Aggressionen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Aggressionen, in welcher Form auch immer, macht dem Menschen Angst. Sie hat viele Gesichter und kann sich gegen den Menschen, Sachen, Gegenstände und Dinge aller Art wenden. Jemanden oder etwas bewusst Schaden zuzufügen ist Aggression. Die unzähligen Berichterstattungen und Nachrichten erwecken den Anschein und lassen vermuten, dass Aggressionen in unserer Gesellschaft stetig zunehmen.
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Was sind Aggressionen
Handlungen jeglicher Art, welche absichtlich und zielgerichtet ausgeführt werden, um zu verletzen oder zu zerstören, werden als Aggressionen bezeichnet. Aggression kann körperlich oder verbal ablaufen. Es gibt sehr viele Ansätze und Theorien darüber, wie Aggression zu definieren ist.
Der lerntheoretische Ansatz der Psychologie erklärt Aggression als ein erlerntes, erworbenes Verhalten des Menschen während seines gesamten Lebens. Dieses modellhafte Lernen ist vor allem bei Kindern häufig zu beobachten. Kinder werden durch den erwachsenen Menschen, durch den Konsum von Fernsehen, durch das Internet und durch Videospiele entscheidend beeinflusst.
Aggression wird daher überwiegend als Verhaltens- bzw. Gefühlsdisposition charakterisiert. Die Gewalt ist im Unterschied zu ihr eine Form um Aggression auszudrücken. Sie ist auch als Teilmenge von Aggression zu betrachten.
Ursachen
Aggressionen können vor allem auch familiärer Natur sein. So können ihre Ursachen in einer psychischen Erkrankung der Mutter oder der Gewaltbereitschaft des alkoholkranken Vaters zu finden sein. In diesem Zusammenhang gibt es eine Vielzahl von ungünstigen Bedingungen in Familien und in der Umwelt, die Auslöser von Aggressionen sein können.
Hierzu gehören beispielsweise familiäre Spannungen, Mangel an positiven Vorbildern, keine Anerkennung, körperliche Gewalt und sexueller Missbrauch. Die Studie „Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland“ der Züricher Hochschule im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zeigt, dass Heranwachsende in zwei Bereichen entscheidend Gewalt erfahren. Das sind einerseits die Schule und andererseits die Familie.
In welchem der beiden Bereiche Kinder und Jugendliche nun mehr mit Gewalt konfrontiert werden konnte nicht herausgestellt werden. Diese Studie zeigt, dass der größte Teil der Heranwachsenden, der Aggressionen im Elternhaus ausgesetzt ist, über leichte Gewaltformen berichteten. Schwere Aggressionen, wie getreten, geprügelt oder zusammengeschlagen, gegenüber Kindern und Jugendlichen in Familien werden von 15 % der Heranwachsenden geschildert.
Die Psychologie erklärt plausibel die Aggression mit dem lerntheoretischen Ansatz. Demnach wird die Aggression als eine bestimmte Verhaltenskategorie vom Menschen erlernt. Dies geschieht im Grunde in gleicher Art und Weise wie das Erlernen von Schwimmen, Lesen oder Schreiben.
Drei Lernarten werden hierbei unterschieden:
Das klassisches Konditionieren
Reize können beim Menschen ein bestimmtes Verhalten auslösen. Dieses Verhalten wird als unbedingte Reaktion bezeichnet. Dieses Reiz-Reaktions-Lernen ist eine Verknüpfung von Reiz und Reaktion, das unabhängig vom Bewusstsein abläuft.
Das operante Konditionieren
Hierbei stellt das Verhalten das Instrument dar, welches die entsprechende Konsequenz hervorruft. Hier werden die positive und negative Verstärkung, die Bestrafung und die Löschung unterschieden. Dieser Lernprozeß findet unter bestimmten Bedingungen und in bestimmten Situationen statt. Dementsprechend kommt das Verhalten später ausschließlich in ähnlichen Situationen zum Vorschein.
Das Lernen am Modell
Das Lernen am Modell wird auch als Beobachtungslernen bezeichnet. Eine vorher beobachtete Handlung des Modells wird imitiert oder nachgeahmt. Beim Beobachten werden auch die verstärkenden Konsequenzen des Modellverhaltens wahrgenommen. Die imitierte Reaktion muss dabei nicht zeitnah gezeigt werden. Es wird vor allem aus dem miterlebten Schaden oder Nutzen anderer gelernt. Da die Beeinflussung durch erwachsene Vorbilder und Medien im Kindesalter besonders groß ist, kann dieses Modell hier häufig beobachtet werden.
