Benzodiazepin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Benzodiazepine sind spezielle chemische Verbindungen (Verbindungen eines Benzol- mit einem Diazepinrings), die im Körper psychotrope Wirkungen entfalten. Sie werden in der Medizin als angstlösende (anxiolytische), zentral-muskelrelaxierende, beruhigende (sedierende) und schlaffördernde (hypnotische) Medikamente eingesetzt. Durch die krampflösende (antikonvulsive) Wirkung mancher Benzodiazepine erklärt sich auch der Einsatz als Antiepileptika.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Benzodiazepine?

Aufgrund der erzielbaren Wirkungen finden Benzodiazepine vor allem in der Notfallmedizin sowie in der Psychiatrie Anwendung. Die möglichen Einsatzgebiete sind durch das hohe Abhängigkeitspotential sowie der stark atemdepressiven Nebenwirkungen allerdings deutlich eingeschränkt.
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Alle Benzodiazpine sind Abkömmlinge der gleichen chemischen Grundstruktur. Dabei handelt es sich um ein bizyklisches Ringsystem aus Benzol- und Diazepinring. Der Benzolring ist der einfachste Vertreter der benzoiden, aromatischen Kohlenwasserstoffe mit der Summenformel: C6H6.

An diesen ist ein Diazepinring anneliert (durch Kondensation verbunden). Beim Diazepinring handelt es sich um einen siebengliedrigen, ungesättigten Ring mit 2 Stickstoffatomen. Als Arzneistoffe kommen vorwiegend Diazepinringe mit Stickstoffatomen an 1. und 4. Position im Ring zum Einsatz – sogenannte Benzo-1,4-diazpine. An der 5. Stelle des Diazpinrings ist ein weiterer sechsgliedriger Ring verbunden, jedoch nicht durch eine Annelierung.

Durch verschiedene Bindungsstellen im Bereich des Benzolrings, am Diazepinring und dem zusätzlichen sechsgliedrigen Ring entstehen verschiedene Wirkstoffe mit teils unterschiedlicher Wirkung.

Pharmakologische Wirkung

Benzodiazepine wirken am Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) – Rezeptor A aktivierend durch Bindung und erhöhen damit die Wirkung des Neurotransmitters GABA. GABA-A-Rezeptoren finden sich im gesamten Gehirn und Rückenmark verteilt. Durch die Bindung erhöht sich die Öffnungswahrscheinlichkeit des GABA-A-Rezeptors, was zu einem verstärkten Chlorideinstrom in die Nervenzelle führt. Dadurch wird die Neuronenmembran hyperpolarisiert, was zu einer geringeren Erregbarkeit führt.

Der GABA-A-Rezeptor besteht aus 6 Untereinheiten, wobei klassische Benzodiazepine Affinität zu 4 dieser Untereinheiten zeigen (alpha1, alpha2, alpha3 und alpha5). Eine Wirkung am Rezeptor ist nur bei Vorhandensein des Neurotransmitters GABA gemeinsam möglich – es handelt sich also um allosterische Modulatoren und nicht um Agonisten im engeren Sinne. Dabei ist die Wirkung an jenen Synapsen stärker, die wenig GABA enthalten. Es kommt zu einer aktivitätsabhängigen Wirkung. Das heißt, dass schwache Transmitter-Antworten überproportional verstärkt werden. Dies könnte auch für die spezifische Wirkung der Benzodiazepine verantwortlich sein.

