Tastsinn

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Tastsinn setzt sich aus den Rückmeldungen mehrerer unterschiedlicher Sensoren in der Haut zusammen, die vom Gehirn verknüpft und ausgewertet werden und uns als taktile Wahrnehmung zur Verfügung steht. Das kann eine Wahrnehmung eines passiven Berührtwerdens oder eines aktiven Berührens betreffen.

Im weiteren Sinne gehören auch Schmerz- und Temperaturempfinden zur taktilen Wahrnehmung und damit zum Tastsinn. Die Beschäftigung mit dem Tastsinn und aller verwandten Themen lässt sich unter den Begriff Haptik einordnen. Einige Autoren verwenden den Begriff Haptik allerdings nur für aktives Berühren und den Begriff taktil nur im Sinne von berührt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Tastsinn?

Der Tastsinn setzt sich aus den Rückmeldungen mehrerer unterschiedlicher Sensoren in der Haut zusammen, die vom Gehirn verknüpft und ausgewertet werden und uns als taktile Wahrnehmung zur Verfügung steht.

Der Tastsinn betrifft alle taktilen Wahrnehmungen und setzt sich aus den Rückmeldungen verschiedener Mechanorezeptoren in der Haut und den Schleimhäuten zusammen.

Unter den Mechanorezeptoren, die hauptsächlich auf Druck und Vibrationen ansprechen, gibt es langsam adaptierende und schnell adaptierende Sensoren. Die langsam adaptierenden Rezeptoren haben den Vorteil, dass sie z. B. Druckempfinden über einen längeren Zeitraum - solange der mechanische Reiz anhält - rückmelden können, während die schnell adaptierenden Rezeptoren nur zu Beginn und bei Beendigung einer mechanischen Belastung rückmelden können, also immer nur bei Änderung des mechanischen Reizes.

Im weiteren Sinn gehören auch das Temperatur- und Schmerzempfinden zur taktilen Wahrnehmung und damit auch Sensoren wie Nozizeptoren für Schmerzmeldungen und Thermorezeptoren für das Temperaturempfinden.

Die meisten Mechanorezeptoren sind mit speziellen Sensorköpfen ausgestattet, die mit Ausnahme der Vater-Pacini-Tastkörperchen in die mittlere Hautschicht, die Dermis oder Lederhaut, hineinragen. Thermorezeptoren und Nozizeptoren verfügen nicht über spezielle Sensorköpfe, sondern nur über verzweigte Nervenendigungen in der Lederhaut.

Die Verteilung der einzelnen Sensoren auf der Haut ist sehr unterschiedlich. An den Fingerkuppen (Fingerbeeren), der Zungenspitze, den Lippen und unter den Fußsohlen wird die größte Dichte an Rezeptoren erreicht.

Funktion & Aufgabe

Der Tastsinn ist sehr wichtig zur „Erfassung“ der unmittelbaren Umwelt. Die wichtigste Primäraufgabe besteht darin, vor direkten Gefahren und Verletzungsgefährdung zu warnen, die durch Stacheln und Dornen oder durch gefährlich heiße oder kalte Temperaturen bestehen können.

Eine weitere wichtige Aufgabe liegt darin, Informationen über die Beschaffenheit von Gegenständen zu erlangen. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Mechanorezeptoren entsteht ein realistisches Bild des unmittelbaren Umfeldes.

Die Vater-Pacinischen-Tastkörperchen werden zu den schnell adaptierenden Sensoren gerechnet. Sie übermitteln großflächige Berührungen, Druck und Vibrationen nur zu Beginn und dann erst wieder nach einer Veränderung der Berührung oder des Drucks, wohingegen z. B. die sogenannten Merkel-Zellen kleinräumiger arbeiten, aber nachhaltige Signale abgeben. Sie werden zu den langsam adaptierenden Sensoren gerechnet und sind daher in der Lage, die empfundene Berührung oder Druck mit einer bestimmten Wiederholfrequenz laufend zu melden, solange sich die Druck- oder Berührungssituation nicht ändert.

