Vaginismus (Scheidenkrampf)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Vaginismus oder Scheidenkrampf ist das plötzliche, unkontrollierbare und schmerzhafte Verkrampfen von Muskeln im Bereich von Beckenboden und Scheide. Um einen negativen Kreislauf zwischen Schmerz und der Angst vor einem erneuten Krampf zu unterbrechen, ist eine frühzeitige Suche nach den Ursachen nötig. Diese liegen entweder im körperlichen, in den meisten Fällen aber im psychischen Bereich. Die Therapie richtet sich nach den jeweiligen Ursachen, wobei bei psychischen Auslösern oft eine individuelle Kombination aus Psychotherapie, Entspannungsübungen, Beckenbodentraining und der Verwendung von Vaginaldilatatoren zur Behandlung des Vaginismus angewandt wird.
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Was ist Vaginismus?
Vaginismus (Scheidenkrampf) bezeichnet das unwillkürliche und äußerst schmerzhafte Verkrampfen der Muskulatur des Beckenbodens und von Teilen der Vagina.
Die Folge der plötzlich auftretenden, extremen Verspannung ist eine deutliche Verengung der Scheide mit der Konsequenz, dass gynäkologische Untersuchungen, der Geschlechtsverkehr oder das Einführen von Gegenständen (Tampon, Finger) mit starken Schmerzen verbunden oder gar unmöglich sind – auch wenn das Einführen von der Frau gewünscht wird. Sie selbst kann den reflexartig eingetretenen Muskelspasmus in der Regel nicht beeinflussen.
Da wiederkehrende Scheidenkrämpfe über die wachsende Erwartungsangst auch eine psychische Belastung der betroffenen Frau sowie eine massive Einschränkung in ihrer Sexualität und damit ihrer Lebensqualität darstellen, sollte über einen vertrauensvollen Arztbesuch eine zeitnahe Ursachenforschung beziehungsweise die Behandlung des Vaginismus eingeleitet werden.
Ursachen
Der Vaginismus gehört zu den schmerzbetonten sexuellen Funktionsstörungen und kann sowohl physische als auch psychische Ursachen haben.
Im körperlichen Bereich gehören beispielsweise ein schwer zu penetrierendes Jungfernhäutchen, die durch ein Septum verengte Scheide, Infektionen, hormonelle Ursachen oder Funktionsstörungen der Beckenbodenmuskulatur zu den klassischen Auslösern. Bei den psychischen Ursachen ist an eine traumatische sexuelle Erfahrung, ein negatives Geburtserlebnis oder eine die Sexualität abwertende Erziehung zu denken.
In der Medizin wird zudem zwischen dem primären Vaginismus – hier war die Frau niemals in der Lage, etwas in die Vagina einzuführen – und der durch ein negatives Ereignis ausgelösten Abwehrreaktion des sekundären Vaginismus unterschieden.
Das überfallartige Auftreten des Krampfes und die ausgeprägte Schmerzsymptomatik rufen bei den meisten Frauen eine intensive Erwartungsangst im Hinblick auf den nächsten Anfall hervor, sodass auch bei körperlichen Ursachen immer die psychische Komponente des Vaginismus mit zu beachten ist.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Vaginismus beschreibt die unwillkürliche, krampfhafte Verengung der Vagina einer Frau. Das Ausmaß der Krämpfe kann sehr unterschiedlich sein. Manche Frauen verkrampfen sich bei einer Untersuchung beim Gynäkologen, bei anderen Frauen tritt die Verkrampfung selten auf. Die Verkrampfung zeigt sich meist im äußeren Drittel der Scheide beim Eindringen des Penis. Bei manchen Betroffenen kommt es aber auch zu einem Scheidenkrampf und bei einigen Betroffenen kann es zu einer Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur kommen.
Die Verkrampfung geht mit einem stechenden, pochenden Schmerz einher und einem starken Brennen. Da der Vaginismus am häufigsten während dem Sex auftritt, haben betroffene Frauen einen großen Leidensdruck und vermeiden sexuelle Kontakte. Da der Vaginismus in einigen Fällen auch von dem Einführen eines Tampons hervorgerufen werden kann, kann es zu Folgesymptomen wie mangelnder Hygiene oder Entzündungen kommen.
