Wachstumsstörungen bei Kindern

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Wachstumsstörungen bei Kindern bezeichnen ein auffälliges Wachstumsverhalten während des Heranwachsens. Als Orientierung zur Einstufung einer Wachstumsstörung wird die sogenannte Wachstumskurve herangezogen.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Wachstumsstörungen?

Mehrfache Untersuchungen des Wachstumsfortschritts helfen dabei, ihr Wachstumsmuster mit der allgemeinen alterstypischen Wachstumskurve abzugleichen und Wachstumsstörungen bei Kindern festzustellen.schrift
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Als Wachstumsstörung bei Kindern gilt ein von dem altersgemäß normalen Wachstumsverlauf stark abweichendes Wachstum. Um dieses zu ermitteln, wird die Wachstumskurve herangezogen. Diese beschreibt ein alterstypisch ideales Wachstumsmuster, schließt aber auch die als normal geltenden Niedrig- und Höchstwerte ein.

Liegt das Wachstumsbild eines Kindes außerhalb dieses Bereichs, geht man von einer Wachstumsstörung aus. Die Kinder werden dann als kleinwüchsig oder hochwüchsig eingestuft. Nur 0.05 Prozent aller Kinder sind von solchen Entwicklungsstörungen betroffen, deren Ursachen unterschiedlicher Natur sein können.

Grob unterscheidet man hierbei zwischen hormonell bedingten, genetisch begründeten und krankheitsbedingten Wachstumsstörungen. Können diese Ursachen als Auslöser für die Entwicklungsstörung identifiziert werden und belegen zudem mehrere Untersuchungen die Abweichungen von der Wachstumskurve, spricht man von einer Wachstums- oder Entwicklungsstörung bei Kindern.

Ursachen

Die Ursachen für eine Wachstumsstörung bei Kindern sind vielfältiger Natur. So beeinflussen zum Beispiel die genetische Veranlagung und das Wachstum der Eltern die Wachstumskurve ihrer Kinder.

Ein besonderer Fall ist hierbei der konstitutionelle Kleinwuchs. Die Wachstumswerte der hiervon betroffenen Kinder befinden sich im unteren Normbereich der Wachstumskurve und auch die Kurve der Eltern ist noch normal ausgeprägt. Dennoch verzögert sich bei diesen Kindern die Skelettentwicklung.

Obwohl auch ihre Pubertät oft zeitverzögert auftritt, erreichen die Betroffenen im Erwachsenenalter wieder eine normale Körpergröße. Der hypophysäre Kleinwuchs gilt als hormonell bedingte Wachstumsstörung und wird dadurch verursacht, dass die Hypophyse nicht ausreichend Wachstumshormone produziert. Schließlich können auch chronische Herz- und Lungenerkrankungen Wachstumsstörungen bei Kindern wie zum Beispiel den sogenannten sekundären Kleinwuchs verursachen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Neben einer zu kleinen oder zu großen Körpergröße außerhalb des altersgerechten Normbereichs können auf eine Wachstumsstörung bei Kindern verschiedene Auffälligkeiten hinweisen. Dazu zählen ein unnatürlicher, nicht dem Alter entsprechender Kopfumfang sowie zu kleine oder zu große Hände und Füße. Auf eine Wachstumsverzögerung deutet in vielen Fällen auch eine verlangsamte Zahnentwicklung hin.

Daher entwickelt sich auch der Zahnwechsel später als bei altersmäßig vergleichbaren Kindern. Außerdem zeigt sich ein vermehrtes Fettgewebe sowie ein puppenähnliches Gesicht. Bei Jungen ist das Genital auffällig klein entwickelt. Über einen langen Zeitraum bleibt die Stimme hoch und piepsig klingend. Die Muskelmasse ist geringer ausgeprägt und verursacht eine geringere Kraft. Gleichaltrige verfügen über mehr Energie.

