde, sollten diese Medikamente (bspw. Aspirin) Kindern und Jugendlichen mit fiebrigen Erkrankungen möglichst nicht verabreicht werden. Es stehen zur Fiebersenkung und Schmerzbekämpfung andere Medikamente zur Verfügung, die nicht mit dem Risiko eines Reye-Syndroms behaftet sind. Hierzu sollte der Kinderarzt konsultiert werden.

Nachsorge

Das Reye-Syndrom gilt als unheilbar. Es kann nur eine symptomatische Nachsorge erfolgen, um die verschiedenen Beschwerden zu reduzieren und die Überlebenschancen zu erhöhen. Eine medikamentöse Behandlung ist wichtig, um die Entzündung und Schwellung des Gehirns zu senken. Hier ist unterstützend eine Hochlagerung des Oberkörpers angeraten.

Da es durch die Leberschädigung zu einer Einschränkung deren Funktion kommt, kann es in schweren Fällen notwendig sein, den Stoffwechsel und die Blutgerinnung künstlich zu unterstützen. Dies erfolgt durch Gabe von Natriumbenzoat, um den Ammoniakspiegel im Blut zu senken, sowie durch eine Peritonealdialyse. In besonders schweren Fällen kann ein Lebertransplantat nötig sein.

Auch die Niere muss medikamentös behandelt werden, damit die Urinausscheidung aufrechterhalten und ein Nierenversagen vermieden wird. Weiterhin muss auch die Funktion der restlichen Organe, wie Herz und Lunge überwacht werden, da durch die Schädigung des Hirns eine künstliche Beatmung notwendig sein kann.

Die Erkrankung hat eine Vielzahl an Auswirkungen und kann zudem weitere Organe betroffen und bleibende Lähmungen und Sprachstörungen verursachen. Daher ist eine regelmäßige Kontrolle beim Arzt dringend angeraten, um den Verlauf des Reye-Syndroms zu überprüfen.

Die Prognose ist leider eher schlecht. Über die Hälfte der Betroffenen sterben und die Überlebenden haben lebenslange schwere neurologische Beeinträchtigungen. Eine rechtzeitige Erkennung der Krankheit und folgende Therapie kann die Überlebenschancen jedoch erhöhen.

Das können Sie selbst tun

Das Reye-Syndrom ist ein medizinischer Notfall. Wenn Anzeichen der akuten Stoffwechselstörung auftreten, muss umgehend der Notarzt gerufen werden. Bis ärztliche Hilfe eintrifft, ist das Kind oder der Jugendliche ruhig zu stellen. Eltern sollten den Betroffenen beruhigen und sicherstellen, dass dieser nicht das Bewusstsein verliert. Handelt es sich um eine angeborene Störung, muss der Notarzt darüber informiert werden. Gegebenenfalls sind entsprechende Notfallmedikamente zu verabreichen.

Nach der initialen Behandlung muss der Erkrankte im Krankenhaus versorgt werden. Begleitend dazu gelten Ruhe und Schonung. Zudem sollten die Ursachen der akuten Stoffwechselstörung ermittelt werden. Da das Leiden vorwiegend bei Kindern auftritt, ist ein Gespräch mit dem Kinderarzt vonnöten. Der Mediziner kann geeignete die regelmäßigen Verlaufskontrollen durchführen und das Kind altersgerecht über die Erkrankung aufklären.

Nach einem medizinischen Notfall kann es zu Folgeschäden von Leber und Gehirn kommen. Zudem können neurologische Störungen zurückbleiben, die, begleitend zur Physiotherapie, durch regelmäßige Bewegung behandelt werden müssen. Das betroffene Kind darf nicht mit möglichen Auslösern in Kontakt geraten. Die Eltern sollten die Medikation überprüfen und gegebenenfalls umstellen, damit mögliche Auslöser wie Acetylsalicylsäure nicht in den Körper gelangen. Bei angeborenen Stoffwechselstörungen sollte ebenfalls auf den Einsatz entsprechender Arzneimittel verzichtet werden.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Koletzko, B.: Kinder- und Jugendmedizin. Springer Medizin Verlag, Berlin 2007
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

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