Ventilationsstörung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem Begriff Ventilationsstörungen werden in der Humanmedizin Störungen in der Ein- und Ausatmung zusammengefasst. Dabei wird zwischen obstruktiver, restriktiver und neuromuskulärer Ventilationsstörung unterschieden. Als obstruktiv wird eine Erhöhung des Atemwegswiderstandes, als restriktiv eine Verminderung der Vitalkapazität bzw. der totalen Lungenkapazität bezeichnet und als neuromuskulär eine nervlich bedingte motorische Einschränkung der Atmung bezeichnet.
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Was sind Ventilationsstörungen?
Die Bezeichnung Ventilationsstörung wird in der Humanmedizin sowohl für eine Behinderung der Atmung durch erhöhten Atemwiderstand wie auch für eine verringerte Lungenkapazität verwendet - und damit auch für eine verringerte Vitalkapazität. Ein erhöhter Atemwiderstand kann durch Hindernisse in den Luftwegen oder durch äußeren Druck auf die Luftwege entstehen.
Ein derartiger Atemwegswiderstand wird als obstruktiv bezeichnet. Eine restriktive Ventilationsstörung liegt vor, wenn die Lungenvolumina aufgrund einer Veränderung des Lungenfunktionsgewebes eingeschränkt sind. Ebenso entspricht eine Behinderung der Atmung durch neuromuskuläre Erkrankungen oder durch Verletzungen des Brustkorbs einer restriktiven Ventilationsstörung.
In der Regel handelt es sich dabei um eine verminderte Compliance des Atemapparates und damit auch um eine verringerte Vitalkapazität. Sowohl mechanisch-muskuläre und neuromuskuläre Probleme mit der Atmung wie auch eine Veränderung des funktionalen Gewebes (Parenchym) der Lunge und Bronchien werden gleichermaßen als restriktive Ventilationsstörungen bezeichnet.
Als neuromuskuläre Ventilationsstörungen werden nervlich bedingte Einschränkungen bezeichnet wie sie beispielsweise bei Querschnittslähmungen auftreten können oder bei einer Störung der übergeordneten Atemzentren im Gehirn.
Ursachen
Beide Erkrankungen ziehen durch Schleimhautschwellung, durch eine Verdickung der kontrahierenden Bronchialmuskulatur und durch Sekretion eines zähen Schleims eine Verringerung des Lumens in den Bronchien nach sich, so dass sich der Atemwegswiderstand erhöht. Auch Einengungen der Atemwege, die beispielsweise durch raumbeanspruchende Strukturen wie Tumoren entstehen, werden zu den obstruktiven Ventilationsstörungen gezählt. Zu den Verursachern einer klassischen restriktiven Ventilationsstörung zählen Lungenfibrose, eine Lähmung (Parese) oder Versteifung des Zwerchfells oder ein Pleuraerguss.
Charakteristisch für eine Lungenfibrose, die sehr viele verschiedene Ursachen haben kann, ist der allmähliche Umbau des funktionalen Lungengewebes zu bindegewebsartigen Strukturen mit allmählichem Funktionsverlust. Für den Pleuraerguss, eine übermäßige Flüssigkeitsansammlung zwischen den beiden Blättern des Brustfells, ist ebenfalls eine Vielzahl möglicher Verursachungsfaktoren verantwortlich.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Anzeichen und Beschwerden einer Ventilationsstörung deckt eine große Bandbreite ab und ist weitestgehend abhängig von der Grunderkrankung beziehungsweise von den Verursachungsfaktoren. Beispielsweise macht sich eine chronische Bronchitis, die sich zur COPD entwickeln kann, durch einen produktiven Husten bemerkbar, der über Jahre andauern kann.
Zusätzlich zeigt sich häufig mit zunehmendem Verlauf der Krankheit eine Belastungsdyspnoe. Bei einer schweren Verlaufsform kann sich auch eine Ruhedyspnoe zeigen. Eine Ventilationsstörung, die durch einen akuten Asthmaanfall verursacht wird, kann eine akute Atemnot hervorrufen, weil die Atemwege fast vollständig blockiert werden.
Anhaltender Hustenreiz, Erhöhung der Pulsfrequenz und eine ausgeprägte Zyanose mit blauen Lippen können als Sekundärsymptome eingeschätzt werden, die sich aufgrund der verminderten Sauerstoffversorgung entwickeln. Die restlichen Verursacher einer obstruktiven oder restriktiven Ventilationsstörung zeichnen sich meist durch eine unspezifische Belastungs- oder Ruhedyspnoe und durch einen Hustenreiz aus, der mit einer vermehrten Schleimbildung assoziiert ist.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Ventilationsstörungen sind immer Ausdruck unterschiedlicher Grunderkrankungen, so dass die Feststellung einer obstruktiven, restriktiven oder neuromuskulären Ventilationsstörung häufig noch keine Aussage über die verursachenden Faktoren beinhaltet. Für den Nachweis einer Ventilationsstörung steht eine Vielzahl diagnostischer Hilfsmittel innerhalb einer Lungenfunktionsprüfung zur Verfügung wie Spirometrie mit Messung der Vitalkapazität und verschiedener statischer und dynamischer Parameter.