Wachstumsstörungen bei Kindern führen oft zu spöttischen Bemerkungen anderer Kinder, die zu Anzeichen von depressiven Verstimmungen führen können. Minderwertigkeitskomplexe und ein mangelndes Selbstwertgefühl können sich ebenso als Beschwerden darstellen. Ein Symptom für eine Wachstumsstörung bei Babys kann ein deutlich zu niedriger Blutzuckerspiegel sein.

Eine Wachstumsstörung aufgrund eines Wachstumshormonmangels betrifft in der Regel alle Körperteile (proportionierter Kleinwuchs). Ist eine Schilddrüsenunterfunktion für den Minderwuchs verantwortlich, können die Kinder unter Müdigkeit, trockener Haut sowie Verstopfung leiden. Ein Wachstumshormonmangel kann dazu führen, dass die Kinder häufig nicht genug essen und trinken wollen. Übermäßige Wachstumsschübe können insbesondere in Ruhezeiten zu Schmerzen in den Gliedmaßen führen.

Diagnose & Verlauf

Mehrfache Untersuchungen des Wachstumsfortschritts helfen dabei, ihr Wachstumsmuster mit der allgemeinen alterstypischen Wachstumskurve abzugleichen und Wachstumsstörungen bei Kindern festzustellen. Voruntersuchungen können bereits vor der Geburt dazu beitragen, Entwicklungsstörungen bei Kindern zu erkennen.

Weitere regelmäßige Wachstums- und Gewichtsmessungen ergeben dann die individuelle Wachstumskurve des Kindes. Auf Frühgeborene sollten dabei gesonderte Regeln angewendet werden. Wird eine als signifikant einzustufende Abweichung von der normalen altersbedingten Wachstumskurve festgestellt, kann eine Wachstumsstörung bei Kindern angenommen werden.

Dann helfen Folgeuntersuchungen sowie die Ermittlung weiterer Faktoren wie Ernährung und Verdauung, körperliche Aktivität und Symptome für andere Erkrankungen, die etwaigen hormonellen und krankheitsbedingten Ursachen für die Wachstumsstörung bei Kindern zu ermitteln.

Komplikationen

Wachstumsstörungen bei Kindern können sich sehr unterschiedlich äußern und führen in der Regel immer zu einer deutlich verzögerten Entwicklung. Diese wirkt sich sehr negativ auf das weitere Leben und das Erwachsenenalter des betroffenen Kindes aus. Viele Kinder leiden bei diesen Störungen auch an Mobbing oder an Depressionen und entwickeln dadurch mitunter psychische Verstimmungen oder sogar Depressionen.

Auch ein deutlich verringertes Selbstwertgefühl oder Minderwertigkeitskomplexe können dabei auftreten und den Alltag des Kindes erschweren. Häufig sind die Wachstumsstörungen bei Kindern auch mit anderen Erkrankungen verbunden, sodass die Kinder an sehr brüchigen Knochen oder an verschiedenen Tumoren leiden. Dadurch kann eventuell auch die Lebenserwartung des Patienten eingeschränkt sein.

Auch die Eltern und die Angehörigen leiden sehr häufig an Depressionen oder an psychischen Beschwerden. Die Behandlung der Wachstumsstörungen bei Kindern erfolgt dabei mit Hilfe von Medikamenten. Im Fall von Tumoren müssen diese entfernt werden. Ein vollständig positiver Krankheitsverlauf stellt sich in den meisten Fällen nicht auf. Mit Hilfe von Ergänzungsmitteln kann das Wachstum in einigen Fällen beschleunigt werden. Eine frühe Diagnose dieser Störungen wirkt sich dabei immer positiv auf den Krankheitsverlauf aus.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kommt es bei Kindern während ihres natürlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesses zu Auffälligkeiten, sollten die Beobachtungen mit einem Arzt besprochen werden. Fehlhaltung, Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten, Schmerzen oder andere Besonderheiten deuten auf eine gesundheitliche Störung hin. Ein Arzt sollte konsultiert werden, damit eine Ursachenforschung eingeleitet werden kann. Zeigt das Kind im unmittelbaren Vergleich zu gleichaltrigen Spielkameraden ein stark verringertes oder erhöhtes Wachstum, ist ein Arztbesuch anzuraten.