Vaginismus geht nicht nur mit einer panischen Angst vor den auftretenden Schmerzen einher, sondern ist oft auch ein Tabuthema. Viele Frauen haben Angst davor mit ihren Ärzten darüber zu sprechen. In einigen Fällen werden Gynäkologen auch direkt gemieden, da die Untersuchung Verkrampfungen hervorbringen kann. In einigen Fällen kann Vaginismus auf eine psychische Ursache hindeuten, wie beispielsweise einem Missbrauch. Solche psychischen Ursachen können in behutsamen Gesprächen mit dem Arzt erfragt werden.
Diagnose & Verlauf
Wichtiger Baustein für die Diagnose des Vaginismus ist die Schilderung der Symptome des Scheidenkrampfes durch die Patientin. Ob eine gynäkologische Untersuchung der Betroffenen – etwa zum Ausschluss von Geburtsverletzungen, Verengungen oder Infektionen – überhaupt möglich ist, hängt vom individuellen Ausmaß der jeweiligen Störung ab.
Psychische Ursachen wie eine traumatische Erfahrung (Vergewaltigung, Missbrauch, schmerzhaft erlebte gynäkologische Untersuchung) werden in behutsamen Gesprächen mit dem Arzt oder Psychologen erörtert. Voraussetzung für Diagnostik und Behandlung ist jedoch, dass sich die Frau mit dem vermeintlichen Tabuthema des Vaginismus an ihren Arzt und gegebenenfalls auch an ihren Partner wendet.
Nur so ist es möglich, den Teufelskreis aus Erwartungsangst und schmerzhaften Krämpfen zu unterbrechen und dauerhafte sexuelle Störungen sowie mögliche negative Auswirkungen des Vaginismus auf die Partnerschaft zu vermeiden.
Komplikationen
Vaginismus wirkt sich fast immer auf sexuelle Beziehungen aus, da eine Penetration nicht oder nur unter Schmerzen möglich ist. In einigen Fällen kommt eine Angst oder Aversion vor sexuellen Situationen hinzu.
Frauen, die eine Partnerschaft führen, setzen sich möglicherweise psychisch unter den Druck zu „funktionieren“. Dadurch kann sich der Vaginismus jedoch sogar verstärken. Wenn die sexuellen Bedürfnisse des anderen Partners unbefriedigt bleiben oder der Partner kein ausreichendes Verständnis für die Beschwerden hat, sind außerdem Beziehungskonflikte möglich.
Einige Frauen, die unter Vaginismus leiden, meiden deshalb Liebesbeziehungen und ziehen sich zurück. Oft ist dieser Rückzug nicht freiwillig und von starken Gefühlen wie Einsamkeit gekennzeichnet. Affektive Störungen wie Depressionen werden dadurch begünstigt.
Scham und Schuldgefühle sind eine häufige Folge von Vaginismus. Darüber hinaus sinkt oft das Selbstwertgefühl. Eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere psychische Erkrankungen sind möglich, wenn der Vaginismus auf ein Trauma oder andere Belastungsfaktoren zurückgeht.
Medizinische Komplikationen entstehen beim Vaginismus fast ausschließlich indirekt. Der Vaginismus kann so stark ausgeprägt sein, dass bestimmte gynäkologische Untersuchungen nicht möglich sind. Meidet eine betroffene Frau daraufhin den Besuch beim Frauenarzt, schiebt sie unter Umständen die Behandlung von anderen Beschwerden auf. Daraus können sich weitere Komplikationen entwickeln, beispielsweise bei Infektionen, die aufgrund des vermeidenden Verhaltens nicht frühzeitig behandelt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Vaginismus ist schmerzhaft und kann ein normales Sexleben für betroffene Frauen nahezu unmöglich machen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich Vaginismus von alleine bessert oder die Frau dazu in der Lage ist, ohne Hilfe Mechanismen zu entwickeln, damit umzugehen. Deswegen sollte bei Auftreten der ersten Fälle umgehend der Gynäkologe aufgesucht werden. Da Vaginismus in Verbindung mit traumatischen Erfahrungen auftreten kann, kann sich eine Frau auch an einen behandelnden Psychologen wenden, wenn sie die Symptome bemerkt.
Der Arztbesuch darf dabei nicht abhängig vom Alter der betroffenen Frau oder ihrer sexuellen Erfahrung gemacht werden. Es kann sein, dass Vaginismus bei einem jungen Mädchen auftritt und sie es bei den ersten sexuellen Erfahrungen bemerkt - genauso kann es sein, dass eine Frau nach einer Geburt plötzlich unter Vaginismus leidet, da sie die Erfahrungen der Geburt nicht verarbeitet hat.
