Ulnarisrinnen-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Ulnarisrinnen-Syndrom bzw. Sulcus-Ulnaris-Syndrom wird eine Druckschädigung des Ellennervs (Nervus ulnaris) bezeichnet. Der Nerv verläuft am Ellenbogen relativ exponiert in einer schmalen Rinne, der Ulnarisrinne – auch als Musikantenknochen bekannt – und kann durch ständige Fehlbelastungen oder andere Reizungen geschädigt werden. Symptomatisch äußert sich das Ulnarisrinnen-Syndrom durch Kribbeln am Kleinfinger, der Innenseite des Ringfingers und an den entsprechenden Teilen des Handrückens.
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Was ist das Ulnarisrinnen-Syndrom?
Der Ellennerv verläuft am Ellenbogen in einer schmalen Rinne im Ellenknochen direkt unter der Haut und ist nur wenig durch umgebendes Bindegewebe vor Druck- oder Zugverletzungen geschützt. Er versorgt nervlich den Kleinfinger, die Innenseite des Ringfingers und den entsprechenden Teil des Handtellers bis zum Handgelenk.
Schädigungen des Nervs wirken sich unmittelbar auf die angeführten Regionen der Hand aus und reichen von leichtem Kribbeln oder Brennen über Taubheitsgefühlen bis zu Kraftausfall oder sogar zu Bewegungseinschränkungen und krallenartigen Stellungen des Klein- und des Ringfingers.
Kurze Druckbelastungen des Ellennervs etwa durch unbeabsichtigtes Anstoßen des Ellenbogens an einen harten Gegenstand rufen den typischen Schmerz am „Musikantenknochen“ hervor, der normalerweise bereits nach mehreren Sekunden wieder abklingt.
Ursachen
Bei Berufskraftfahrern kann die Angewohnheit, den linken Ellenbogen während der Fahrt häufig auf dem Fensterrahmen der Tür oder auf einem vorhandenen Vorsprung der Tür abzustützen, allmählich zu einer Schädigung des Nervus ulnaris führen und die typischen Symptome auslösen. Bei immobilen bettlägerigen Personen führt eine wiederholt falsche Lagerung, die ständig Druck auf den Bereich der Ulnarisrinne ausübt, zu einer Läsion des Ellennervs und kann dadurch das Ulnarisrinnen-Syndrom verursachen.
Auch Verletzungen am Unterarmgewebe im Verlaufsbereich des Ellennervs können bei starker Narbenbildung und Ausbildung von Gewebeverhärtungen den Nerv durch ständigen Zug oder Druck behindern und schädigen, so dass es zu den typischen Symptomen kommen kann.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Ulinarisrinnen-Syndrom führt zu Sensibilitätsstörungen und Schmerzen an der Hand. Wird eine Behandlung ausgeschlagen, kann man die Hand im Alltag nur eingeschränkt bewegen. Zu unterscheiden sind anfängliche Symptome und Anzeichen, die nach einiger Zeit auftreten und dauerhafter Natur sind. Betroffene schildern im Anfangsstadium meist ein Kribbeln am Ring- und Kleinfinger.
Es entsteht der Eindruck, eine Ameisenkolonie laufe über die entsprechenden Stellen. Andere Patienten berichten, dass beide Finger taub seien. Das ungewohnte Empfinden erstreckt sich manchmal auch auf die Innenseite des Ellenbogens. Eine Belastungssituation – etwa durch das Heben schwerer Gegenstände – begünstigt nicht selten die benannten Symptome. Diese verschwinden nach wenigen Sekunden oder Minuten von alleine.
Im weiteren Verlauf tritt das Ulinarisrinnen-Syndrom dauerhaft auf. Die Greifseite der Hand fühlt sich in Alltagssituationen ständig taub an. Manche Patienten deuten die Anzeichen auch als ein Brennen. Die motorischen Fähigkeiten sind dadurch eingeschränkt. Charakteristisch ist die so genannte Krallenhand.
Der Ring- und Kleinfinger befinden sich dauerhaft in einer Beugestellung. Das Spreizen der Finger ist nur unter Schmerzen möglich. Wird keine Behandlung aufgenommen, setzt durch die Vermeidung von schmerzhaften Bewegungen ein Muskelschwund (Muskeldystrophie) ein. Eine anhaltende motorische Schwäche erschwert dann den Alltag.
Diagnose & Verlauf
Eine erste Diagnose über das Vorliegen eines Ulnarisrinnen-Syndroms kann aufgrund der aufgetretenen Symptome von Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühlen im Kleinfinger und Ringfinger gestellt werden.
