Turner-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Turner-Syndrom bzw. Ullrich-Turner-Syndrom ist auf eine X-Chromosomenanomalie zurückzuführen, die sich in erster Linie anhand eines Minderwuchses sowie der ausbleibenden Pubertät manifestiert. Vom Turner-Syndrom sind fast ausschließlich Mädchen (etwa 1 von 3000) betroffen.
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Was ist das Turner-Syndrom?
Als Turner-Syndrom wird eine Gonadendysgenesie (Fehlen funktionstüchtiger Keimzellen) bezeichnet, die in der Regel auf ein fehlendes X-Chromosom (Monosomie X) bzw. Chromosomenanomalien zurückzuführen ist und von welcher fast ausschließlich Frauen betroffen sein können.
Die beim Turner-Syndrom vorliegenden Chromosomenanomalien verursachen einen Mangel an Wachstums- und Geschlechtshormonen. Symptomatisch manifestiert sich die Erkrankung äußerlich anhand frühzeitig auftretender Lymphödeme, Minderwuchs, Pterygium colli (beidseitige Hautfalte im Halsbereich), Schildthorax mit weit auseinander liegenden Mamillen (Brustwarzen).
Darüber hinaus kennzeichnet ein Turner-Syndrom eine ausbleibende Menstruation (primäre Amenorrhoe), Unterentwicklung der Brust und Eierstöcke (gonadal streaks bzw. bindegewebige Stränge) sowie Infertilität (Unfruchtbarkeit) infolge der unterentwickelten Ovarien (Eierstöcke).
Daneben weisen vom Turner-Syndrom betroffene Mädchen eine unbeeinträchtigte Intelligenzentwicklung auf.
Ursachen
Bei einem Turner-Syndrom liegt hinsichtlich dieses Chromosomenpaars eine Anomalie vor, die sich unterschiedlich manifestieren kann. Zum einen kann ein X-Chromosom fehlen (Monosomie X), so dass jede Körperzelle über lediglich ein X-Chromosom verfügt. Zum anderen kann das zweite X-Chromosom teilweise fehlen, so dass Zellen mit vollständiger und unvollständiger Erbgutinformation gleichzeitig vorhanden sind (Mosaik). Zum dritten kann das zweite X-Chromosom mit sich negativ auswirkenden strukturellen Veränderungen vorliegen, die ein Turner-Syndrom bedingen.
Die genannten Chromosomenanomalien sind auf eine gestörte Chromosomenverteilung innerhalb der ersten Zellteilungsphasen oder bei der Bildung der Keimzellen nach der Befruchtung zurückzuführen, wobei die genauen Auslöser für die Fehlverteilung bislang nicht bekannt sind. Eine Vererbung dieser Fehlverteilung wird allerdings ausgeschlossen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Turner-Syndrom führt zu zahlreichen Symptomen, die in verschiedenen Ausprägungen vorkommen und abhängig vom Alter der Patientin auftreten. Ein typisches Anzeichen ist die Kleinwüchsigkeit, die sich bereits bei der Geburt zeigt. Die Mädchen liegen mit ihrem Gewicht und ihrer Größe unterhalb der Norm. Als weiteres charakteristisches Symptom gelten unterentwickelte Eierstöcke, die eine verminderte Produktion von weiblichen Geschlechtshormonen verursachen.
Dadurch bleibt die Pubertät aus und es findet keine Menstruation statt. Brüste und Geschlechtsorgane sind unterentwickelt und wirken auch im Erwachsenenalter kindlich. Die Fruchtbarkeit ist eingeschränkt, häufig ist keine Schwangerschaft möglich. Auch andere Organe können fehlgebildet sein. In vielen Fällen liegt eine Hufeisenniere vor, bei der beide Nieren miteinander verbunden sind.
Oft fehlt am Herz ein Klappensegel an der Aortenklappe, wodurch sich ein Aortenaneurysma bilden kann. Bei Neugeborenen kommt es zu Flüssigkeitsansammlungen (Ödemen) an Händen und Füßen. Der Haaransatz liegt besonders tief im Nacken. Am Hals spannt sich an beiden Seiten eine flügelartig aussehende Hautfalte vom unteren Ende des Schläfenbeins bis zum Schulterblatt.
Fehlbildungen des Ohrs und Schwerhörigkeit kommen vor. Der Brustkorb ist schildförmig deformiert und die verkleinerten Brustwarzen liegen weit auseinander. Auf der Haut finden sich zahlreiche Leberflecken. Fehlgebildete Ellbogengelenke verursachen eine abnorme Stellung des Unterarms. Die geistige Entwicklung ist beim Turner-Syndrom nicht beeinträchtigt.
Diagnose & Verlauf
Ein Turner-Syndrom wird in der Regel anhand der charakteristischen äußerlich erkennbaren Symptome direkt nach der Geburt des Kindes diagnostiziert. So weisen vom Turner-Syndrom betroffene Neugeborene Lymphödeme sowie ein Pterygium colli (beidseitige Hautfalte am Hals) auf.
