Tractus solitarius
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Tractus solitarius ist eine zentrale Nervenleitbahn mit umgebenem Kerngebiet Nucleus tractus solitarii. Die Leitungsbahn spielt vor allem für den Geschmacks- und Geruchssinn eine Rolle, dessen Sinneszellen über den Tractus solitarius Signale ans zentrale Nervensystem übermitteln. Bei Läsionen der Leitungsbahn fallen Reflexe wie der Würgereflex aus.
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Was ist der Tractus solitarius?
Unter einem Tractus versteht die Medizin einen Gewebezug oder eine Fasergruppe mit demselben Verlauf. Als Synonym verwendet die medizinische Literatur auch die wörtliche Übersetzung "Trakt". In der Neurologie bezieht sich der Ausdruck auf Nervenbahnen, so vor allem Nervenbahnen im zentralen Nervensystem. Jeder Tractus entspricht in diesem Zusammenhang einer Leitungsbahn.
Auch beim Tractus solitarius handelt es sich um eine Leitungsbahn mit Lokalisation im zentralen Nervensystem. "Solitarius" bedeutet zu Deutsch "alleinstehend". Die medizinische Literatur verwendet statt der Bezeichnung auch die synonymen Benennungen Fasciculus solitarius und Funiculus solitarius sowie Fasciculus rotundus. Die wörtliche Übersetzung des lateinischen "fasciculus" lautet "kleines Bündel" und deutet die kompakte Anatomie der Leitungsbahn an. Der Trakt liegt innerhalb der dorsalen Medulla oblongata, also im verlängerten Mark des Hirnstammes.
Anatomie & Aufbau
Die viszeroafferenten Fasern stammen zum Beispiel aus Hirnnerven wie dem Nervus facialis, glossopharyngeus und vagus. Der Tractus solitarius führt vor allem primärafferente Fasern, die zu den gleichseitigen Kernarealen absteigen. In geringem Maß finden sich auch gegenseitig aufsteigende Fasern im Tractus solitarius, die im Kaudalabschnitt kreuzen. Der Nucleus tractus solitarii ist direkt um den Tractus solitarius angeordnet und entspricht einem stark myelinisierten Gebiet aus Nervenfasern.
Funktion & Aufgaben
Der Tractus solitarius spielt als Leitungsbahn des zentralen Nervensystems sowohl für den Geschmacks-, als auch Geruchssinn eine Rolle. Darüber hinaus leitet die Bahn unterschiedliche Signale aus den Hautsinneszellen. Die vornehmlich viszerosensorischen Fasern der Leitungsbahn vermitteln in diesem Zusammenhang vor allem Signale der Chemo-, Dehnungs- und Druckrezeptoren. Chemorezeptoren sind Sinneszellen, die in Luft oder Flüssigkeit gelöste Stoffe mit chemischer Basis erkennen.
Diese Rezeptoren spielen für den Geruchs-und Geschmackssinn eine zentrale Rolle. Dehnungsrezeptoren entsprechen wiederum Mechanorezeptoren und sind damit Sinneszellen des Hautsinns oder der Tiefensensibilität. Neben der Haut und Schleimhaut liegen sie in den Gefäßen des menschlichen Körpers. Die reagieren auf eine Dehnung des umgebenden Gewebes mit Depolarisation und bilden durch Dehnungsreize ein Aktionspotenzial. Druckrezeptoren sind den Dehnungsrezeptoren verwandt und spielen mit Lokalisation in den Gefäßen eine wichtige Rolle für das Herzkreislaufsystem.
Der Tractus solitarius leitet die Signale aller genannten Rezeptorarten aus dem Kopf-, Brust- und Bauchbereich. Die Rezeptoren bilden den afferenten (aufsteigenden) Schenkel vieler respiratorischer, kardiovaskulärer und intestinaler Reflexe. Damit ist die Leitungsbahn des Truncus solitarius wesentlich an lebenswichtigen Reflexantworten beteiligt. Der Würgereiz und der Brechreiz sind solche Reflexe. Diese automatischen und willkürlich kaum beeinflussbaren Reflexantworten erfolgen auf bestimmte Geruchs- oder Geschmacksreize hin.
Die speziell-viszerosensorischen Fasern des Tractus solitarius entsprechen primären Afferenzen (aufsteigenden Bahnen) des Geschmackssinns. Diese Afferenzen heißen Geschmacksfasern und vermitteln Geschmacksinformationen in Richtung des zentralen Nervensystems. Speziell durch die Leitung und Verteilung der Hirnnerven Nervus facialis, glossopharyngeus und vagus vermittelt der Tractus solitarius wichtige Informationen der Dehnungs- und Chemorezeptoren aus dem Magen-Darm-Trakt inklusive der Zunge.
Krankheiten
Die Folge eines derartigen Verschlusses ist ein Infarkt von bestimmten Anteilen der Medulla oblongata im Hirnstamm. Bei dieser Form des Schlaganfalls handelt es sich um eine eher seltene Variante mit vergleichsweise geringer Prävalenz. Die Symptome können in diesem Fall vielgestaltig ausfallen und hängen stark von den betroffenen Strukturen des Hirnstammes ab. Ist der Tractus solitarius inklusive des Kerngebiets Nucleus tractus solitarii von dem Infarkt betroffen, so fallen wichtige Reflexe aus. Der Tractus solitarius leitet die Signale von Sinneszellen des Geschmacks- und Geruchssinns. Nach einem Infarkt des beschriebenen Gebiets ist diese Leitung beeinträchtigt.
Die Signale des Geruchs- und Geschmackssinns spielen für den Würge- und Brechreflex eine entscheidende Rolle. Deshalb kann sich das Wallenberg-Syndrom im Sinne eines Hirnstamminfarkts bei Beteiligung des Nucleus tractus solitarii in einem Komplettausfall des Würge- und Brechreflexes äußern. Die primäre Ursache dieser Erscheinung ist eine Sauerstoffunterversorgung des entsprechenden Gebiets. Eine ursächliche Therapie steht für Patienten mit dieser Schlaganfallform nicht zur Verfügung. Die Behandlung erfolgt rein symptomatisch.
Eine Schlaganfallrezidiv-Prophylaxe wird auf lange Sicht verordnet. Vor allem die Risikofaktoren der Patienten gilt es, zu senken. Nicht nur Sauerstoffunterversorgungen, sondern auch Entzündungen der Leitungsbahn können einen Ausfall des Würge- und Brechreflexes hervorrufen. Bei derartigen Entzündungen kann es sich um bakterielle Entzündungen handeln. In Einzelfällen kommen auch autoimmunologische Entzündungen in Frage. Mechanische Schädigungen des Tractus solitarius oder Nucleus tratus solitarii sind ebenfalls denkbar, aber eher selten.
Quellen
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010