Zum Teil dienen die Mechanorezeptoren auch unterstützenden propriozeptiven Zwecken, also der Feststellung der Körperlage im Raum. Z. B. unterstützen Rezeptoren in den Fußsohlen den aufrechten Stand, indem sie Druckpunktwanderungen im Fuß durch Schwerpunktverlagerung infolge Schwankens sofort an das Gehirn melden. Das Gehirn kann mit unbewussten Gegenreaktionen in Form von gezielten Muskelanspannungen Korrekturbewegungen durchführen, so dass ein Umfallen vermieden wird.

Über die rein technische Komponente der Erkundung der Beschaffenheit bestimmter Gegenstände oder der Gefahrenabwendung kommt dem Tastsinn auch eine häufig unterschätzte Funktion der sozialen Interaktion zu. Das Berühren oder Abtasten lebloser Gegenstände kann bereits Einfluss auf die momentane Stimmung nehmen. Einen „handschmeichlerischen“ Gegenstand in die Hand zu nehmen, stimmt positiv obwohl der Gegenstand in keine direkte Interaktion mit der berührenden Person eintritt.

Um so stärker kann die Psyche reagieren bei der Berührung einer anderen Person. Um dem Bedürfnis nach gegenseitiger Berührung einerseits und möglicher Fehlinterpretationen andererseits Rechnung zu tragen, haben praktisch alle Gesellschaften rituelle Körperkontakte entwickelt, die von Mitgliedern der Gesellschaft akzeptiert werden. Dazu gehört auch das Händeschütteln bei einer persönlichen Begrüßung.

Das gesamte Kommunikationspotenzial, das sich hinter interaktiver Körperberührung verbirgt, offenbart sich erst bei freundschaftlicher und bei exklusiv-intimer Berührung. Berührungsreize durch Streicheln können vom Gehirn ins limbische System geleitet werden, das die Synthese des „Glückshormons“ Oxytocin im Hypothalamus anregt und die Konzentration von Stresshormonen wie Cortisol nimmt ab. Gleichzeitig stellt sich eine Verstärkung der sozialen Bindung ein.


Krankheiten & Beschwerden

Erkrankungen, die direkt einige wenige der Tausenden von Rezeptoren des Tastsinns betreffen und zu regional begrenzten Beeinträchtigungen oder Ausfällen des Tastsinns führen, sind eher selten. Weitaus häufiger sind Krankheiten und Beeinträchtigungen, die durch Probleme bei der neuronalen Reizweiterleitung oder bei der Reizverarbeitung in bestimmten Gehirnarealen entstehen.

Symptome und Beschwerden, die auftreten können, sind in erster Linie eine Beeinträchtigung der taktilen Empfindungen bis hin zu einem Taubheitsgefühl. Es können sich auch Wahrnehmungsstörungen einstellen oder ein Kribbeln oder „Ameisenlaufen“ wahrgenommen werden.

Es gibt zahlreiche Krankheiten, die unter anderem Störungen des Tastsinns im Gepäck führen. Es handelt sich dabei fast immer um Sekundärschäden, die eine Beeinträchtigung der betroffenen Nerven infolge verminderter Sauerstoffversorgung verursachen.

In einigen Fällen kann die Minderversorgung auch durch mechanische Probleme wie Bandscheibenvorfall oder Verengung bestimmter Knochenrinnen für die Nerven (z. B. Karpaltunnelsyndrom) ausgelöst werden.

Da die Hautsensoren besonders empfindlich auf Beeinträchtigungen der nervlichen Reizleitungen reagieren, können die Symptome auch als Frühindikatoren einer möglicherweise sich entwickelnden Polyneuritis, einer systemisch bedingten Schädigung mehrerer Nerven, dienen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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