Stiff-Man-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Stiff-Man-Syndrom (SMS) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, welche das zentrale Nervensystem und die endokrinen Drüsen betrifft. Es ist durch einen permanent erhöhten Muskeltonus von Rücken- und Hüftmuskulatur gekennzeichnet. Das Syndrom kann sowohl spontan als auch als paraneoplastisches Syndrom auftreten.
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Was ist das Stiff-Man-Syndrom (SMS)?
Das Stiff-Man-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung, die sich durch die allmähliche Versteifung der Muskulatur bemerkbar macht. Dabei sind hauptsächlich Rücken- und Hüftmuskulatur betroffen. Allerdings können auch die Beinmuskulatur und sogar die Armmuskulatur versteifen. Meist handelt es sich um eine Erkrankung der unteren Extremitäten, wobei es zu einer symmetrischen Beteiligung der entsprechenden Muskelgruppen kommt. Im Falle eines paraneoplastischen Syndroms kann die Erkrankung auch an der Armmuskulatur beginnen.
Es ist eine Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems und der endokrinen Drüsen. Daher liegen oft Muskeltonuserhöhungen und hormonelle Störungen gleichzeitig vor. Der Name Stiff-Man-Syndrom ergibt sich aus der Übersetzung „stiff man“ für „steifer Mann“. Seit einiger Zeit wird die Erkrankung auch durch den neutralen Begriff Stiff-Person-Syndrom bezeichnet.
Das Stiff-Man-Syndrom oder Stiff-Person-Syndrom ist durch das Auftreten mehrerer Varianten gekennzeichnet. So gibt es neben dem klassischen SMS auch das Stiff-Leg-Syndrom (SLS) mit Versteifung der Beinmuskulatur, die progrediente Encephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonien (PERM) und die paraneoplastische SMS.
Während das paraneoplastische Stiff-Man-Syndrom die Folge einer Krebserkrankung ist, kommt das klassische SMS spontan vor. Es gibt auch Krankheitsentwicklungen, bei denen ein SLS in ein SMS und schließlich in eine progrediente Encephalomyelitis übergeht.
Ursachen
Antikörper gegen Glutamatdecarboxylase kommen auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise dem Diabetes vom Typ 1 vor. Deshalb tritt das Stiff-Man-Syndrom oft mit anderen hormonbedingten Erkrankungen auf. Eine weitere Variante des SMS ist die Folge einer Krebserkrankung der Brust oder der Lungen.
Zusätzlich zur Hemmung von GABA bilden sich bei der paraneoplastischen SMS auch Antikörper gegen das Enzym Amphiphysin. Dieses Enzym ist am Zellwachstum von Nervenzellen beteiligt. Die Einschränkung der Funktion von Glutamatdecarboxylase und Amphiphysin erklärt die neurologische Symptomatik der Erkrankung.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Stiff-Man-Syndrom ist durch eine Vielzahl von Symptomen gekennzeichnet, die motorischer, vegetativer, psychiatrischer, orthopädischer oder endokrinologischer Natur sind. Das Leitsymptom ist eine zunehmende chronische Tonuserhöhung der Rücken- und Lendenmuskulatur. Die motorischen Veränderungen bei dieser Erkrankung zeichnen sich durch Gangstörungen, Rigidität (Steifheit), gesteigerte Eigenreflexe, Spasmen und häufige Stürze bei vollem Bewusstsein aus.
Vegetativ äußern sich die Symptome in häufigem Schwitzen, einer Pupillenweitstellung, Bluthochdruck, erhöhter Herzfrequenz und Atembeschwerden. Psychiatrisch können Symptome in Form von Angstattacken und erhöhter Schreckhaftigkeit auf banale Außenreize hinzukommen.
Orthopädische Symptome sind unter anderem das Auftreten einer Hyperlordose, Gelenkversteifungen, ständiges Ausrenken von Gelenken und spontan auftretende Knochenbrüche. Schließlich ist das Stiff-Man-Syndrom häufig mit endokrinen Erkrankungen wie Diabetes mellitus vom Typ 1 und Schilddrüsenerkrankungen (Über- und Unterfunktionen) vergesellschaftet.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Zur Diagnose der Erkrankung ist eine Vielzahl von Untersuchungen erforderlich. Diese stützen sich auf die Anamnese der Krankengeschichte, elektromyografische Untersuchungen, klinisch-neurologische Untersuchungen sowie den Nachweis von Antikörpern und Autoantikörpern. Bei der elektromyografischen Untersuchung wird der Tonus der Muskulatur bestimmt.
