Arsenintoxikation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Arsenintoxikation ist eine Vergiftung mit dem chemischen Element Arsen. Arsen ist ein Halbmetall und gehört zu den Spurenelementen. Vergiftungen werden in der Regel durch dreiwertiges lösliches Arsen verursacht.
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Was ist eine Arsenintoxikation?
Dreiwertige Arsenverbindungen sind hoch toxisch, da sie Transportvorgänge innerhalb des Körpers stören, die DNA-Reparatur behindern und den zellulären Energiestoffwechsel negativ beeinflussen. Arsenvergiftungen können akut auftreten oder einen chronischen Verlauf nehmen. Bereits in der Antike wurde Arsen arzneilich verwendet.
Es war Bestandteil der Therapie gegen Syphilis. In Form des sehr giftigen Arseniks wurde Arsen als Mordwaffe und Suizidmittel bekannt. Arsen gehört zu den Spurenelementen. Es scheint also in geringer Dosierung nützliche Aufgaben im Körper zu übernehmen. Welche Funktion Arsen in physiologischer Dosierung hat ist allerdings noch nicht geklärt.
Ursachen
Eine akute Arsenvergiftung wird ausgelöst, wenn große Mengen Arsen plötzlich in den Körper gelangen. Eine Dosis von 60 bis 170 Milligramm Arsenik kann für den Menschen tödlich sein. Häufiger als die akute Arsenintoxikation findet sich jedoch die chronische Intoxikation mit Arsen.
Arsen belastet in Form von Arsenit oder Arsenat in vielen Ländern das Trinkwasser. Das Arsen gelangt durch die Auswaschung von arsenhaltigen Erzen in das Grundwasser. Weltweit haben rund 100 Millionen Menschen Zugang zu arsenverseuchtem Wasser. Insbesondere in Indien, Thailand und Bangladesch können aufgrund dieser Umstände vermehrt chronische Arsenvergiftungen beobachtet werden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass im Trinkwasser ein Arsenwert von 10 Mikrogramm pro Liter nicht überschritten werden sollte. In Deutschland wird dieser Wert seit dem Jahr 1996 eingehalten. Viele andere europäische Länder und die USA überschreiten diesen Grenzwert jedoch regelmäßig.
Reis gehört zu den Lebensmitteln, die am stärksten mit Arsen belastet sind. Das Arsen aus dem Grundwasser reichert sich im Reis rund zehnmal so stark an wie in anderen Getreidearten wie Weizen oder Gerste. Auch Apfelsaft und Bier sind häufig mit Arsen kontaminiert. Lösliche Arsenverbindungen werden über den Magen-Darm-Trakt und auch über die Haut aufgenommen. Das Arsen wird dann in Muskeln, Haut, Haaren, Nägeln, Knochen und in der Lunge gespeichert.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die akute Arsenintoxikation macht sich bereits wenige Stunden nach der Aufnahme bemerkbar. Es kommt zu schweren Magen-Darm-Entzündungen mit Erbrechen, starken Schmerzen, Übelkeit und starken wässrigen Durchfällen. Dadurch verliert der Körper viel Wasser und Salz. Das Blut dickt ein und die Funktion der Nieren wird eingeschränkt.
Zur Kompensation erhöht sich der Puls. Innerhalb kurzer Zeit erleiden die Betroffenen einen Schock. Der Tod tritt innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen durch Nierenversagen oder Herz-Kreislauf-Versagen ein.Das Bild der chronischen Arsenvergiftung ist sehr vielgestaltig. Charakteristisch für die Vergiftung ist eine starke Hornhautbildung an den Fußsohlen und an den Hautflächen.
Dunkelgraue Hautpigmentierungen und weiße Bänder an den Fingernägeln sind ebenso typisch. Des Weiteren fallen den betroffenen Personen die Haare aus. Es kann zu Entzündungen der Augenbindehaut kommen. Gehirn und Nerven können Schaden nehmen. Die Folgen sind Störungen der Sensibilität, Bewegungsstörungen, Lähmungen oder Rückbildungen der Muskeln.
