Morbus Sudeck

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das komplexe regionale Schmerzsyndrom Morbus Sudeck, auch Complex Regional Pain Syndrome, CRPS I genannt, ist eine seltene Form chronischer Schmerzen, die in der Regel auf ein Arm oder ein Bein wirken. Morbus Sudeck entwickelt sich typischerweise nach Verletzungen, Operationen, Schlaganfällen oder einem Herzinfarkt, wobei der Schmerz in keinem Verhältnis zur Schwere der anfänglichen Krankheitsursache steht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Sudeck?

In erster Linie leiden die Patienten aufgrund des Morbus Sudeck an chronischen Schmerzen. Dabei kann es im schlimmsten Fall auch zu einem Schlaganfall oder zu einem Herzinfarkt kommen, der für den Patienten auch tödlich verlaufen kann.
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'Morbus Sudeck ist gekennzeichnet durch kontinuierlich brennende und pochende Schmerzen, in der Regel in Arm, Bein, Hand oder Fuß. Die Charakteristika von Morbus Sudeck können sich mit der Zeit verändern und variieren von Person zu Person.

Berührungsempfindlichkeit oder Kälteempfindlichkeit, eine Schwellung des schmerzenden Bereichs, Veränderungen der Hauttemperatur und der Hautfarbe sind nur einige Symptome von Morbus Sudeck. Treten Veränderungen im Haar- und Nagelwachstum, Gelenksteife, Muskelkrämpfe sowie eine verminderte Bewegungsfähigkeit des betroffenen Körperteils auf, ist der Zustand oft irreversibel.

Morbus Sudeck kann durch emotionalen Stress verschlimmert werden. Im Fall konstant starker Schmerzen, die ausschließlich die Gliedmaßen betreffen und unerträglich scheinen, sollte ein Arzt aufgesucht werden, da die Heilungsaussichten von Morbus Sudeck bei rechtzeitiger Diagnose steigen.

Ursachen

Es wird davon ausgegangen, dass Morbus Sudeck aufgrund einer gestörten Interaktion zwischen dem Nervensystem und unangemessenen Entzündungsreaktionen verursacht wird. Morbus Sudeck tritt in zwei Arten mit ähnlichen Anzeichen und Symptomen auf, die jedoch verschiedene Ursachen haben.

Der Morbus Sudeck Typ-1 war früher als sympathisches Reflexdystrophiesyndrom bekannt und tritt nach einer Krankheit oder Verletzung auf, die die Nerven der betroffenen Extremität jedoch nicht direkt beschädigte. Zu diesem Typus gehören mehr als 90 Prozent aller Krankheitsfälle.

Morbus Sudeck Typ-2 (Kausalgie) betrifft eine direkte Verletzung der Nerven. Viele Fälle von Morbus Sudeck treten nach einem starken Trauma, wie Quetschverletzungen, Frakturen oder Amputationen auf. Andere Verletzungen infolge chirurgischer Eingriffe, Herzinfarkte, Infektionen und sogar verstauchter Knöchel können ebenfalls Auslöser der Erkrankung sein.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Morbus Sudeck macht sich im Anfangsstadium meist durch entzündliche Veränderungen nahe der ursprünglich verletzten Stelle bemerkbar. Mit den typischen Entzündungszeichen Rötung, Schwellung und Überwärmung gehen Funktionseinschränkungen und Schmerzen einher, die übermäßig stark sein können. Beim Fortschreiten der Erkrankung nimmt die Intensität der Schmerzen zunehmend ab, oft sind die Betroffenen völlig schmerzfrei.

Die Haut ist zuerst blass und kühl, später erscheint sie auffallend dünn. Bindegewebe und Muskulatur schwinden deutlich, die betroffenen Gelenke versteifen: Im schlimmsten Fall werden sie vollkommen funktionsuntüchtig. Die Erkrankung beeinträchtigt gleichermaßen Sensorik, Motorik und das autonome Nervensystem. Empfindungsstörungen äußern sich durch Missempfindungen und eine gestörte Körperwahrnehmung im Bereich der betroffenen Extremität.