Mit Überprüfung des sogenannten Froment-Zeichens (Papierstreifentest) lässt sich mit einer einfachen Übung die Diagnose einer Schädigung oder vollständigen Lähmung des Nervus ulnaris bestätigen oder widerlegen. Im Falle einer Erhärtung des Verdachts auf Schädigung oder Totalausfalls des Ellennervs muss unbedingt in einer Differentialdiagnose festgestellt werden ob der Nerv bereits ab der Ulnarisrinne oder etwa erst ab Handgelenk (Loge-de-Guyon-Syndrom) geschädigt ist. Weiterführende elektrophysiologische Diagnoseverfahren lassen Rückschlüsse auf die Leitfähigkeit des Ellennervs und die Übertragungsgeschwindigkeit von Impulsen zu.
Wenn die Ursachen für die Auslösung des Ulnarisrinnen-Syndroms nicht beseitigt werden, kommt es im weiteren Krankheitsverlauf neben Taubheitsgefühlen zu motorischer Schwäche und es setzt allmählicher Muskelschwund ein. Eine eingeschränkte Beweglichkeit der Hand bis hin zur typischen Krallenhand sind dann die Folgen.
Komplikationen
Das Ulnarisrinnen-Syndrom führt zu einer Reihe verschiedener Beschwerden, die sich alle negativ auf den Alltag und die Lebensqualität des Patienten auswirken. Die meisten Betroffenen leiden dabei an verschiedenen Gefühlsstörungen im Bereich des kleinen Fingers. Dieser fühlt sich dabei taub an und kann kribbeln oder schmerzen.
Diese Gefühlsstörungen breiten sich dabei nicht selten in die benachbarten Regionen aus und können damit auch an den anderen Fingern oder am Handgelenk zu Beschwerden führen. Die Haltung des kleinen Fingers ist dabei krallenartig, sodass es zu erheblichen Einschränkungen im Alltag des Betroffenen kommt. Auch die Muskeln sind dabei deutlich geschwächt, sodass es aufgrund des Ulnarisrinnen-Syndroms zu Beschwerden beim Arbeiten kommen kann. Die gesamte Beweglichkeit der Hand wird krankheitsbedingt eingeschränkt.
In den meisten Fällen kann das Ulnarisrinnen-Syndrom behandelt werden. Komplikationen treten dabei in der Regel nur dann auf, wenn die Erkrankung nicht behandelt wird. Durch die Ruhigstellung des Fingers oder des Armes findet eine Genesung statt. Die Betroffenen müssen den Finger zwar schonen, allerdings kommt es zu keinen dauerhaften Einschränkungen. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird durch das Ulnarisrinnen-Syndrom nicht negativ beeinflusst.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Beim Ulnarisrinnen-Syndrom ist der Betroffene auf eine Behandlung durch einen Arzt angewiesen. Nur durch eine richtige Behandlung und vor allem durch eine schnelle und frühzeitige Diagnose können weitere Komplikationen oder eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindert werden. Daher sollte schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen des Ulnarisrinnen-Syndroms ein Arzt kontaktiert werden, um die Krankheit richtig zu behandeln. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an starken Störungen der Sensibilität leidet. Dabei können die Hände in den meisten Fällen kaum mehr bewegt werden, was sich sehr negativ auf den Alltag des Patienten auswirken kann.
Weiterhin kann auch ein dauerhaftes Kribbeln in den betroffenen Regionen auf das Ulnarisrinnen-Syndrom hinweisen und sollte auch durch einen Arzt untersucht werden, falls es über einen längeren Zeitraum auftritt und nicht wieder von alleine verschwindet. Auch beim Heben schwerer Gegenstände können diese Symptome auftreten und auf die Krankheit hindeuten. In der Regel kann das Ulnarisrinnen-Syndrom durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Orthopäden erkannt werden. Die weitere Behandlung richtet sich nach den genauen Beschwerden und nach ihrer Ausprägung. In der Regel ist die Lebenserwartung des Patienten durch diese Krankheit nicht verringert.
Behandlung & Therapie
Bei Diagnostizierung eines Ulnarisrinnen-Syndroms reicht es in einfachen Fällen, die verursachenden Umstände abzustellen. Fehlhaltungen können korrigierte werden oder bestimmte Angewohnheiten, den Ellenbogen ständig auf bestimmte Art abzustützen können verändert werden.
Nach Abstellen der verursachenden Faktoren und Anwendung konservativer Behandlungenmethoden wie Entlastung durch Hochlegen und Kühlung des Ellenbogeninnenbereichs kann es notwendig werden, den betroffenen Ellenbogen eine gewisse Zeit ruhig zu stellen. Es kann sogar erforderlich sein, den Arm mittels Gipsverband vorübergehend zu fixieren, um die Regeneration des Ellennervs zu ermöglichen.
In chronischen und fortgeschrittenen Fällen, in denen die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg brachte, stehen ein herkömmlicher und ein minimalinvasiver chirurgischer Eingriff zur Verfügung. Bei der herkömmlichen Operationsmethode wird der Nerv im Bereich der Ulnarisrinne freigelegt und störendes Gewebe entfernt, um eine Druckentlastung zu erreichen. In Einzelfällen kann es notwendig werden, den Nervus ulnaris zu verlegen.