Die Erkrankten sind müde, matt und leiden unter Antriebs- und Konzentrationsschwäche. Die Atemwege nehmen ebenso Schaden wie die Leber. Nach einer länger andauernden Arsenexposition können die kleinen Blutgefäße Schaden nehmen. Die daraus resultierende Sauerstoffunterversorgung zeigt sich zunächst durch Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel.
Im Extremfall sterben die betroffenen Regionen oder sogar die gesamten Extremitäten ab. Dieses medizinische Phänomen wird auch als Black Foot Disease bezeichnet. Eine chronische Arsenbelastung hat zudem ein erhöhtes Krebsrisiko zur Folge. Nach einigen Jahren können bösartige Geschwulste der Haut, der Leber, der Lunge oder der Harnblase auftreten.
Diagnose & Verlauf
Eine Arsenintoxikation kann durch Messung des Arsenblutspiegels nachgewiesen werden. Bei einer Intoxikation findet sich das Arsen zudem auch im Urin. Der Nachweis erfolgt mittels Atomabsorptions- oder Atomemissionsspektroskopie. Unbelastete Personen haben einen Arsenspiegel im Blut in Höhe von 5 bis maximal 15 µg/l (Mikrogramm pro Liter).
Die Konzentration kann durch den übermäßigen Verzehr von arsenbelasteten Meerestieren oder Pflanzen leicht ansteigen und in der Folge mit einer chronischen Arsenintoxikation verwechselt werden. Bei Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld keiner Arsenbelastung ausgesetzt sind, schwankt die Konzentration im Urin zwischen 5 und 20 Picogramm pro Liter.
Bei Zufuhr arsenhaltiger Nahrungsmittel kann die Konzentration auf bis zu 1000 Picogramm pro Liter ansteigen. Aufgrund dieser nahrungsmittelabhängigen Schwankungen lässt sich eine chronische Arsenvergiftung besser durch die Analyse von Haaren oder Nägeln diagnostizieren. Grob gesagt gilt, dass eine um das zehnfache erhöhte Konzentration von Arsen im Trinkwasser langfristig den Arsengehalt in den Zehennägeln verdoppelt.
Komplikationen
Bei der akuten Arsenvergiftung ist - je nach Höhe der Dosis und der Konstitution des Giftopfers - der Tod eine wahrscheinliche Folge. Die Komplikationen nach einer chronischen Arsenintoxikation können unterschiedlich schwer ausfallen. Problematisch ist die lange Latenzzeit von bis zu dreißig Jahren.
Typisch für eine chronische Arsenvergiftung sind Veränderungen am Hautbild, beispielsweise Pigmentstörungen oder eine zunehmende Verhornung der Haut. Als Komplikation einer langjährig erfolgten Arsenbelastung - zum Beispiel über das Trinkwasser - können daraus schwere Entstellungen entstehen. Außerdem können die feinen Blutgefäße in den Beinen nachhaltig geschädigt werden.
Das kann so weit gehen, dass die davon betroffenen Extremitäten absterben und amputiert werden müssen. Zunächst verfärben sich die betroffenen Beine schwärzlich. Dieses Phänomen nennt die Medizin "Black Foot Disease". Bisher war eine eingegrenzte Region in Taiwan dafür bekannt, in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gehäuft solche Krankheitsbilder zu zeitigen.
Sie entstanden durch den Genuss arsenbelasteten Grundwassers. In neuerer Zeit wurde das "Black Foot Disease" aber auch in Ländern diagnostiziert, in denen Weinanbau betrieben wird. Neben dem "Black Foot Disease" können durch chronische Arsenintoxikationen auch Krebserkrankungen der Haut, der Lunge, der Leber oder der Harnblase entstehen. Sehr selten kommt es durch die Arsenvergiftung zum neurogenen "Sudeck'schen Syndrom" oder zu toxisch bedingten Herzschäden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Arsenintoxikation muss in jedem Fall von einem Arzt behandelt werden. In akuten Notfällen sollte ein Notarzt gerufen oder direkt das Krankenhaus aufgesucht werden. Die Arsenintoxikation stellt eine sehr schwerwiegende Beschwerde dar, die im schlimmsten Falle zu irreversiblen Schäden an den Organen und damit auch zum Tode führen kann. Der Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn der Betroffene bewusst eine größere Menge Arsen eingenommen hat. Die Patienten leiden dabei an Durchfällen und an starken Bauchschmerzen. Weiterhin kommt es auch zu Erbrechen und Übelkeit.