Ein wenig aufwändiger ist die sogenannte Bodyplethysmographie oder Ganzkörperplethysmographie, die eine geschlossene Kabine mit spezialisierter Technik erfordert. Das Verfahren gibt Aufschluss über Druckverhältnisse im Brustkorb und über den Atemwegswiderstand sowie über einige weitere Parameter wie Totalkapazität der Lunge und nicht ausatembares Restvolumen. Der Verlauf einer Ventilationsstörung hängt von der verursachenden Grunderkrankung ab. Im Falle einer COPD oder einer Lungenfibrose kann es unbehandelt zu einem schweren Verlauf mit ungünstiger Prognose kommen.
Komplikationen
Abhängig von der Ursache, kann eine Ventilationsstörung verschiedene Komplikationen der Atemwege hervorrufen. Tritt die Störung zum Beispiel im Rahmen einer chronischen Bronchitis auf, nehmen die typischen Beschwerden, also Husten, Auswurf und Atemnot, im Verlauf der Erkrankung zu und gehen mit einer verkürzten Lebenserwartung einher. Eine mögliche Folgeerkrankung ist die Tachykardie, krankhaftes Herzrasen, das weitere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems nach sich ziehen kann.
Des Weiteren kann es in Verbindung mit einer anhaltenden Ventilationsstörung zu einer Zyanose kommen, bei der sich die Haut blau färbt. Im Verlauf der Störung zeigt sich häufig auch eine Belastungsdyspnoe beziehungsweise eine Ruhedyspnoe, wenn die Grunderkrankung schwer verläuft. Ventilationsstörungen im Rahmen eines akuten Asthmaanfalls können zu einer akuten Atemnot führen. Im Extremfall kommt es zu Erstickungssymptomen und einer Panikattacke.
Problematisch ist vor allem eine unbehandelte Störung der Ventilation, denn diese kann in den späteren Stadien Folgeschäden am Gehirn (durch chronische Sauerstoffarmut) und an der Lunge hervorrufen. Bei der Behandlung gehen die Risiken hauptsächlich von den verordneten Arzneimitteln aus, die oft mit Neben- und Wechselwirkungen verbunden sind.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Störungen der Atemtätigkeit sollten grundsätzlich ärztlich abgeklärt werden, sofern sie über mehrere Wochen oder Monate fortbestehen. Bei einer akuten Atemnot ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen. Kommt es aufgrund des Sauerstoffmangels zu einem Verlust des Bewusstseins, muss ein Rettungsdienst alarmiert werden. Darüber hinaus ist von anwesenden Personen die Mund-zu-Mund-Beatmung aus dem Katalog der Ersten Hilfe anzuwenden. Nur so kann das Überleben des Betroffenen sichergestellt werden. Schwindel, Gangunsicherheiten, eine allgemeine Schwäche oder Störungen der Aufmerksamkeit und Konzentration weisen auf gesundheitliche Unregelmäßigkeiten hin, die ärztlich abgeklärt werden sollten.
Ein blasses Hautbild, Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus und Schlafstörungen sind weitere Beschwerden die untersucht werden müssen. Eine schwere Atmung, Aussetzer der Atemtätigkeit sowie allgemeine Funktionsstörungen sind Anzeichen einer Ventilationsstörung. Damit ein Behandlungsplan erstellt werden kann, ist eine Diagnosestellung bei einem Arzt notwendig. Können die alltäglichen Verpflichtungen nicht wahrgenommen werden oder zeigen sich Probleme bei der Bewältigung sportlicher Aufgaben, ist eine Abklärung der Ursache anzuraten.
Bei einem inneren Druckgefühl, einem allgemeinen Unwohlsein sowie einer schnellen Ermüdbarkeit sind die Beobachtungen mit einem Arzt zu besprechen. Der Verlust der Lebensfreude, Apathie und Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben sollten als Warnsignale gedeutet werden. Ein Arztbesuch ist anzuraten, damit die Gründe für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen ermittelt werden können.
Behandlung & Therapie
Die Therapierung einer Ventilationsstörung ist immer auf die Behandlung der verursachenden Grunderkrankung ausgerichtet. Falls es sich um eine durch langfristiges Einatmen toxischer Dämpfe oder Stäube oder durch Zigarettenrauch handelt, besteht der erste Teil einer Therapie darin, die Substanzen zukünftig zu meiden. Die nächste Stufe einer Behandlung besteht meist in einer Behandlung mit Beta2-Mimetika, sogenannten Bronchodilatatoren, damit sich die Gefäßmuskulatur der Atemwege lockert und sich die Atemwege weiten.