Ebenso können ein geringeres Gewicht und Körpergröße auf einen Minderwuchs hinweisen. Gesichert wird die Diagnose durch eine Chromosomenanalyse, bei welcher die zugrunde liegende Erbgutanomalie festgestellt werden kann. Die ist auch im Rahmen pränataldiagnostischer Diagnoseverfahren möglich. Der Erkrankungsverlauf hängt beim Turner-Syndrom davon ab, inwieweit der vorliegende Mangel an Geschlechts- und Wachstumshormonen therapeutisch ausgeglichen werden kann.
Bei erfolgreicher Therapie entwickelt sich das betroffene Kind weitestgehend normal, wenngleich es unfruchtbar und minderwüchsig bleiben wird. Vom Turner-Syndrom Betroffene weisen eine normale Lebenserwartung auf.
Komplikationen
Das Turner-Syndrom führt bei den Betroffenen zu verschiedenen Komplikationen und Beschwerden. In erster Linie kommt es durch das Syndrom zu einem deutlichen Minderwuchs. Dieser wirkt sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus und kann diese deutlich verringern. Weiterhin führt das Turner-Syndrom bei Frauen zu Zyklusstörungen und zu einer ausbleibenden Blutung.
Auch Reizbarkeit oder starke Stimmungsschwankungen können sich abzeichnen. Die Mädchen können dabei auch die Pubertät nicht erreichen und leiden an einer Unfruchtbarkeit. Vor allem im jungen Alter können die Beschwerden des Turner-Syndroms zu Mobbing oder zu Hänseleien führen, sodass die Betroffenen auch an psychischen Beschwerden oder an Depressionen erkranken.
Auch Beschwerden an den Füßen oder an den Händen können bei dieser Erkrankung auftreten. Aufgrund der hohen Anzahl an Leberflecken kann es auch zu einer verringerten Ästhetik beim Patienten kommen. Die Behandlung des Turner-Syndroms richtet sich immer nach den genauen Symptomen. Sie können zwar eingeschränkt, allerdings nicht vollständig geheilt werden.
Komplikationen treten dabei nicht auf. In der Regel können die Betroffenen auch einen gewöhnlichen Alltag führen. Das Turner-Syndrom wirkt sich nicht negativ auf die Lebenserwartung des Betroffenen aus. Auch die Eltern oder die Angehörigen können dabei an psychischen Beschwerden oder an Depressionen leiden und benötigen daher ebenfalls eine psychologische Betreuung.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Der Betroffene ist beim Turner-Syndrom immer auf eine medizinische Behandlung angewiesen, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. Nur durch eine frühzeitige Diagnose und die anschließende Behandlung kann auch eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindert werden. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann auch keine vollständige Heilung erfolgen. Im Falle eines Kinderwunsches sollte eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das erneute Auftreten der Krankheit zu verhindern. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn das Kind an einer Kleinwüchsigkeit leidet. Diese ist in der Regel mit dem Auge zu erkennen.
Auch das Gewicht der betroffenen Kinder ist durch das Turner-Syndrom meist verringert. Einige Patienten leiden durch die Krankheit auch an einer eingeschränkten Fruchtbarkeit, die sich jedoch erst später im Leben zeigt. Da das Turner-Syndrom auch zu einer Fehlbildung am Herzen führen kann, sollte auch das Herz regelmäßig durch einen Arzt untersucht werden. Weiterhin deuten verschiedene Fehlbildungen im Gesicht ebenfalls auf dieses Syndrom hin und sollten durch einen Arzt untersucht werden. Meistens kann das Turner-Syndrom durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt erkannt werden. Die weitere Behandlung richtet sich stark nach der genauen Ausprägung und der Art der Beschwerden.
Behandlung & Therapie
Die therapeutischen Maßnahmen zielen bei einem Turner-Syndrom in erster Linie auf den Ausgleich des vorliegenden Mangels an Wachstums- und Geschlechtshormonen. So erhalten Betroffene zur positiven Beeinflussung der Körpergröße etwa ab dem sechsten Lebensjahr biosynthetisch hergestellte Wachstumshormone.
Der Erfolg einer solchen Wachstumstherapie ist jedoch individuell unterschiedlich. Ab dem zwölften Lebensjahr kommen zusätzlich Geschlechtshormone wie Östrogen zum Einsatz, um medikamentös-hormonell die sonst bei einem Turner-Syndrom ausbleibende Pubertät einzuleiten, so dass sich die primären (Uterus bzw. Gebärmutter) und sekundären Geschlechtsmerkmale (Brust, Schamlippen, Vagina) weitestgehend normal ausbilden können.