Schmerzen können sowohl in Ruhe als auch bei Belastung auftreten und werden häufig bereits durch kleinste Reize wie eine leichte Berührung ausgelöst. Die Beweglichkeit der erkrankten Gelenke ist massiv eingeschränkt, eine Beteiligung der Finger geht mit dem Verlust der Feinmotorik einher.

Bedingt durch Schmerzen und Muskelabbau ist die betroffene Körperregion nur noch eingeschränkt belastbar, Bewegungen können weniger kraftintensiv ausgeführt werden. Schädigungen des autonomen Nervensystems ziehen eine veränderte Hautdurchblutung und damit eine Änderung von Hauttemperatur und -farbe nach sich. An den erkrankten Körperstellen bilden sich häufig Ödeme, das Wachstum von Haaren und Nägeln kann gestört sein.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose von Morbus Sudeck erfolgt durch Erfassung der Historie medizinischer Behandlungen und eine körperliche Untersuchung. Mittels Knochenscan können Knochenveränderungen im Zusammenhang mit Morbus Sudeck diagnostiziert werden.

Dabei wird eine radioaktive Substanz in eine Vene injiziert, die eine Betrachtung der Knochen mit einer speziellen Kamera ermöglicht. Bei Tests des sympathischen Nervensystems wird eine Thermografie der Hauttemperatur zur Untersuchung der Durchblutung der Gliedmaßen durchgeführt oder die Menge abgesonderten Schweißes ermittelt. Abweichende Ergebnisse können auf Morbus Sudeck schließen lassen.

Auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann Gewebeveränderungen dokumentieren. Eine gute Vorbereitung auf die ärztliche Anamnese zur Diagnose von Morbus Sudeck ist angeraten. Dazu sollten alle Symptome unter Vermerk des Schweregrades genau lokalisiert und unter Angabe von Zeitdauer sowie Zeitabständen dokumentiert werden.

Komplikationen

In erster Linie leiden die Patienten aufgrund des Morbus Sudeck an chronischen Schmerzen. Dabei kann es im schlimmsten Fall auch zu einem Schlaganfall oder zu einem Herzinfarkt kommen, der für den Patienten auch tödlich verlaufen kann. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird aufgrund des Morbus Sudeck deutlich eingeschränkt und verringert.

Nicht selten leiden die Patienten dabei auch an Schwellungen oder an Hautrötungen. Weiterhin können auch Juckreize auf der Haut auftreten. Die Extremitäten der Betroffenen sind nicht selten warm, zudem kann sich ein Zittern bemerkbar machen. Auch Muskelkrämpfe können dabei auftreten, welche relativ schmerzhaft sind. Ebenso leiden die Patienten nicht selten an Lähmungen und Störungen der Sensibilität, die an unterschiedlichen Bereichen des Körpers auftreten können.

Weiterhin können auch Schmerzen in der Nacht zu deutlichen Schlafbeschwerden und damit zu einer Gereiztheit des Patienten führen. Die Lebensqualität wird aufgrund der Erkrankung deutlich eingeschränkt und verringert. Die Behandlung des Morbus Sudeck findet in der Regel kausal statt und richtet sich nach der Grunderkrankung. Weiterhin sind die Patienten oft auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen. Ob es dabei zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommt, kann in der Regel nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arzt sollte aufgesucht werden, wenn nach einer Verletzung über längere Zeit starke Schmerzen auftreten, die weit über das für die Blessur übliche Maß hinausgehen. In der Regel sind Arme oder Beine betroffen, in seltenen Fällen kann sich ein Morbus Sudeck auch an anderen Körperregionen entwickeln.

Empfindungsstörungen wie Brennen der Haut, Kribbeln oder eine Überempfindlichkeit auf Berührungen sollten ebenfalls einem Arzt vorgestellt werden, auch bei Bewegungsstörungen wie Muskelzuckungen, Muskelschwäche, Zittern oder einer eingeschränkten Beweglichkeit des betroffenen Körperteils muss an einen behandlungsbedürftigen Morbus Sudeck gedacht werden. Weitere Symptome, die umgehend einen Arztbesuch nach sich ziehen sollten, sind Wassereinlagerungen und starke Schweißbildung an den erkrankten Stellen – vor allem, wenn sich diese im Vergleich zu anderen Bereichen des Körpers deutlich kälter oder wärmer anfühlen. Alarmzeichen können auch ein beschleunigtes Wachstum von Haaren und Nägeln im betroffenen Areal sein.