Benzodiazepine wirken im menschlichen Körper:

  • Angstlösend (anxiolytisch)
  • Krampflösend (antikonvulsiv)
  • Muskelentspannend (muskelrelaxierend)
  • Beruhigend (sedativ)
  • Schlaffördernd (hypnotisch)
  • Amnestisch (Erinnerungslücke während der Wirkdauer)
  • Leicht stimmungsaufhellend (Achtung: bei bestehender depressiver Grunderkrankung kann es auch zu einer Verstärkung dieser kommen)
  • Teils euphorisierend (Dosisabhängig und vom Einnahmeintervall abhängig)

Durch hohe Dosen von Benzodiazepinen wird die Maximalwirkung nicht verstärkt. Es kommt jedoch zu einer Reduktion der notwendigen Dosis an GABA, um die Maximalwirkung auszulösen. Es wird also die Dosis-Wirkungs-Kurve der Gamma-Amino-Buttersäure nach links verschoben.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Aufgrund der erzielbaren Wirkungen finden Benzodiazepine vor allem in der Notfallmedizin sowie in der Psychiatrie Anwendung. Die möglichen Einsatzgebiete sind durch das hohe Abhängigkeitspotential sowie der stark atemdepressiven Nebenwirkungen allerdings deutlich eingeschränkt.

Bei regelmäßiger Einnahme ab zirka 8 Wochen kommt es beim Absetzen zu einer Entzugssymptomatik. Es wird daher empfohlen, Benzodiazepine nicht länger als 4 Wochen einzusetzen (eine strenge Indikationsstellung und so geringe Dosierung wie möglich vorausgesetzt).

Eine Ausnahme stellen die antiepileptisch wirkenden Benzodiazepine dar, die oft lebenslang eingenommen werden müssen. Vor allem zur Therapie eines akuten epileptischen Anfalls eignen sich die Wirkstoffe Diazepam und Lorazepam als Mittel der 1. Wahl.

In der Psychiatrie dienen Benzodiazepine vor allem in der Therapie von Angst- und Unruhezuständen. Dabei werden sie ebenfalls häufig als Akutmedikamente bei Panikattacken eingesetzt.

Auch in der Therapie der Alkoholentzugssymptome haben Benzodiazepine einen festen Platz. In der kurzfristigen Therapie von Ein- und Durchschlafstörungen können ebenfalls Benzodiazepine angewendet werden. Aufgrund des Abhängigkeitspotentials werden jedoch vermehrt andere Substanzgruppen (wie zum Beispiel Antihistaminika) bevorzugt.

In der Notfallmedizin werden Benzodiazepine auch bei der Einleitung der Narkose sowie im Rahmen der Schmerztherapie (Analgosedierung) verwendet. Bei selektiven Eingriffen erfolgt die Prämedikation vor der Operation häufig mit einem Benzodiazepin wie Midazolam, um dem Patienten die Anspannung und eventuelle Angst vor dem Eingriff zu nehmen.


Risiken & Nebenwirkungen

Benzodiazepine wirken unterschiedlich stark atemdepressiv, indem sie das Atemzentrum im verlängerten Rückenmark dämpfen. Obwohl die Atemdepression dosisabhängig auftritt, sind lebensbedrohliche Intoxikationen durch Benzodiazepine alleine selten. Vor allem bei Mischintoxikationen gemeinsam mit Alkohol oder anderer ZNS-wirksamer Präparate (zum Beispiel Opiate) kommt es jedoch zu einem deutlich erhöhten Risiko eines tödlichen Atemstillstandes.

Bei der Wechselwirkung zwischen Benzodiazepinen und Alkohol spricht man aufgrund der ähnlichen Wirkung auf den GABA-A-Rezeptor von einer sogenannten Kreuztoleranz. Die oft praktizierte Dosiserhöhung als Antwort auf die erhöhte Toleranz führt so zu vermehrten Nebenwirkungen.

Das suchterzeugende Potential der Benzodiazepine zeigt sich in der schweren körperlichen Abhängigkeit, die auch schon bei therapeutischen Dosen auftritt. Es verwundert also nicht, dass bei Benzodiazepinen weltweit die höchsten Missbrauchsraten verzeichnet werden. Es kommt dann zu Störungen der Gedächtnisfunktion, Verhaltensstörungen, psychomotorischer Verlangsamung und paradoxen Wirkungen (Steigerung von Angst- und/oder Schlafstörungen) unter der Medikation.

Als Kontraindikationen zur Einnahme von Benzodiazepinen zählen:

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