Atemruhelage
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Atemruhelage besteht, wenn die entgegengerichteten Retraktionskräfte von Thorax und Lunge ein Gleichgewicht erreichen und die Compliance oder Dehnbarkeit der Lunge am höchsten ist. In der Atemruhelage enthält die Lunge nur mehr ihr funktionelles Residualvolumen. Bei einer Überblähung der Lunge verändert sich die Atemruhelage auf pathologische Art und Weise.
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Was ist die Atemruhelage?
Als Retraktionskraft wird die elastische Rückstellkraft der Lungen bezeichnet. In dem Organ befinden sich interstitiell elastische Fasern. Außerdem besitzen die Alveolen der Lunge eine gewisse Oberflächenspannung. Jede der einzelnen, wasserausgekleideten Alveolen strebt nach Verkleinerung, da Wassermoleküle an den Grenzflächen zwischen Luft und Wasser eine gewisse Anziehungskraft aufeinander ausüben. Aus diesem Grund ist die Lunge ideal elastisch.
Nach einer Dehnung bei der Inspiration (Einatmung) zieht sich die Lunge von selbst wieder auf Ursprungsgröße zurück und kehrt so zurück in die sogenannte Exspirationsstellung. Die Muskulatur zur Expiration (Ausatmung) bleibt bei der Ruheatmung ungenutzt und wird nur bei forciertem Abventilieren des Reservevolumens hinzugezogen. Gebremst wird die Retraktion der Lunge durch Surfactant, das die Oberflächenspannung der Alveolen um den Faktor zehn verringert und die Lungen vom Kollabieren abhält.
Beim Einatmen überwindet die Inspirationsmuskulatur aktiv die Widerstände der Lungen- und Thoraxretraktionskraft. Die Retraktionskräfte von Lunge und Thorax werden erst bei der Exspiration im Sinne einer Relaxation der Atemmuskulatur wieder frei, sodass die Exspiration aus der Atemruhelage als passiver Vorgang stattfindet. Die Atemruhelage entspricht in diesem Zusammenhang dem Gleichgewicht zwischen passiven Retraktionskräften von Thorax und Lunge, welches sich bei einer normalen Atmung automatisch am Ende der Expiration einstellt.
Funktion & Aufgabe
Bei der Lungendehnbarkeit handelt es sich um eine physikalische Größe, die die elastischen Eigenschaften der Lunge zusammenfasst. Die Dehnbarkeit entspricht im Wesentlichen dem Verhältnis von Volumenänderung zu korrespondierender Druckveränderung.
Elastische Körper, wie etwa aufgeblasene Ballone, sind ein geeignetes Veranschaulichungsbeispiel. Ein solcher Ballon besitzt ein definiertes Volumen und einen darauf basierenden Druck. Sobald mehr Luft in den Ballon zugegeben wird, ändert er das Volumen und eine Druckerhöhung tritt ein. Je größer also die Dehnbarkeit, desto geringer ist der Druckanstieg bei bestimmtem Füllvolumen.
Im Atemtrakt entspricht die Volumenänderung dem sogenannten Atemzugvolumen. Die Lungendehnbarkeit verhält sich in indirekter Proportionalität zum elastischen Lungenretraktionsdruck. Somit erfordert eine hohe Compliance nur niedrigen Druck, damit die Lunge weiter gefüllt werden kann. Bei niedriger Compliance braucht es hingegen mehr Druck zur Füllung der Lungen. In der Atemruhelage liegt höchste Compliance vor. Damit wird zur Lungenfüllung am wenigsten Druck benötigt.
In der Atemruhelage enthält die Lunge nur noch ihre funktionelle Residualkapazität. Diese funktionelle Residualkapazität entspricht dem Gasvolumen, das nach normaler Exspiration in der Ruhephase innerhalb der Lungen verbleibt. Die Kapazität bildet die Summe aus dem Residualvolumen und dem exspiratorischem Reservevolumen. Die funktionelle Residualkapazität entspricht also dem endexspiratorischen Lungenvolumen.
Die Ausdehnungsbemühungen des Thorax sind in der Atemruhelage exakt genauso hoch wie die Bestrebungen der Lunge, sich zusammenzuziehen. Aus diesem Grund findet im Moment der Atemruhelage weder passive Expiration, noch aktive Inspiration statt.
Krankheiten & Beschwerden
Bei einer unvollständigen Exspiration verschiebt sich die Atemruhelage des inspiratorischen Reservevolumens zu höheren Volumina. Die Atemruhelage verschiebt sich in das inspiratorische Reservevolumen der Lunge, sobald die Exspiration nicht mehr vollständig durchgeführt wird. Diese Prozesse führen dazu, dass die Vitalkapazität der Lunge sinkt, während das funktionelle Residualvolumen ansteigt. Unter der Vitalkapazität versteht der Lungenarzt das Lungenvolumen zwischen der maximalen Einatmung im Sinne maximaler Inspiration und der maximalen Ausatmung im Sinne der Exspiration.
Das Parenchym der Lunge verliert bei einer Überblähung an Elastizität und die Alveolen besitzen nur mehr verminderte Retraktionskraft. Daraus resultiert die dauerhafte Größenzunahme der Lunge, die einen wesentlichen Verlust an Leistungsfähigkeit bewirkt, mit Atemnot verbunden ist und häufig die Atemmuskulatur abschwächt.
Bei allen obstruktiven Atemwegserkrankungen besteht eine starke Beeinträchtigung des exspiratorischen Luftausstroms, während der inspiratorische Lufteinstrom weniger beeinträchtigt ist. Daher bleibt bei diesen Erkrankungen am Ende der Exspiration automatisch vermehrt Luft in den Lungen zurück, sodass vor allem auf dem Boden solcher Erkrankungen eine akute Lungenüberblähung entstehen kann. Da eine chronische Lungenüberblähung mit den weiter oben beschriebenen Strukturveränderungen einhergeht, kann sich aus chronischen Überblähungen ein irreversibles Lungenemphysem entwickeln.
Die Pneumologie unterscheidet zwei unterschiedliche Formen der Lungenüberblähung. Eine absolute Überblähung liegt bei "statischer" oder anatomisch fixiertet Überblähung vor und lässt die totale Kapazität der Lungen zunehmen. Bei einer relativen Überblähung handelt es sich um eine"dynamische" Überblähung, die auch als "air trapping" bezeichnet wird. Bei dieser Form vergrößert sich das Residualvolumen, wie oben beschrieben, auf Kosten der Vitalkapazität. Die betroffenen Patienten leiden nach körperlicher Anstrengung an einer erhöhten Atemmittellage.
Quellen
- Bungeroth, U.: BASICS Pneumologie. Urban & Fischer, München 2010
- Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013