Bei Gangstörungen, optischen Auffälligkeiten der Fortbewegung sowie ungleichen Längen der Gliedmaßen sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Kommt es im Alltag oder während der Ausübung sportlicher Tätigkeiten zu Problemen, benötigt das Kind Unterstützung. Veränderungsmaßnahmen sind notwendig, damit es zu keinen Beeinträchtigungen der Lebensqualität kommt. Bei Wachstumsstörungen sollte grundsätzlich so früh wie möglich reagiert werden. Dies ist für die bestmögliche Behandlungsstrategie essenziell.

Je fortgeschrittener die Störungen sind, desto komplexer werden notwendige Maßnahmen. In einigen Fällen kommt es zu lebenslangen Beeinträchtigungen. Stellen sich neben den körperlichen Auffälligkeiten zusätzlich emotionale Belastungszustände ein, benötigt das Kind ebenfalls eine ausreichende Unterstützung. Bei Stimmungsschwankungen, Verhaltensauffälligkeiten und einem Rückzug aus dem sozialen Leben ist eine Klärung der Auslöser und Gründe anzuraten. Bei depressiven Zuständen, Wutausbrüchen, Störungen des Essverhaltens oder Unregelmäßigkeiten der Schlafes ist die Konsultation eines Arztes zu empfehlen.

Behandlung & Therapie

Genetisch bedingte Wachstumsstörungen können bei Kindern schon durch Voruntersuchungen des Fötus und anhand der Wachstumsmuster der Eltern festgestellt werden. Beispielsweise sind sowohl die Hypochondroplasie als auch die Glasknochenkrankheit Wachstumsstörungen bei Kindern, die beide auf Veränderungen desselben Gens zurückzuführen sind. Diese Veränderungen äußern sich jedoch in sehr unterschiedlichen Störungen der Knochen- und Knorpelstruktur, von denen es über 200 verschiedene Varianten gibt.

Hormonell bedingte Wachstumsstörungen können durch die gezielte Zufuhr von Hormonen therapiert werden. Ist ein Tumor dafür verantwortlich, dass die entsprechende Drüse ein Übermaß oder zu wenig Wachstumshormone produziert, kann die operative Entfernung des Tumors die Wachstumsstörung positiv beeinflussen. In jedem Fall bedarf es hier genauer Voruntersuchungen.

Treten Wachstumsstörungen bei Kindern aufgrund von chronischen Erkrankungen auf, kann deren Therapie auch die Entwicklungsstörung ausgleichen. Beispielsweise kann durch eine gezielte Nahrungsumstellung oder Nahrungsergänzung den Folgen einer chronischen Fehlernährung entgegengewirkt werden.

Aufgrund der Vielzahl möglicher Ursachen sowie der unterschiedlichen Ausprägungen von Wachstumsstörungen und nicht zuletzt durch das immer individuell geprägte Wachstumsmuster eines jeden Kindes sollte auch die Behandlung einer Wachstumsstörung bei Kindern individuell geplant werden.


Vorbeugung

Wachstumsstörungen bei Kindern aufgrund einer Mangel- oder Fehlernährung kann bereits durch eine gesunde Ernährung während der Schwangerschaft vorgebeugt werden. Auch die Ernährung des Kindes ist hierbei entscheidend. Hormonell und genetisch bedingten Wachstumsstörungen bei Kindern kann jedoch kaum vorgebeugt werden, da diese Faktoren keiner äußeren Einflussnahme unterliegen. Dennoch können regelmäßige Untersuchungen durch den Kinderarzt und die Ermittlung der individuellen Wachstumskurve dabei helfen, eine Wachstumsstörung bei Kindern rechtzeitig zu erkennen.