Erster Ansprechpartner bei einem Verdacht auf Morbus Sudeck sollte der Hausarzt sein. Da die Erkrankung nicht immer auf Anhieb zweifelsfrei zu diagnostizieren ist, erfolgen zur weiteren Abklärung häufig Überweisungen zu Fachärzten für Neurologie und Orthopädie. Bei starken Schmerzen ist die Konsultation eines Schmerzmediziners anzuraten, in schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung erfolgen. Auch eine psychotherapeutische Begleitung ist empfehlenswert.

Behandlung & Therapie

Beginnt die Behandlung von Morbus Sudeck frühzeitig, ist eine Verbesserung oder Remission möglich. Oft ist eine individuelle Kombination verschiedener Therapien notwendig. Zur Behandlung der Symptome von Morbus Sudeck ist neben den Therapien die Einnahme von Medikamenten hilfreich.

Lindern einfache Schmerzmittel die Schmerzen nicht mehr, kann die Einnahme opioider Schmerzmittel ratsam sein. Neben thermischen Anwendungen werden bei Morbus Sudeck verschiedene Cremes eingesetzt, um die Überempfindlichkeit zu reduzieren. Mittels physikalischer Therapie werden Schmerzen verringert und die Beweglichkeit gefördert. Chronischer Schmerz kann durch das Anlegen elektrischer Impulse an den Nervenenden (transkutane elektrische Nervenstimulation) oder eine Rückenmarksstimulation gelockert werden.

Wird die Behandlung zu spät begonnen, müssen sich Patienten oft auf ein Leben mit Morbus Sudeck einstellen, was das gesamte Lebensumfeld starken Belastungen aussetzen kann. Um das Leben besser zu bewältigen, helfen Entspannungstechniken wie Biofeedback, mit denen die Betroffene ein besseres Körperbewusstsein entwickeln und sich leichter entspannen können. Die durch Morbus Sudeck verursachten Schmerzen können zunehmend die geistige Gesundheit belasten, hier ist die Begleitung durch einen Therapeuten empfehlenswert.


Aussicht & Prognose

Die Prognose bei Morbus Sudeck hängt maßgeblich vom Umgang des Betroffenen mit dem Schmerzleiden ab. So hat sich gezeigt, dass eine positive oder optimistische Einstellung bezüglich der Heilbarkeit des Leidens die Prognose erheblich verbessert, während eine Beschäftigung mit den schlimmsten Folgen zu einer Verschlechterung führt. Wissenswert ist, dass bei mehr als 80 Prozent der Betroffenen dank einer guten und diversifizierten Therapie ein Zustand erreicht wird, der sich gar nicht mehr als Morbus Sudeck diagnostizieren lässt. Es kommt aber bei der Mehrzahl der Betroffenen dennoch zu Schmerzen, nicht jedoch zu Behinderungen der Bewegung.

Eine multimodale Behandlung kann beim Komplexen Regionalen Schmerzsyndrom binnen Monaten zu einem guten Erfolg führen. Entscheidend ist das Aufrechterhalten des Patientenwillens, sich nicht von der oftmals nicht zu erklärenden Krankheit kontrollieren zu lassen. Die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Körperregion soll erhalten bleiben. Gleichzeitig werden Schmerzmittel teilweise verwendet und der Patient erlernt dank Psychotherapie Maßnahmen, die ihm beim Umgang mit dem Leiden helfen. Die Therapie kann teilweise Jahre in Anspruch nehmen.

Ein chronischer und schwerer Verlauf, der von Morbus Sudeck Betroffene mit einer Behinderung versieht, ist möglich. In solchen Fällen kommt es dann zu einem Funktionsverlust des betroffenen Körperteils und Therapien genügen nicht mehr, um die Funktion wiederherzustellen.