Die Medikamente können auch in Form von Atemsprays eingenommen werden. Das hat den Vorteil, dass der Wirkstoff auf einfache Weise direkt an das betroffene Gewebe verbracht wird. Falls chronische Atemwegsentzündungen Mitverursacher der Ventilationsstörungen sind, werden vielfach Kortikosteroide eingesetzt. Allerdings müssen bei einer langfristigen Anwendung von Kortison auch dessen Nebenwirkungen bedacht werden, die unter anderem in einer Schwächung des Immunsystems gegenüber Infektabwehr bestehen kann.
In einigen Fällen, in denen bereits eine chronische Unterversorgung mit Sauerstoff besteht, kann eine zusätzliche Sauerstoffversorgung mittels Maske erforderlich sein. In sehr schweren Fällen können beispielsweise durch operative Eingriffe verengte und total verlegte Atemwege wieder eröffnet oder umgangen werden. Als Ultima Ratio werden bei einer Nichttherapierbarkeit auch Lungentransplantationen durchgeführt.
Vorbeugung
Direkt vorbeugende Maßnahmen, die eine Ventilationsstörung verhindern könnten, existieren nicht, weil die Krankheit entweder auf einer verursachenden Grunderkrankung basiert oder auf der Inhalation langfristig toxisch wirkender Stäube oder Aerosole beruht. Falls ein Fernhalten von bestimmten, toxisch wirkenden, Stoffen – dazu zählt auch Zigarettenrauch – nicht möglich ist, empfiehlt sich die Durchführung von Lungenfunktionsprüfungen in regelmäßigem Turnus von etwa drei bis fünf Jahren.
Die Ventilationsstörung stellt für den Patienten eine alltägliche Belastung dar. Aufgrund häufiger Atemschwierigkeiten sind viele Betroffene auf Atemgeräte angewiesen. Zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Lebensqualität ist eine Nachsorge ratsam. Der Patient soll im alltäglichen Gebrauch von Atemhilfen geübt sein. Bei Nachsorgeterminen erlernt er die korrekte Verwendung solcher Hilfsmittel.
Nachsorge
Einer Ventilationsstörung können akute und chronische Ursachen zugrunde liegen. Dauer und Umfang der Nachsorge hängen daher von der Grunderkrankung ab. Für chronische Lungenkrankheiten wie COPD oder Asthma bronchiale ist eine engmaschige Nachsorge erforderlich, der Pneumologe setzt sie langfristig an. Bei einem akuten Auslöser wird die eigentliche Erkrankung behoben.
Im Rahmen der Nachsorge kontrolliert der Facharzt, ob sich eine Besserung des Zustandes einstellt. Die nachsorgenden Untersuchungen werden bis zum Abklingen der Symptome fortgeführt. Gegen Sekretbildung und Husten werden dem Patienten lindernde Medikamente verordnet. Überdies schließt die Nachsorge nahstehende Personen mit ein.
Sie werden über Maßnahmen zur ersten Hilfe in Kenntnis gesetzt. Eine akute Atemnot kann rechtzeitig erkannt und erstversorgt werden. Ausgewogene vitaminreiche Ernährung, Vermeiden eines zu hohen Stressniveaus sowie das Aufsuchen von Selbsthilfegruppen tragen zur Verbesserung des Zustandes bei. Die Nachsorge entspricht in diesem Fall eher einer Vorsorge.
Das können Sie selbst tun
Je nach Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung kann eine Ventilationsstörung die Lebensqualität der betroffenen Person erheblich einschränken. Wichtig ist aus psychologischer Sicht in erster Linie eine Aufrechterhaltung des sozialen Umfelds.
Insbesondere bei einer plötzlichen Verschlimmerung der Erkrankung kann es zu einer Arbeitsunfähigkeit und zu sozialen Problemen kommen. Die Folge sind oft Depressionen und eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Der Austausch mit anderen Betroffenen in Foren oder Selbsthilfegruppen durchbricht diese Abwärtsspirale. Dort finden Betroffene nicht nur Erfahrungen, sondern erhalten auch aktuelle Informationen zu Ärzten, Sportgruppen und anderen Anlaufstellen.
Aus medizinischer Sicht ist insbesondere die Therapietreue des Erkrankten wichtig. Regelmäßige Gespräche mit dem Arzt erleichtern die Durchführung einer gut abgestimmten Therapie. Spezieller Lungensport ist bei einer Ventilationsstörung besonders wichtig. Betroffene können diese Maßnahmen selbst unterstützen, indem sie zu Hause Sport treiben und körperlich aktiv bleiben. Daneben gelten allgemeine Maßnahmen wie ausreichend Ruhe und Stressvermeidung. Gegebenenfalls muss die Ernährung angepasst werden, um der progressiv voranschreitenden Erkrankung gerecht zu werden. Der Verband COPD Deutschland e. V. kann Betroffenen weitere Tipps und Maßnahmen zur Behandlung einer Ventilationsstörung an die Hand geben.
Quellen
- Bungeroth, U.: BASICS Pneumologie. Urban & Fischer, München 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015