Eine moderne und schonendere Alternative zum offenen chirurgischen Eingriff besteht in der endoskopischen minimalinvasiven Methode. Über einen kleinen Schnitt werden Endoskop und Schneidwerkzeug an dem Ellennerv platziert und störendes Gewebe, das die Läsion des Nervs ausgelöst hat, kann entfernt werden. Mit der minimalinvasiven Methode kann ein Bereich von Mitte Oberarm bis Mitte Unterarm abgedeckt werden.
Vorbeugung
Das Ulnarisrinnen-Syndrom wird in der Regel durch mechanische Reize und nicht durch physiologische oder ernährungsbedingte Vorgänge ausgelöst. Die wichtigste vorbeugende Maßnahme besteht daher in der Vermeidung von Fehlbelastungen und/oder von (schlechten) Angewohnheiten, die längerfristig zu einer Läsion des Nervus ulnaris führen können.
Erste Anzeichen einer Beeinträchtigung des Ellennervs, die sich z. B. durch Kribbeln oder Brennen im Kleinfinger oder im Ringfinger andeuten, sollten ernst genommen und eventuell Ursachen dafür analysiert und dann abgestellt werden.
Nachsorge
Eine Nachbehandlung ist erforderlich, wenn das Ulnarisrinnen-Syndrom durch einen operativen Eingriff behandelt wird. Mitunter kann sich nach der Operation ein leichtes Brennen an der Wunde zeigen. Der Arzt verabreicht in solchen Fällen schmerzlindernde und abschwellende Arzneimittel. In der Regel sind die schmerzhaften Beschwerden nach einigen Tagen wieder verschwunden.
Ebenso kehrt die Sensibilität an den Fingern spätestens nach einigen Wochen wieder zurück. Um die Wundheilung zu beschleunigen und dem Anschwellen der Gliedmaße entgegenzuwirken, ist es wichtig, den Arm ruhig zu stellen und zu schonen. Einer kompletten Ruhigstellung mit einem Gips bedarf es aber nur nach einer offenen Operation. Findet dagegen ein minimal-invasiver Eingriff mit einem Endoskop statt, erhält der Patient einen Druckverband und darf den Ellenbogen behutsam bewegen.
Nach etwa zehn bis vierzehn Tagen werden die Fäden oder Klammern an der Haut des operierten Arms wieder vom Arzt entfernt, wenn die Wunde gut verheilt ist. Schon nach ein bis drei Tagen wird auch die kleine Drainage, die zum Abfluss von Blut und Wundflüssigkeit dient, wieder abgenommen.
Im Falle einer ambulanten Operation gibt der Arzt dem Patienten vor dessen Entlassung genaue Anweisungen, wie er sich zu verhalten hat. Außerdem teilt er ihm mit, wann die erste Kontrolluntersuchung vorgenommen werden müssen. Im Normalfall führt der operierende Mediziner die Nachbehandlung selbst durch.
Das können Sie selbst tun
Das Ulnarisrinnen-Syndrom wird mittels einer Schienung oder Polsterung der Ellenbogenregion behandelt. Unterstützend muss das Bewegungsverhalten verändert werden. Zum Beispiel ist eine Aufstützung des gebeugten Ellenbogens zu vermeiden. Der Physiotherapeut oder Sportmediziner kann Maßnahmen nennen, mit denen der Patient die Bewegungsabläufe anpassen kann. Die Übungen sollten regelmäßig durchgeführt werden, damit sich aus dem Ulnarisrinnen-Syndrom keine chronische Erkrankung entwickelt.
Bei starken Schmerzen oder Nervenstörungen ist eine operative Dekompression des Nervus ulnaris notwendig. Nach dem Eingriff muss die Operationswunde sorgfältig beobachtet werden, da durch wiederholte Beugebewegungen des Ellenbogens Blutungen und andere Beschwerden auftreten können. Meist wird eine Schiene angebracht, welche regelmäßig justiert werden muss.
Personen, bei denen ein Ulnarisrinnen-Syndrom diagnostiziert wurde, müssen zunächst auf jede sportliche Aktivität verzichten, die den betroffenen Arm bzw. den Ellenbogen betrifft. Als Alternativen bieten sich Krankengymnastik und Physiotherapie an. Massagen, kühle oder warme Auflagen sowie beruhigende Bäder unterstützen den Heilungsverlauf. Welche Selbsthilfe-Maßnahmen im Detail sinnvoll und notwendig sind, hängt immer von der Ausprägung des Leidens ab. Die Patienten wenden sich am besten an den zuständigen Arzt, der anhand des Symptombilds geeignete Maßnahmen nennen kann.
Quellen
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013