Baclofen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Baclofen wurde in den 1960-er Jahren ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt. Bei spastischen Krampfanfällen hat es eine gute Wirkung. Seit 2009 wird es ebenfalls zur Bekämpfung von Alkoholsucht eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Baclofen?

Baclofen wurde in den 1960-er Jahren ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt. Seit 2009 wird es ebenfalls zur Bekämpfung von Alkoholsucht eingesetzt.

Baclofen - chemisch C10H12ClNO2 - gehört zu den Muskelrelaxantien. Sie lösen eine krankhaft erhöhte Muskelspannung. Der Wirkstoff bindet an die GABA-B-Rezeptoren und wirkt dort als Antagonist. Dabei nutzt er die Tatsache, dass er eine ähnliche molekulare Struktur wie diese Eiweiße hat.

Synthetisiertes Baclofen ist ein geruchloses, kristallines, weißes Pulver mit einer sehr schlechten Wasserlöslichkeit. Das Muskelrelaxans kann auf zwei Arten hergestellt werden und ist in den Medikamenten Lioresal®, Lebic® und verschiedenen Generika verfügbar.

Bei leichteren Krankheitsverläufen wird es oral in Tablettenform (10 mg oder 25 mg) verabreicht. Liegt jedoch beispielsweise eine schwere multiple Sklerose vor, gibt der Arzt den Wirkstoff in die Rückenmarksflüssigkeit (intrathekal). Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird er ausschließlich oral eingesetzt. Entsprechende Untersuchungen zur intrathekalen Anwendung bei dieser Patientengruppe existieren bis dato nicht. Auf diese Darreichungsform wird ebenfalls verzichtet, wenn der Patient eingeschränkte Reflexe und eine verlangsamte Zirkulation des Hirn- und Rückenmark-Liquor hat.

Pharmakologische Wirkung

Durch die dauerhafte Weitergabe von Nervensignalen an andere Nervenzellen und von dort aus an Muskelzellen kommt es zu einer permanenten Muskelanspannung, die schließlich zu einer Verkrampfung der Muskulatur führt. Eine mögliche Ursache für diese Überbeanspruchung der Skelettmuskulatur ist die mangelnde Signal-Kontrolle durch das Gehirn und/oder das Rückenmark.

Das Baclofen nutzt seinen, dem Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ähnlichen, chemischen Aufbau, indem es die Übermittlung des Nervensignals zwischen den Rückenmark-Nervenzellen blockiert. So können sie gar nicht erst zum Muskel gelangen. Durch seine muskelentkrampfende Wirkung dämpft es auch die Aktivität des Gehirns. Bei Patienten, die Baclofen einnehmen, ist außerdem die willentliche Muskel-Betätigung eingeschränkt.

Baclofen verändert die Leber-Enzym-Werte im Blut, sodass Test-Ergebnisse verfälscht werden können. Daher sollte der Patient dem behandelnden Arzt unbedingt mitteilen, dass er Baclofen verordnet bekommt. Müssen von einer Lebererkrankung Betroffene das Medikament anwenden, so müssen ihre Leberwerte regelmäßig kontrolliert werden. Bei Diabetikern sollte der Blutzuckerspiegel häufiger überprüft werden. Patienten, die Präparate mit Baclofen einnehmen müssen, sollten auf Autofahren und das Bedienen von Werkzeugen und Maschinen verzichten, denn die Wirk-Substanz beeinträchtigt das Reaktionsvermögen.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Baclofen hat sich bei der Behandlung von Personen mit multipler Sklerose, Rückenmarksverletzungen, Erkrankungen des zentralen Nervensystems, Kinderlähmung (Zerebralparese), zerebrovaskulären Störungen und Muskelkrämpfen, die durch eine fehlerhafte Signalübertragung aus Rückenmark und/oder Gehirn ausgelöst werden, als ausgesprochen effizient erwiesen.