In manchen Fällen treten Beschwerden beim Geschlechtsverkehr scheinbar ohne jede erkennbare Ursache auf, was jedoch nicht heißt, dass es sich nicht dennoch um Vaginismus handeln kann. Erkennen kann das nur der Gynäkologe, doch je früher Vaginismus erkannt werden kann, desto eher lässt er sich behandeln. Die Behandlungsdauer wird einige Zeit in Anspruch nehmen, jedoch umso mehr Zeit, je mehr unangenehme Erfahrungen eine Patientin mit Vaginismus vor ihrem ersten Arzttermin macht.
Behandlung & Therapie
Eine effektive Behandlung des Vaginismus richtet sich nach dem jeweiligen Auslöser der Scheidenkrämpfe. Bei körperlichen Ursachen zählen dazu beispielsweise die operative Spaltung eines festen Jungfernhäutchen oder das Entfernen eines angeborenen Septums in der Vagina.
Liegt der Verdacht auf eine psychisch fundierte Erkrankung vor, wird häufig eine Kombination wirkungsvoller Therapiemaßnahmen eingesetzt, um die Anfallshäufigkeit und die Angst der Patientin schrittweise zu reduzieren. Oft bringt bereits der Schritt, sich Arzt und Partner anzuvertrauen, für die Betroffenen eine erste Erleichterung mit sich, wenn sie Verständnis für ihre Situation erfahren. Im Bereich der Scheidenkrampf-Therapie werden besonders mit Vaginaldilatatoren gute Erfolge erzielt. Hierbei handelt es sich um glatte, konisch verlaufende Stäbe in verschiedenen Größen, mit deren Hilfe die Frau ihre Scheide behutsam weiten kann.
Diese Behandlung kann durch klassische Entspannungsverfahren oder Biofeedback unterstützt werden, aber auch durch ein gezieltes Beckenbodentraining, bei dem die Frau über An- und Entspannung der betreffenden Muskulatur das Erlebnis der Kontrolle über den eigenen Körper wiederfinden kann. Bei massiven psychischen Auslösern ist eine begleitende Psychotherapie anzuraten, die der Verarbeitung erlebter Traumata dient. Bei schwerwiegenden Auswirkungen auf die Partnerschaft können spezielle Paar- oder Sexualtherapien hilfreich gegen den Vaginismus sein.
Aussicht & Prognose
Vaginismus verhindert für die betroffenen Personen ein erfüllendes Sexleben. Leider handelt es sich bei den schmerzhaften Scheidenkrämpfen um einen Zustand, der sich nicht von alleine wieder bessern wird. Da die häufigste Ursache für Vaginismus seelische Auslöser sind, kann sich der Zustand erst dann bessern, wenn die Ursache erkannt und behandelt wird.
Je nachdem, was die Scheidenkrämpfe auslöst, kann es mehrere Sitzungen beim Sexualpsychologen brauchen, bis die Frau eine spürbare Besserung bemerkt. Selbst, wenn es eine rein körperliche Ursache gibt oder die seelischen Auslöser sich durch Übungen und Training mit Dilatatoren bessern lassen, braucht das seine Zeit. Bei dieser Methode führt die Frau nach und nach immer breitere Gegenstände in die Scheide ein und arbeitet daran, sich bewusst zu entspannen. Dadurch wird für sie mit der Zeit ein normales und erfüllendes Sexleben möglich.
Was den Erfolg der Behandlung verhindern kann, ist Druck durch den Partner oder auch durch sich selbst. Es ist zwar nur verständlich, aber absolut kontraproduktiv, wenn der Partner oder die Patientin selbst ungeduldig werden und sich dadurch noch weiter unter Druck setzen. Schlimmstenfalls kann das den schon vorhandenen Vaginismus noch verschlimmern und bereits erreichte Behandlungserfolge wieder rückgängig machen. Eine Einbeziehung des Partners in die Diagnose und Behandlung sorgt dagegen dafür, dass dieser Verständnis entwickeln kann und durch Geduld zur Besserung beiträgt.