Die Unterentwicklung der Ovarien (Ovarialinsuffizienz) kann nicht im Rahmen einer Hormontherapie ausgeglichen werden, weshalb die betroffenen Frauen infertil (unfruchtbar) bleiben. Es exstieren allerdings in einzelnen Fällen Versuche, im Rahmen von In-vito-Fertilisation, eine künstliche Befruchtung mit vor dem Funktionsverlust der Ovarien entnommenen Eizellen durchzuführen. Diese befinden sich jedoch noch in einer frühen Phase klinischer Tests.
Darüber hinaus dient die Therapie mit Wachstums- und Geschlechtshormonen der Vorbeugung vor Osteoporose. Daneben können begleitende Symptome wie Lymphödeme durch Lymphdrainagen therapiert werden. Liegen Fehlbildungen innerer Organe wie des Herzens oder der Nieren vor, kann ein operativer Eingriff angezeigt sein. In manchen Fällen wird eine psychotherapeutische Betreuung für vom Turner-Syndrom betroffene Mädchen und deren Eltern empfohlen.
Vorbeugung
Da die zugrunde liegenden Ursachen für die Chromosomenanomalie bei einem Turner-Syndrom nicht bekannt sind, existieren keine verlässlichen vorbeugenden Maßnahmen. Im Rahmen pränataldiagnostischer Verfahren kann das ungeborene Kind allerdings bereits auf eine für das Turner-Syndrom hinweisende Chromosomenanomalie getestet werden.
Nachsorge
Beim Turner-Syndrom handelt es sich um eine genetisch bedingte Chromosomenstörung. Die Krankheit ist aus diesem Grund nicht heilbar. Die Betroffenen sind ihr Leben lang auf medizinische Behandlung angewiesen, da häufig weitere gesundheitliche Probleme auftreten können. Daher sind keine klassischen Maßnahmen zur Nachsorge notwendig oder möglich.
In der Transitionsperiode im Laufe der Pubertät erhalten die meisten Patientinnen eine intensive Hormontherapie. Nach Abschluss dieser Therapie sollten die Betroffenen je nach Bedarf regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei ihrem Facharzt, dem Endokrinologen sowie dem Hausarzt wahrnehmen. Insbesondere bei vorliegenden Herz- und Nierendefekten oder weiteren Erkrankungen ist es notwendig, regelmäßig medizinische Betreuung in Anspruch zu nehmen.
Sofern keine gesundheitlichen Probleme auftreten, sollten derartige Kontrolluntersuchungen je nach Krankheitsbild und Alter der Patientin zumindest alle ein bis fünf Jahre stattfinden. Darüber entscheidet jeweils die behandelnde Klinik. Bisher gibt es in der Medizin noch kein ausgereiftes und allgemein gültiges Konzept für die Betreuung erwachsener Patientinnen mit dem Turner-Syndrom.
Daher können die Verfahren zur Nachsorge höchst unterschiedlich sein. Viele betroffene Frauen mit Turner-Syndrom leiden zudem auch unter starken psychischen Problemen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, unabhängig von der körperlichen Verfassung psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen oder regelmäßig eine Selbsthilfegruppe für Betroffene aufzusuchen.
Das können Sie selbst tun
Kinder, die am Turner-Syndrom leiden, benötigen Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben. Die Eltern müssen sicherstellen, dass das Kind die bestmögliche Behandlung erhält und die Medikamente wie verordnet einnimmt. Insbesondere vor der Pubertät ist eine gute ärztliche Überwachung wichtig, damit die hormonellen Veränderungen optimal medizinisch gesteuert werden können.
Sollten Anzeichen von Osteoporose, Durchblutungsstörungen oder anderen typischen Begleiterkrankungen des Turners-Syndroms auftreten, ist ein Arztbesuch angezeigt. Die Patienten selbst müssen auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung achten, um Erkrankungen wie Diabetes Mellitus oder Morbus Crohn vorzubeugen. Bei erkrankten Säuglingen müssen die Eltern sorgfältig auf die Nahrungsaufnahme des Kindes achten, da es als Folge des Leidens zu Erbrechen und Appetitlosigkeit kommt.
Das Größenwachstum lässt sich durch Bewegung und eine vollwertige Ernährung unterstützen. Wichtig sind vor allem Proteine, Vitamine und Mineralstoffe, um den Magen-Darm-Trakt zu entlasten, die Knochengesundheit zu verbessern und insgesamt ausreichend Fett- und Muskelmasse aufzubauen. Gegebenenfalls müssen Nahrungsergänzungsmittel eingenommen und hormonelle Behandlungen durchgeführt werden. Die Eltern und später die Betroffenen selbst legen am besten ein Krankheitstagebuch an, in welchem alle Symptome und Auffälligkeiten notiert werden.
Quellen
- Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hiort, O., Danne, T., Wabitsch, M. (Hrsg.): Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie. Springer, Berlin 2010
- Koletzko, B.: Kinder- und Jugendmedizin. Springer Medizin Verlag, Berlin 2007