Dieser ist bei Vorliegen des Syndroms auch erhöht, wenn der Patient versucht, sich zu entspannen. Des Weiteren werden bei 60 bis 90 Prozent aller Patienten Antikörper gegen das Enzym Glutamatdecarboxylase gefunden. Bei einer paraneoplastischen SMS treten zusätzlich noch Antikörper gegen das Enzym Amphiphysin auf. Wenn diese Antikörper gefunden werden, schließt sich noch eine Suche nach der zugrunde liegenden Krebserkrankung an.
Da sowohl die Antikörper gegen Glutamatdecarboxylase als auch gegen Amphiphysin jedoch auch bei anderen Krankheiten auftreten, wird der Nutzen dieser Untersuchung hinsichtlich der Aufklärung eines Stiff-Man-Syndroms häufig infrage gestellt.
Komplikationen
Das Stiff-Man-Syndrom nimmt einen schleichenden Verlauf und ruft mit dem Fortschreiten der Erkrankung schwere Komplikationen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten hervor. Gangstörungen, Spasmen, Rigidität und andere typische Bewegungsstörungen sind immer mit einer erhöhten Unfallgefahr verbunden. Die Betroffenen leiden aufgrund dieser Beschwerden oft psychisch – es entwickeln sich Ängste und das Sozialleben wird immer weiter reduziert.
Zu dieser Abkapselung tragen auch Symptome wie häufiges Schwitzen und Angstattacken bei. Bluthochdruck und Atembeschwerden begünstigen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Patienten, die bereits an einer anderen Erkrankung des Herzens leiden, können im Extremfall einen Herzinfarkt erleiden.
Des Weiteren kann das Stiff-Man-Syndrom zu neurologischen Ausfallerscheinungen und einer Abnahme der mentalen Fähigkeiten führen. Im späteren Stadium kommt es immer wieder zu spontan auftretenden Knochenbrüchen und dem Ausrenken von Gelenken. Die Behandlung dieser Beschwerden ist oft langwierig und selbst mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden.
So ist die medikamentöse Behandlung mit Baclofen oder Benzodiazepinen äußerst risikobehaftet, da die Wirkstoffe zu schweren Wechselwirkungen führen können. Eine operative Behandlung der Frakturen gestaltet sich aufgrund der Gefahr von weiteren Krämpfen als schwierig.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Der Betroffene ist beim Stiff-Man-Syndrom auf eine medizinische Behandlung durch einen Arzt angewiesen. Es handelt sich um eine schwerwiegende Krankheit, bei welcher es nicht zu einer Selbstheilung kommen kann. Wird die Krankheit nicht richtig behandelt, kann es zu starken Komplikationen kommen, welche den Alltag des Betroffenen deutlich einschränken können. Daher sollte schon bei den ersten Beschwerden des Stiff-Man-Syndroms ein Arzt aufgesucht werden. Der Besuch eines Arztes ist dann notwendig, wenn der Betroffene an starken Gangstörungen leidet.
In der Regel treten dabei Einschränkungen in der Bewegung auf, die den Alltag des Patienten erschweren. Weiterhin sollte ein Arzt auch dann besucht werden, wenn es zu einem starken und übermäßigen Schwitzen kommt, wobei die meisten Betroffenen auch an einem erhöhten Blutdruck leiden. Nicht selten können dabei auch steife Gelenke oder Beschwerden an den Muskeln auf das Stiff-Man-Syndrom hindeuten und müssen ebenfalls von einem Arzt untersucht werden.
Die Behandlung des Syndroms erfolgt dann durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Orthopäden. Ob das Syndrom vollständig geheilt werden kann, kann nicht universell vorhergesagt werden. In der Regel verringert das Stiff-Man-Syndrom nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.
Behandlung & Therapie
Obwohl die Ursache des Stiff-Man-Syndroms weitgehend unbekannt ist, können doch erstaunlich Erfolge bei der Behandlung der Erkrankung verzeichnet werden. Dabei wird von zwei Therapieansätzen ausgegangen. So wird zum einen durch medikamentöse Behandlung mit Benzodiazepinen oder Baclofen die von Gammabuttersäure (GABA) abhängige Hemmung des Nervensystems verstärkt.
Damit können die Muskelversteifung, die Krämpfe und die Angstattacken gut unter Kontrolle gehalten werden. Zum anderen wird auch versucht, die eigentliche autoimmunologische Reaktion des Immunsystems gegen das Nervensystem und das endokrine System durch Abschwächung des Immunsystems zu verringern. Dazu werden immunsuppressive Medikamente wie Methylprednisolon oder Rituximab verabreicht.