Krankheiten mit diesem Symptom
Komplikationen
Aggressionen sind ausgeprägte Verhaltensstörungen und können in jedem Lebensalter auftreten. Diese Verhaltensweisen, wie das Umsichschlagen, Zerstören von Gegenständen, Randalieren und Selbstverstümmelung, können zur Eigen- oder Fremdgefährdung führen.
Aggressive Menschen stoßen durch ihr Verhalten größtenteils auf Ablehnung. Sie werden ausgegrenzt. Je mehr jedoch der Kontakt zum sozialen Umfeld abbricht, desto höher ist das Aggressionsrisiko.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Aggressionen können auch auf organische Erkrankungen zurückzuführen sein. Es gibt eine Kohorte von Menschen, die aufgrund von Stoffwechselstörungen und geistigen Behinderungen aggressive Verhaltensmuster zeigen. Auch neurogenerative Veränderungen, wie Demenzerkrankungen, zeigen Symptome von ausgeprägten, aggressiven Verhaltensweisen.
Kommt es nun bei den Aggressionen zu fremd- oder eigengefährdetem Verhalten wird eine ärztliche Behandlung notwendig. Nach erster Abklärung durch den Hausarzt sind dann speziell der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder der Neurologe zuständig.
Diagnose
Aggressionen bzw. aggressives Verhalten eines Menschen setzen für die Diagnosestellung voraus, dass es sich um eine Störung handelt, die durch ein durchgehendes Muster von dissozialem Verhalten gekennzeichnet ist.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder Neurologe wird mit Hilfe von Gesprächen, Exploration von Nahestehenden und speziellen Erhebungsinstrumenten zur Verhaltens- und Psychodiagnostik die Untersuchungen durchführen. Sicher wird abgeklärt, seit wann die aggressiven Auffälligkeiten bestehen und ob Ursachen in der Entwicklung oder in Bezug auf ein spezielles Krankheitsbild zu finden sind.
Es muss eine Differentialdiagnostik stattfinden. Aggressives Verhalten kann auch bei seelischen Störungen auftreten. Beispiele hierfür wären Psychosen, Entwicklungsstörung]en u. a.
Besonders sorgfältig abzuklären aber sind folgende Erkrankungen mit einem möglichen Aggressions-Potential:
- Organische Persönlichkeitsstörung, durch Hirnschädigung nach einem Unfall
- Posttraumatische Belastungsstörung, hervorgerufen durch ein belastendes, einschneidendes Lebensereignis
- Anpassungsstörungen, als eine Folge einschneidender Lebensveränderungen (Trennung vom Partner, Flucht).
- Instabile Persönlichkeitsstörungen, mit Neigung zu Streitereien und Konflikten mit anderen, was auch Wutausbrüche und Gewalttaten einschließen kann.
Behandlung & Therapie
Die Therapie sollte so früh wie möglich erfolgen. Somit ist eine auch frühestmögliche Diagnose und konsequente Betreuung notwendig. Eigentlich beginnt Prävention schon vor der Geburt des Kindes. So können schwangere Frauen aus einem problembehafteten sozialen Umfeld gezielt beraten werden. Hier werden die Konsequenzen aufgezeigt, die die ungünstigen Verhaltensweisen und folgeschweren Erziehungsmethoden hervorrufen könnten.
Bei akut auftretenden, aggressiven Verhalten mit Fremd- oder Selbstgefährdung ist eine Einweisung in ein Krankenhaus oft unausweichlich. Hier werden dann geeignete Maßnahmen getroffen, um eine Besserung der Symptomatik zu erzielen. Dann ist häufig der Einsatz von Psychopharmaka und speziell Neuroleptika bei akuten Erregungszuständen nicht zu vermeiden.
Wiederkehrende Aggressionen können sehr langwierig bis chronisch sein. Sie sind abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit. Durch ähnliche Situationen werden immer wiederkehrende Aggressionsmuster erzeugt. Hier ist eine Unterbringung in einer speziellen Einrichtung unausweichlich. Zum Schutz des Betroffenen und seiner Umgebung sind Sicherheitsaspekte zu beachten.
Auch Isolierräume sind für manche Situationen notwendig. Die Behandlung muss gerichtlich genehmigt werden. Es sind dann permanent Beschäftigungsangebote zu unterbreiten. Ausreichend, qualifiziertes Personal für die Betreuung ist notwendig.