Vorbeugung

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Risiko von Morbus Sudeck reduziert werden kann. Nach einer Handgelenks-Fraktur kann die tägliche Einnahme von Vitamin C-Präparaten die Gefahr einer Erkrankung senken. Eine frühe Mobilisation nach einem Schlaganfall kann ebenfalls das Risiko für Morbus Sudeck mindern.

Die optimale Schmerzbehandlung sieht eine Kombination aus zentral und peripher wirkenden Methoden vor. Invasive Schmerzpumpen bieten eine hohe Autonomie, bergen nahezu kein Suchtpotenzial und erleichtern den Alltag der Betroffenen. Dies reduziert den psychischen Stress und minimiert die Schmerzwahrnehmung. Erkrankte müssen den Gebrauch jedoch erst erlernen. Auch nichtmedikamentöse Schmerztherapien steigern das Wohlbefinden, wirken Schonhaltungen und Kontrakturen entgegen und sorgen für Entspannung. Hierzu zählen Kälte- und Wärmeanwendungen, Massagen, TENS, schonende Lagerungen, Entspannungsübungen oder Aromatherapie.

Nachsorge

Die Nachsorge richtet sich in den meisten Fällen an Betroffene und ihre Angehörigen. Denn nur mithilfe einer kombinierten Therapie können Erkrankte mit ihren Schmerzen besser umgehen, ihre Ängste verbalisieren und dadurch Toleranz aus ihrem Umfeld erhalten. Inhalte der Nachsorge können beispielsweise Körpertherapien sein, in welchen schmerzadaptierte Methoden der Arbeitsbewältigung oder der Mobilität gelernt werden.

Auch psychologische Therapien helfen Erkrankten bei der Schmerzbewältigung und üben ein gesundes Verhalten unter Integration der Schmerzen ein. Zusätzliche Therapien wie Musik, Tanz, Kunst oder autogenes Training unterstützen chronische Schmerzpatienten bei der Entspannung und Stressreduktion, was sich in einer verminderten Schmerzwahrnehmung äußert.

In einer ergotherapeutischen Praxis erlernen Erkrankte die Anwendung von Hilfsmitteln im Alltag, um das Leben einfacher gestalten zu können. Physiotherapien unterstützt den Lymphabfluss und verhindert einen Lymphstau, was andernfalls zu vermehrten Schmerzen und reduzierter Beweglichkeit führen kann.

Das können Sie selbst tun

Wird Morbus Sudeck frühzeitig erkannt, können die Beschwerden durch eine medikamentöse Behandlung gelindert werden. Der Patient kann die ärztliche Therapie durch die Einnahme von natürlichen Schmerzmitteln unterstützen.

Die Naturheilkunde bietet wirksame Präparate, wie zum Beispiel Johanniskraut-Kapseln oder Tees aus der Afrikanischen Teufelskralle. Daneben werden verschiedene Cremes eingesetzt, um die Überempfindlichkeit zu lindern. Die Schmerzen können durch gezielte Massagen reduziert werden. Auch die Beweglichkeit lässt sich durch Druckmassagen und Akupunktur lindern. In Rücksprache mit dem Arzt können zudem Methoden aus der Chinesischen Medizin angewendet werden, um die Beschwerden zu dämpfen. Chronische Schmerzen können mit Hilfe von Entspannungstechniken gelindert werden. Oft klingen die Attacken durch ruhiges Ein- und Ausatmen sowie die Verwendung ätherischer Öle wieder ab.

Da Morbus Sudeck auch die geistige Gesundheit beeinträchtigen kann, ist immer auch die Begleitung durch einen Therapeuten empfehlenswert. Der Patient sollte zudem enge Rücksprache mit dem verantwortlichen Mediziner halten, vor allem bei einem schweren Verlauf oder einer schlechten Allgemeinprognose. Menschen, bei denen der Morbus Sudeck bereits weit fortgeschritten ist, müssen in jedem Fall in einer Fachklinik behandelt werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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