Des Weiteren dient diesem Vorhaben auch die Infusion von intravenösen Immunglobulinen beziehungsweise die Plasmapherese. Wenn Antikörper gegen Amphiphysin gefunden werden, sind neben diesen Maßnahmen noch weitere therapeutische Schritte notwendig. Da diese Antikörper einen Hinweis auf ein eventuelles Vorliegen von Krebs geben, muss zunächst die Art des Krebses diagnostiziert und dann entsprechend behandelt werden. Erst dann ist die erfolgreiche Therapie des paraneoplastischen Stiff-Man-Syndroms möglich.
Vorbeugung
Da die Ursachen des Stiff-Man-Syndroms nicht bekannt sind, können auch keine konkreten Empfehlungen zu dessen Vorbeugung gegeben werden. Selbstverständlich kann eine gesunde Lebensweise mit viel Bewegung und ausgewogener Ernährung allgemein das Risiko der Erkrankung senken. Das gilt sowohl für das spontane Auftreten der Erkrankung als auch für seine Entstehung als Folge eines Karzinoms.
Nachsorge
Bisher gibt es für Betroffene mit Stiff-Man-Syndrom keine Heilung. Daher ist bei dieser Erkrankung keine Nachsorge im klassischen Sinne notwendig und möglich. Die Ausprägung der Muskelversteifungen sowie der Krankheitsverlauf können sich bei den betroffenen Patienten unterschiedlich äußern. Ferner gibt es verschiedene therapeutische Ansätze. Aus diesem Grund lassen sich keine allgemeinen Aussagen zu etwaigen Nachsorgemaßnahmen treffen.
In fast allen Fällen ist eine intensive psychotherapeutische Betreuung notwendig, da Patienten mit Stiff-Man-Syndrom häufig von Ängsten und Depressionen betroffen sind. Zudem ist es grundsätzlich erforderlich, den Verlauf der Erkrankung und die Verträglichkeit der medikamentösen Behandlung weiterhin zu überwachen. Dies kann durch einen Facharzt oder einen Allgemeinmediziner erfolgen.
Über die Intervalle zwischen den Kontrolluntersuchungen sowie die notwendigen Nachsorgemaßnahmen entscheidet der behandelnde Arzt. Diese können je nach Form und Verlauf des Stiff-Man-Syndroms höchst unterschiedlich ausfallen. Bei Kindern verläuft die Erkrankung meistens milder, wobei es bisher nur wenige Langzeitstudien dazu gibt. Sie müssen in der Regel dennoch ihr Leben lang medizinisch betreut werden. Üblicherweise sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig.
Da bei Patienten mit dem Stiff-Man-Syndrom ein erhöhtes Risiko besteht, an Diabetes zu erkranken, ist in den meisten Fällen die regelmäßige Überprüfung der Blutzuckerwerte anzuraten. Zudem sollten die Betroffenen auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung achten.
Das können Sie selbst tun
Das Stiff-Man-Syndrom wird zunächst medikamentös oder operativ behandelt. Je nach Therapie kann der Patient selbst einige Maßnahmen ergreifen, um die ärztliche Behandlung zu unterstützen.
Zunächst gilt es, die Anfälle detailreich zu notieren, damit der behandelnde Neurologe Anhaltspunkte für eine etwaige Therapie ausarbeiten kann. Die verordneten Medikamente müssen nach den Vorgaben des Arztes eingenommen werden und die Einnahme sollte im Hinblick auf etwaige Neben- und Wechselwirkungen ebenfalls sorgfältig dokumentiert werden. Bei schweren neurologischen Schäden sind unter Umständen auch alternative Maßnahmen wie die Teilnahme an speziellen Therapien oder der Besuch einer neurologischen Rehabilitationsklinik angezeigt.
Das Stiff-Man-Syndrom kann bislang jedoch nicht vollständig kuriert werden. Dementsprechend muss der Patient selbst über etwaige chirurgische Maßnahmen entscheiden, um zumindest die Symptome zu lindern.
Nach einem operativen Eingriff können Bewegungsstörungen und andere Beschwerden auftreten, die es individuell zu behandeln gilt. Je nach Größe des Eingriffs ist anschließend gegebenenfalls eine weitergehende Betreuung in einer Fachklinik notwendig, Der Patient wendet sich hierfür am besten an einen Facharzt. Begleitend zur Behandlung der körperlichen Beschwerden ist beim Stiff-Man-Syndrom auch eine therapeutische Behandlung sinnvoll.
Quellen
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Kleine, B., Rossmanith, W.G.: Hormone und Hormonsystem. Springer Verlag, Berlin 2010