Ein Schlüssel zum Zugang des Betroffenen ist die Regression. Personen die sich regressiv verhalten, überlässt dem Betroffenen das Feld. Das kann durchaus hilfreich sein, um anderes zu schützen. Der Regressive bleibt passiv und wartet erstmal ab. Er verzichtet darauf, irgendwelche eigenen Impulse einzubringen. So trifft der Betroffene mit seinem Aggressionsverhalten nicht auf äußere Hindernisse. Der Regressive vermeidet Konflikte und das Risiko einer Eskalation der Situation.
Aussicht & Prognose
Aggressionen werden vor allem durch Gespräche mit dem behandelnden Arzt, dem fachlich versierten Therapeuten und mit Hilfe von Medikamenten behandelt. Die Dauer und das Ergebnis der Behandlungen hängen vom Ausmaß des vorliegenden Aggressionsverhaltens und Aggressionspotenzials ab.
Es gibt daher keine klaren Richtwerte für die Prognose. Alle negativen Einflussfaktoren, die die Aggression hervorrufen oder verstärken können sind weitestgehend auszuschalten.
Bei Aggressionen sollten Verhaltensregulationen stattfinden. Dies geschieht in Form eines Trainings. Je stärker die Aggressionsstörung ausgeprägt ist, desto länger dauert die Behandlung mittels des Intensiv-Trainings. Die große Schwierigkeit, die hierbei besteht, ist, die Motivation für dieses Training beim Betroffenen permanent zu fördern und aufrecht zu erhalten. Trainingsabbrüche sind hierbei leider nicht selten.
Vorbeugung
Bei ersten Anzeichen sollten bereits Gespräche durch vertrauensvollen, nahestehenden Personen geführt werden. Personen oder Dinge, die die Verhaltensweisen fördern könnten sollten entfernt werden. Es sollte Verständnis für die vorliegende Situation aufgebracht und offen gezeigt werden.
Die Grenzen und Konsequenzen zum aggressiven Verhalten sollten aufgezeigt werden. Eine ablehnende Haltung ist zu vermeiden. Es sollten Angebote zur Beruhigung unterbreitet werden, indem beispielsweise einen ruhigen Raum aufsucht oder einen Tee anbietet. Je gelassener und ausgeglichener der Umgang mit der Situation gelingt, umso besser ist der Patient zu lenken und zu leiten.
Vorbeugend wirkt, wie auch bei anderen psychischen Erkrankungen, die Zugehörigkeit zu einem intakten und stabilen sozialen Umfeld. Die Möglichkeit zu erkranken wird dadurch minimiert. Außerdem wirken der Verzicht auf Drogen, Alkohol und andere Suchtmittel positiv. Ein gut ausgefüllter Alltag, der Zufriedenheit bringt, bietet eine gute Grundlage für ein Leben ohne Aggressionen.
Das können Sie selbst tun
Betroffene mit Aggressionsstörungen können Maßnahmen ergreifen und Strategien entwickeln, die allerdings sehr stark variieren werden und abhängig von der Art der Störung sind. Dabei ist klarzustellen, dass eine unumgängliche, ganzheitliche Therapie der Aggressionsstörung zwischen selbstschädigendem und fremdschädigendem Verhalten unterscheiden muss.
In der Regel ist es nicht das vordergründige Ziel, eine ausgeprägte Aggressionsstörung zu beseitigen. Dies ist häufig kaum möglich. Daher ist es unbedingt notwendig, für den Betroffenen Ventile zu schaffen, die er nutzen kann, um mit Selbstdisziplin die Aggressionen unter Kontrolle zu halten. Da es in dem Zusammenhang um die Freisetzung des Aggressionsdrangs geht, liegt es im Ermessen des Therapeuten mit dem Betroffenen zusammen geeignete Möglichkeiten zu finden. Diese sollten alltagstauglich sein und Teil des fortlaufenden Therapieverlaufs sein.
Menschen mit Aggressionen die bis hin zur Fremd- und Selbstgefährdung führen, sollten Situationen, Dinge oder Personen, die dieses Verhalten hervorrufen könnte, meiden. Neben der medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung sind Entspannungsübungen sehr gut geeignet. Sport ist immer ein gutes Mittel, um für Körper und Geist etwas Gutes zu tun und ggf. Aggressionspotentiale abzubauen.
Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen mit Betroffenen regelmäßig auszutauschen. Hier können die eigenen Erfahrungen mit Aggressionen eingebracht werden. Die Betroffenen lernen voneinander, Probleme zukünftig besser zu bewältigen. Es werden neue Perspektiven entwickelt mit Aggressionen zu leben.
Quellen
- Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
- Hautzinger, M.: Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen. Beltz PVU, München 2013
- Möller, H.-J.: Therapie psychischer Erkrankungen. Thieme, Stuttgart 2006