Bei multiple Sklerose Patienten, die an heftigen schmerzhaften Spasmen leiden, verabreicht der Arzt es intrathekal, um die starken Nebenwirkungen einer oralen Gabe zu vermeiden: Bei oraler Einnahme müsste Baclofen in sehr hoher Dosis aufgenommen werden, da der Wirkstoff sonst in zu geringer Konzentration dort ankommt, wo er seine Aufgabe erfüllen soll. Multiple Sklerose Patienten wird ein Rückenmarks-Katheter gelegt, der eine computergesteuerte Pumpe hat, mit deren Hilfe dem Körper dauerhaft Baclofen in wesentlich niedrigerer Dosierung, als bei oraler Verabreichung, zugeführt wird. Das Pumpen-Depot kann nach Bedarf durch die Haut wieder neu befüllt werden.

Der Wirkstoff setzt an den Rückenmarks-Reflexbögen an, indem er an den Renshaw-Zellen die krampflösende Wirkung der GABA-Rezeptoren imitiert.

Wird Baclofen oral zugeführt, ist es spätestens nach 4 Stunden unwirksam. Der Körper scheidet es größtenteils unverändert über den Urin aus. Wie eine klinische Studie aus den 1990-er Jahren zeigt, bekämpft es bei alkoholabhängigen Personen, die zugleich an Depressionen und/oder Angststörungen leiden, als Antagonist der GABA-Rezeptoren offenbar das von Substanz-Abhängigen so gefürchtete Craving, also das Verlangen nach der Substanz. Dabei hat es dieselbe hohe Wirksamkeit wie beispielsweise Diazepam - jedoch ohne so schädigende Nebenwirkungen zu haben wie dieses. Weitere klinische Studien und innovative bildgebende Techniken untermauern die Wirksamkeit von Baclofen bei Alkoholabhängigen.

Im Gegensatz zu Frankreich, wo das Präparat seit einigen Jahren für diese Anwendung zugelassen wurde, kann es in Deutschland dafür nur als off-label verwendet werden. In Tierversuchen war Baclofen außerdem in der Behandlung von Depressionen und Ängsten wirksam.


Risiken & Nebenwirkungen

Bei der Einnahme von Baclofen kommt es sehr häufig zu Müdigkeit, Schläfrigkeit, Benommenheit und Übelkeit. Häufig beobachtet wurden Depressionen, Albträume, bei älteren Patienten auch Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Zittern, unsicherer Gang, Schwindel, Schlafstörungen, verschwommenes Sehen und andere Sehstörungen, verringerte Herzfunktion, niedriger Blutdruck, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, starker Harndrang, Hautausschläge, Muskelschwäche und Schwitzen.

Nicht angewandt werden sollte das Mittel bei einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, schweren Nierenschäden, Parkinson, durch Verletzung verursachte Gehirnerkrankung und Rheuma. Schwangeren sollte Baclofen nur nach eingehender Nutzen-Risiko-Abwägung und nur oral verabreicht werden, da der Wirkstoff in die Plazenta übergehen kann. In der Muttermilch von Stillenden kann er ebenfalls vorkommen. Obwohl bisher noch keine Schädigungen bei Säuglingen durch Baclofen auftraten, wird das Medikament - wenn überhaupt - am besten in geringer Dosis eingesetzt.

Baclofen-Medikamente werden vor dem Absetzen ausschleichend eingenommen, um negative Wirkungen wie Verwirrtheit, Wahnvorstellungen, Krampfanfälle und Konzentrationsstörungen zu vermeiden. Baclofen verstärkt die Wirkung von blutdrucksenkenden Mitteln, anderen Muskelrelaxantien, Psychopharmaka, Schmerzmitteln und bestimmten Antidepressiva. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Dopamin enthaltenden Mitteln kann es zu Wahnvorstellungen kommen. Um unvorhersehbare Risiken auszuschließen, darf es unter keinen Umständen zusammen mit Alkohol genommen werden.

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