Sollten diese Beschwerden auch mit Lähmungen oder mit Bewegungsstörungen verbunden sein, so ist ein Besucht beim Arzt unbedingt notwendig. Auch bei einer Muskelschwäche oder bei einer Konzentrationsschwäche muss ein Arzt aufgesucht werden. Weiterhin führt die Arsenintoxikation zu einem hohen Puls und kann damit zu einem Herzversagen führen.
Auch Beschwerden an den Nieren können auf eine Arsenintoxikation hindeuten und sollte von einem Doktor untersucht werden. Im schlimmsten Falle kommt es hierbei zu einer Niereninsuffizienz, die unbehandelt zum Tode führt. Sollte die Arsenintoxikation nicht akut eintreten, so treten die Beschwerden in der Regel schleichend ein. Sie sollten allerdings trotzdem von einem Arzt untersucht werden, um Folgeschäden zu vermeiden.
Behandlung & Therapie
Zur Therapie der Arsenintoxikation werden schwefelhaltige Komplexbildner wie Dimercaptopropansulfonsäure oder Dimercaptobernsteinsäure eingesetzt. Die Erfolge mit diesen Komplexbildnern sind bei akuten Arsenvergiftungen auch bei hohen Arsendosen noch recht effektiv. Wenige Stunden nach der Aufnahme kann Aktivkohle Arsen im Magen-Darm-Trakt binden und zur Ausscheidung bringen. Der Einsatz von Komplexbildnern bei chronischen Arsenintoxikationen ist allerdings umstritten.
Aussicht & Prognose
Die Prognose bei einer Arsenintoxikation ist abhängig von der Dosis, ob sie akut oder chronisch ist und ob sie behandelt wird. So ist eine akute Arsenintoxikation, wie sie etwa durch das Aufnehmen größerer Mengen Arsenverbindungen auftreten kann, schwerwiegender. Sie wird unbehandelt binnen Stunden oder Tage zum Tode führen, da das Arsen unter anderem zu einem Schock führt.
Wird rechtzeitig notfallmedizinisch gehandelt (Auspumpen des Magens, Gabe von Aktivkohle usw.), besteht eine gute Chance, die Arsenintoxikation zu überstehen. Es sind in vielen Fällen nach einer Phase der Erholung keine akuten Folgeschäden zu befürchten.
Anders ist der Fall bei der deutlich häufiger vorkommenden, chronischen Arsenvergiftung gelagert. Hier zeigen sich die Symptome zumeist schleichend, beginnend mit Hautbildveränderungen, genereller Müdigkeit und anderen unspezifischen Symptomen. Gerade die Hautveränderungen, das erhöhte Risiko für Tumorenbildung und Lähmungen, können bei Betroffenen zum Tod führen oder machen Amputationen abgestorbener Gliedmaßen notwendig. Es können vom Zeitpunkt der Exposition bis zum Aufkommen schwerwiegender Symptome Jahre vergehen.
Wird allerdings mit dem Auftreten von Symptomen auch ein Arzt aufgesucht, ist die Prognose besser. Mittels ausleitender Therapien, die eine Entgiftung des Körpers zum Ziel haben, können Erfolge erzielt werden. Langzeitschäden sind allerdings anzunehmen, da eine Entgiftung nur derart wirkt, dass eine weitere Vergiftung verhindert wird. Bereits aufgetretene Schäden im Organismus bleiben erhalten.
Vorbeugung
Zur Vorbeugung von chronischen Arsenintoxikationen soll das Trinkwasser in den betroffenen Ländern abgereichert werden. Dafür gibt es Verfahren, die auf Aktivkohle, Eisenhydroxid-Granulat oder Aluminiumoxid beruhen. Auch Ionenaustauscher kommen zum Einsatz.
Ein weiteres Verfahren zur Reinigung des Trinkwassers ist die Phytosanierung. Dazu kommen gentechnisch veränderte Pflanzen zum Einsatz. Diese speichern Arsen in ihren Blättern und entfernen es so aus dem verseuchten Boden. Die Dickstielige Wasserhyazinthe kann Arsen sogar aus kontaminiertem Wasser entfernen.