Nachsorge

Ob bei Wachstumsstörungen bei Kindern eine Nachsorgebehandlung notwendig ist, hängt von den Ursachen und Folgen der Wachstumsstörung sowie deren Intensität ab. Lag nur eine leichte Wachstumsstörung vor, die keine Folgeerkrankungen nach sich gezogen hat, ist keine Nachsorgebehandlung notwendig. Wenn hingegen eine zu geringe körpereigene Produktion von Wachstumshormonen ursächlich für die Wachstumsstörung, müssen auch im Erwachsenenalter regelmäßige Kontrollen der Wachstumshormonwerte im Blut vorgenommen werden, da auch Erwachsene noch Wachstumshormone produzieren und der Körper diese benötigt.

Produziert ein Patient auch im Erwachsenenalter nicht ausreichend Wachstumshormone, müssen diese künstlich mittels Medikamenten zugeführt werden. Zusätzlich dazu sollten regelmäßige Kontrollen von Knochendichte und Muskulatur erfolgen, da Wachstumsstörungen bei Kindern das spätere Risiko für Osteoporose, Fehlbildungen an den Knochen und Knochenerkrankungen aller Art sowie für Muskelerkrankungen erhöhen.

Wird eine Knochenerkrankung festgestellt, muss diese gesondert behandelt werden. Um Knochenerkrankungen und anderen Folgen der Wachstumsstörung vorzubeugen, kann die ständige Einnahme von Kalzium und Magnesium als Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich zur täglichen Nahrung hilfreich sein. Dies gilt insbesondere, wenn ein small for gestational age, also eine Minderwüchsigkeit, bereits bei der Geburt vorlag oder in Kombination mit der Wachstumsstörung ein Kalzium- oder Magnesiummangel festgestellt wurde. Werden zusätzlich zur Nahrung dauerhaft ergänzende Nährstoffpräparate eingenommen, sollten außerdem die Nährstoffwerte im Blut regelmäßig kontrolliert werden.

Das können Sie selbst tun

Bei Wachstumsstörungen bei Kindern steht die Therapie durch einen Arzt im Mittelpunkt. Dennoch können Eltern unterstützend agieren und Maßnahmen zur Selbsthilfe ergreifen.

In der Regel ist die Situation für die betroffenen Kinder und deren gesamte Familie sehr belastend. Oftmals entwickeln sie sogar Minderwertigkeitskomplexe oder andere psychische Probleme. Eltern sollten offen und ehrlich mit der Erkrankung umgehen und alle Fragen des Kindes beantworten. Das Kind sollte Zugang zu allen Informationen bekommen. Abhängig von der konkreten Ursache der Wachstumsstörung können sowohl die betroffenen Kinder als auch ihre Familien Hilfe von Selbsthilfegruppen oder in Internetforen bekommen.

Durch die geringe Körpergröße entstehen im Alltag der Kinder etwa bei der Auswahl der Bekleidung oder beim Öffnen von Türen bestimmte Probleme. Dabei ist es wichtig, die Kinder so gut wie möglich zu unterstützen und ihnen den Alltag zu erleichtern. Dennoch sollten die Betroffenen keinesfalls bevormundet werden. Eltern sollten ihnen bestimmte Aufgaben im Haushalt zuteilen, die sie trotz ihrer Einschränkung erledigen können. Generell sollte die Erkrankung zwar ernst genommen werden, jedoch nicht den Alltag der Familie dominieren. Unabhängig von der Ursache der Wachstumsstörung gilt es sich die betroffenen Kinder gesund und ausgewogen ernähren.

Quellen

  • Hiort, O., Danne, T., Wabitsch, M. (Hrsg.): Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie. Springer, Berlin 2010
  • Kleine, B., Rossmanith, W.G.: Hormone und Hormonsystem. Springer Verlag, Berlin 2010
  • Speer, C.P., Gahr, M. (Hrsg.): Pädiatrie. Springer, Berlin 2013

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