Vorbeugung
Wegen der Vielzahl der Ursachen und seinem plötzlichen Auftreten ist der Vaginismus eine Störung, der man kaum vorbeugen kann. Im körperlichen Bereich sind regelmäßige gynäkologische Untersuchungen sowie eine gute Hygiene Möglichkeiten, Erkrankungen, die den Scheidenkrampf begünstigen, früh festzustellen beziehungsweise zu vermeiden. Im psychischen Bereich sollte vor allem darauf Wert gelegt werden, negative Ereignisse rund um Sexualität oder Geburt konsequent aufzuarbeiten, um dem Entstehen des Vaginismus als Traumafolge entgegenzuwirken.
Nachsorge
Nach einem Vaginismus (Scheidenkrampf) ist individuelle Nachsorge oft hilfreich. Der Grund für die Verkrampfung ist für die Gestaltung der persönlichen Nachsorge wichtig. Körperliche Ursachen werden vom Gynäkologen betreut, psychologische Ursachen benötigen oft die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arzt, Psychologe, der Betroffenen selbst und ihrem Partner.
Die Angst vor einem erneuten Scheidenkampf kann eine Frau in ihrem Sexualleben deutlich einschränken und sogar Grund für einen erneuten Vaginismus darstellen. Daher ist es gut, die Ursache für den individuellen Vaginismus zu kennen und an dieser zu arbeiten. Sind es bestimmte Stellungen beim Geschlechtsverkehr, die den Scheidenkrampf offensichtlich auslösen, ist in der Nachsorge darauf einfach zu verzichten.
Ist die Angst vor dem Eindringen zu groß geworden, kann die Frau sich an diese Situation wieder allmählich mit einem Finger oder einem Vibrator herantasten. Oft sind es seelische Gründe, die für den Scheidenkrampf verantwortlich sind. Hier sollte die Nachsorge ganz behutsam ansetzen. Gespräche mit Psychologen helfen bei der Bewältigung von Problemen. Selbsthilfegruppen bieten den Austausch mit Gleichgesinnten.
Gespräche mit dem Partner tragen zum besseren gegenseitigen Verständnis bei und bauen Ängste ab. Auch die Entspannungsfähigkeit der Frau sollte in der Nachsorge gefördert werden. Dies ist mit Progressiver Muskelrelaxation oder auch Yoga gut möglich.
Das können Sie selbst tun
In vielen Fällen ist ein Scheidenkrampf auf einen psychischen Auslöser zurückzuführen. Dies zu verinnerlichen und anzunehmen, dass keine organische Störung vorliegt, ist ein guter erster Schritt. Bei physisch bedingtem Vaginismus durch z.B. eine verengte Scheide oder entzündetes Gewebe, ist eine Behandlung der Ursache notwendig.
Ein guter Weg, um das Körpergefühl im Intimbereich zu stärken und weitere anatomische Kenntnisse über die Sexualorgane zu erlangen, besteht im Ausüben eines guten Beckenbodenmuskulaturtrainingsprogramms. Hierfür gibt es Gruppen- und Heimkurse, die mit oder ohne Partner absolviert werden können.
Insofern dem Vaginismus keine Traumata psychischer oder physischer Natur zugrunde liegen, kann ein geeignetes Mittel zur Entspannung angewandt werden, bei welchem sich die Betroffene voll und ganz auf sich und ihren Körper konzentriert. Bei situativ bedingtem Vaginismus - also einem Scheidenkrampf, der immer in der selben Situation auftritt - kann es helfen, sich mit dem vermeintlichen Trigger näher zu beschäftigen.
Weiterhin werden Masturbationsübungen, bei welchen die Bewegung von der Scheide durch Bewegung des Beckens ausgeht, gute Ergebnisse beim Überwinden eines Scheidenkrampfes zugesprochen. Hierbei ist es wichtig, dass die Kontrolle vom Geschlechtsorgan und nicht von Fingern oder ähnlichem ausgeht. Dadurch wird erlernt, wie sich die Scheide beim versuchten Eindringen verhält. Diese können auch, unter Berücksichtigung der eigenen körperlichen Grenzen, bei einer zu engen Scheide zu einer gewissen Desensibilisierung und Dehnung des Gewebes führen. Allerdings ist der Effekt bei einer zu klein gebauten Scheide begrenzt.
Quellen
- Haag, P., Harnhart, N., Müller, M. (Hrsg.): Gynäkologie und Urologie. Für Studium und Praxis 2014/15. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2014
- Uhl, B.: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Thieme, Stuttgart 2013
- Weyerstahl, T., Stauber, M.: Gynäkologie und Geburtshilfe, duale Reihe. Thieme, Stuttgart 2013