Nachsorge
Bei einer Arsenintoxikation kommt es darauf an, ob es sich um eine akute oder chronische Vergiftung handelt. Die chronische Vergiftung entsteht beispielsweise durch das Trinken von arsenhaltigem Mineralwasser oder täglich aufgenommenen Arsendosen durch arsenverseuchtes Trinkwasser.
Haut- und Gefäßschädigungen sind die häufigsten Nebenwirkungen einer chronischen Arsenintoxikation. Bei der chronischen Arsenintoxikation ist eine Nachsorge unabdingbar. Aus dem chronischen Vergiftungsgeschehen kann sich ein Basalzellkarzinom entwickeln. Durch Arsenintoxikationen entstandene Basaliome sind vor allem an den Arealen der Haut zu finden, die dem Sonnenlicht ausgesetzt werden.
Die regelmäßige Beobachtung aller infrage kommenden Hautareale ist unerlässlich. Zwar streut dieser Krebs nicht. Aber er frisst sich in die Haut ein. Alle Formen von Basaliomen müssen operativ entfernt werden. Außerdem ist bei einer chronischen Arsenintoxikation mittelfristig auch das Risiko für andere Krebsarten erhöht. Ohne Kontrolluntersuchungen und Nachsorge sind die Erkrankungsrisiken für die Betroffenen hoch.
Latente Arsenvergiftungen können über bestimmte Lebensmittel entstehen. Dies betrifft vor allem Pflanzen, die sich durch arsenverseuchtes Grundwasser mit Flüssigkeit versorgen. Mit Komplexbildnern und Aktivkohle kann gegebenenfalls eine Entgiftung eingeleitet werden. Eine akute Arsenintoxikation bedingt, dass mit einem Schlag große Dosen Arsenik in den Organismus gelangen. Je nach Höhe der verabreichten Dosis ist Nachsorge überflüssig. Viele Betroffene versterben binnen kurzer Zeit. Wer überlebt, erleidet Folgeschäden.
Das können Sie selbst tun
Aktivkohle kann Arsen noch einige Stunden nach der Kontamination im Magen-Darm-Trakt binden und zur Ausscheidung des Giftstoffs beitragen. Die sofortige Verabreichung von Aktivkohle ist deshalb als Erste-Hilfe-Maßnahme bei einer akuten Arsenvergiftung angezeigt, keinesfalls sollten Betroffene aber versuchen, sich ausschließlich selbst zu therapieren. Bei einer akuten Arsenvergiftung muss sofort der Notarzt gerufen oder der Patient ins nächste Krankenhaus gebracht werden.
Im Falle einer chronischen Arsenintoxikation kann der Patient dazu beitragen, die Ursache der Vergiftung zu identifizieren. Treten die Symptome während oder kurz nach Reisen in Entwicklungs- und Schwellenländer auf, existieren insbesondere zwei bedeutende Risikofaktoren – verseuchtes Trinkwasser und Haushaltspestizide, die in Europa schon lange nicht mehr zugelassen sind.
Bei verdächtigem Trinkwasser sollte nur mehr Mineralwasser konsumiert und dieses auch für die Zubereitung von Kaffee, Tee und anderen Heißgetränken sowie für Eiswürfel verwandt werden. Anders als bei mikrobiellen Verunreinigungen bringt es bei einer zu hohen Arsenkonzentration nichts, das Wasser abzukochen, spezielle Wasserfilter können aber hilfreich sein.
Zeigen Kinder und Haustiere während einer Reise in solche Länder entsprechende Symptome, kann dies auf den Kontakt oder den Verzehr von stark mit Arsen belasteten Ameisenködern oder anderen Schädlingsfallen zurückzuführen sein. Solche Produkte sollten in exotischen Ländern keinesfalls vor Ort gekauft und gegebenenfalls aus dem Hotelzimmer entfernt werden.
Quellen
- Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
- Wolff, H.-P., Weihrauch, T.R. (Hrsg.): Internistische Therapie. Urban & Fischer, München 2012