Ruffini-Körperchen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Ruffini-Körperchen sind Mechanorezeptoren der Klasse SA II, die in der Dermis, der Haut der Zahnwurzel und den Gelenkkapseln vorkommen. Die Rezeptoren registrieren intero- und exterozeptiven Druck oder Dehnung und leiten diese Reize über das Rückenmark ans Gehirn. Mutationen der Rezeptoren sind meist mit Missempfindungen verbunden.
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Was ist das Ruffini-Körperchen?
Die erste Instanz der menschlichen Wahrnehmung sind die sogenannten Sinneszellen. Die mit wichtigsten Sinneszellen des Tastsinns sind die Mechanorezeptoren, die Reize wie Druck, Berührungen und Vibrationen detektieren und in die Sprache des zentralen Nervensystems übersetzen.
Der Hautsinn verfügt über verschiedene Mechanorezeptoren, die entweder in die Gruppe der SA-Rezeptoren, der RA-Rezeptoren oder der PC-Rezeptoren fallen. Die Ruffini-Körperchen sind Mechanorezeptoren aus der Klasse der SA-II-Rezeptoren. Dabei handelt es sich um langsam adaptierende Sinneszellen, die eine gewisse Ruheaktionspotentialfrequenz aufweisen und insbesondere auf Dehnungsreize reagieren. Die Zellen sind nach dem italienischen Anatomen Angelo Ruffini benannt, der als Erstbeschreiber der dieser Rezeptoren gilt. Als SA-II-Rezeptoren sind Ruffini-Körperchen anders als SA-I-Rezeptoren im Ruhezustand nicht inaktiv und besitzen eine Ruheaktionpotentialfrequenz von mehr als 0.
Anatomie & Aufbau
Auf der gegenüberliegenden Seite ihres Eintritts treten sie wieder aus den Zellen aus. Wie andere Mechanorezeptoren sind auch die Ruffini-Körperchen mit freien Nervenendigungen ausgestattet und sind damit frei den Reizen der Umgebung ausgesetzt. Die Endigungen der Nervenfasern liegen spiralförmig zwischen den Faserbündeln aus Kollagenfasern. Die Afferenz wird von isolierendem Myelin umschlungen, das die Leitfähigkeit der Nerven verbessert und Potenzialverlusten entgegenwirkt. Die myelinisierten Afferenzen der Ruffini-Körperchen weisen eine Stärke von rund 5 µm auf.
Funktion & Aufgaben
Wie alle anderen Mechanorezeptoren sind die Ruffini-Körperchen dafür zuständig, Druck und Berührung zu detektieren und nach einer Übersetzung in die Sprache des zentralen Nervensystems bis ans Gehirn weiterzuleiten. Die Ruffini-Körperchen in der Dermis der Haut sind sogenannte Exterozeptoren. Sie sind damit für die Wahrnehmung von äußeren Berührungsreizen zuständig und reagieren sowohl auf Druck, als auch horizontale Dehnung. Davon sind die Ruffini-Körperchen in den Gelenkkapseln zu unterscheiden.
Sie fallen in die Klasse der Interozeptoren und befassen sich so mit der Reizwahrnehmung aus dem eigenen Inneren. Die Ruffini-Körperchen der Gelenkkapseln spielen vor allem für die Tiefensensibilität und ihren Stellungssinn eine Rolle und zählen damit zu den Propriozeptoren. Sie registrieren in der Gelenkkapsel die Stellung und Auslenkungsgeschwindigkeit von Gelenken, indem sie auf Druckzusammenhänge reagieren. Ruffini-Körperchen generieren bei einwirkenden Reizen ein sogenanntes Aktionspotenzial, das das Potenzial der Zellen im Ruhezustand überschreitet. Dieses Aktionspotenzial wandert über die afferenten Nerven der Zellen über das Rückenmark ins zentrale Nervensystem. Erst im Gehirn wird der Reiz verarbeitet, sensorisch integriert, klassifiziert und interpretiert.
Durch die Ruffini-Körperchen in der Dermis spürt der Mensch Berührungen verschiedener Intensität. Die Ruffini-Körperchen in den Gelenkkapseln geben dem Menschen außerdem eine Selbstwahrnehmung, die ihn zu jeder Zeit über seine eigene Körperlage in Kenntnis setzt. Dieser Zusammenhang ist zum Beispiel erforderlich, um exakt gelenkte Bewegungen zu vollziehen. Ohne Stellungsinformationen aus den Gelenken wäre zum Beispiel das Risiko für Ausrenkung und Übersteuerung bedeutend höher angesiedelt. Die propriozeptiven Ruffini-Körperchen arbeiten eng mit den ebenfalls propriozeptiven Muskelspindeln zusammen, die vor allem Informationen über die Muskelspannung zur Dosierung der Muskelkraft sammeln.
Krankheiten
Mutationen der Ruffini-Körperchen rufen einen Defekt derselben hervor: die betroffenen Rezeptoren können so zum Beispiel keine Liganden mehr binden, keine Signale mehr weitergeben oder die Reize nicht mehr in die Sprache des zentralen Nervensystems übersetzen. Teilweise bewirken Mutationen von Rezeptoren wie den Ruffini-Körperchen auch eine unzureichende Herstellung oder einen mangelnden Einbau der Rezeptoren in die Membran. Teilweise werden auch die sogenannten Ionenkanal-Krankheiten zu den rezeptorassoziierten Erkrankungen gezählt. Dasselbe gilt für Autoimmunerkrankungen, die Autoantikörper gegen die Rezeptorstrukturen bilden und auf diese Weise Entzündungen in der Rezeptoren hervorrufen.
Auch Vergiftungen können Rezeptoren wie die Ruffini-Körperchen beschädigen. Letztlich liegen die meisten Beschwerden im Bereich der Mechanorezeptoren aber im Grund nicht an den Rezeptoren selbst, sondern an den damit verbundenen Nerven oder sogar im Gehirn, wo die Auswertung der Berührungsinformationen stattfindet. Viele neurologische Erkrankungen können so zum Beispiel zu einer fehlerhaften oder gar ausbleibenden Berührungsempfindung und Stellungsempfindung führen. Eine der häufigsten dieser Erkrankungen ist Multiple Sklerose.
Diese Erkrankung ruft autoimmunologisch bedingte Entzündungen im Nervengewebe des zentralen Nervensystems hervor und kann so sowohl das Gehirn, als auch die zuleitenden Bahnen des Rückenmarks betreffen. Obwohl die Ruffini-Körperchen intakt sind, können sie die registrierten Informationen nach einer Schädigung ihrer Afferenzen nicht mehr ans zentrale Nervensystem weiterleiten. Die Folge dessen sind teils nicht nur Missempfindungen von äußerem Druck. Auch die Unfähigkeit zur Dosierung von Gelenkauslenkungen kann eine Folge von geschädigten Afferenzen der Ruffini-Körperchen sein.
Quellen
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010