Retraktionskraft
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Begriff der Retraktionskraft bezieht sich vor allem auf Lunge oder Thorax und meint deren Tendenz, sich bei Dehnung zusammenzuziehen und so den intrathorakalen Unterdruck zu erzeugen. Die Lunge erhält ihre Retraktionskraft durch elastische Fasern und die Oberflächenspannung der Alveolen. Die Retraktionskraft der Lunge ist für die Atmung vor allem im Sinne der Exspiration entscheidend.
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Was ist die Retraktionskraft?
Die Retraktion entspricht einer zusammenziehenden Bewegung. Auch der Ausdruck der Retraktionskraft bezieht sich damit auf die Fähigkeit zu und Stärke von zusammenziehenden Bewegungen. Im menschlichen Körper finden Bewegungen dieser Art vor allem in der Lunge statt.
Die Retraktionskraft der Lunge entspricht der Tendenz, die die menschliche Lunge im gedehnten verfolgt: sie versucht sich zusammenzuziehen. Als eine Folge ihrer Retraktionskraft entsteht intrathorakaler oder auch interpleuraler Unterdruck. Dieser Druck im Pleuraspalt gewährleistet zusammen mit flüssigkeitsvermittelten Adhäsionskräften, dass die Blätter der Lunge nicht aneinander heften und kein Kollaps der Lunge entsteht.
Nicht nur die Lunge, sondern auch der Thorax besitzt Retraktionskraft. In der sogenannten Atemruhelage ist ein Gleichgewicht zwischen den beiden passiven Retraktionskräften erreicht. Dieses Gleichgewicht entsteht bei normaler Atmung nach der Expiration, sobald die Lunge nur mehr ihre Residualkapazität fasst.
Funktion & Aufgabe
Da die Retraktionskraft der Lunge mit ihrer Dehnung ihn direktem Zusammenhang steht, ist die Kraft kleiner, je weniger die Lunge gedehnt wird. Die Retraktionskraft des Atmungsorgans ist mitunter die relevanteste Kraft für die Exspiration. Als solche wird die Phase der Atmung bezeichnet, in der Luft aus der Lunge und den Atemwegen befördert wird. Unter Ruhebedingungen erfolgt die Exspiration auf Basis der Lungenelastizität und der Retraktionskräfte von Thorax und Lunge. Eine Zuhilfenahme der Atemmuskeln ist dazu nicht erforderlich. Wenn nach der normalen Exspiration nur mehr das endexspiratorische Lungenvolumen in der Lunge zurückgeblieben ist, ist von der funktionellen Residualkapazität die Rede.
Sobald sich nur die funktionelle Residualkapazität in der Lunge befindet, spricht der Mediziner von der Atemruhelage. In dieser Ruhelage besteht ein Gleichgewicht zwischen den passiven Retraktionskräften von Lunge und Thorax. In der Atemruhelage gibt sich die Lunge mit einem kleinen Volumen zufrieden. Der Thorax versucht sich allerdings auszudehnen.
Letztlich entspricht die Retraktionskraft einer elastischen Rückstellkraft, wie sie für die Atmung zwingend erforderlich ist. In der Lunge sind interstitiell elastische Fasern vorhanden. Damit erreicht sie eine ideale Elastizität und kann sich unmittelbar nach der Dehnung der Inspiration zusammenziehen und wieder ihre ursprüngliche Größe im Sinne der Exspirationsstellung erreichen. Die Exspirationsmuskulatur ist so für die Ruheatmung nicht erforderlich, sondern wird nur zur Abventilation des zurückgebliebenen Reservevolumens genutzt.
Krankheiten & Beschwerden
Der Pleuraerguss wird zum Beispiel nicht unbedeutend von der Retraktionskraft beeinflusst. Dieser Erguss entspricht einer pathologischen Flüssigkeitsansammlung zwischen den einzelnen Pleurablättern. Die Verteilung von einem Pleuraergusses innerhalb des Pleuraspalts hängt neben der Schwerkraft und der Kapillarkraft wesentlich von der Retraktionskraft der Lunge ab. Am Anfang des Ergusses sammelt sich die Flüssigkeit zwischen dem Zwerchfell und der Lungenunterseite. Sobald die Ergussmenge durch das Einfließen von Lymphe, Blut oder Eiter zunimmt, entsteht durch die Kapillarkräfte eine nach oben weisende Sichel aus Flüssigkeit im Plauraspalt. Der Erguss steigt seitlich weiter nach oben, da lateral stärkere Rückstellkräfte des Lungengewebes vorliegen. Die Retraktionskraft der Lunge wirkt sich in ähnlicher Weise auf die Flüssigkeitsansammlung und ihr medizinisches Erscheinungsbild aus.
Ein anderes Krankheitsbild mit unmittelbarem Bezug zur Retraktionskraft ist der Pneumothorax. Dieser Begriff steht für den Eintritt von Luft in den pleuralen Spalt. Bei der Eröffnung des Intrathorakalraums folgt die Lunge ihrer Retraktionskraft und zieht sich vollständig zusammen. Aus diesem Grund füllt sich der Intrathorakalraum mit Luft und ein Pneumothorax entsteht. Das Zusammenhaften von Pleura viszeralis und Pleura parietalis ist nicht mehr gesichert. Damit kann die Lunge den Bewegungen des Thorax nicht mehr folgen, öfnet sich also nicht mehr und erleidet entweder einen teilweisen oder vollständigen Kollaps. Meist hat der Pneumothorax traumatische Ursache und entsteht in diesem Fall infolge einer direkten oder indirekten Verletzung am Brustkorbs oder seiner Organe.
Typische Ursachen sind zum Beispiel Verletzungen der Lunge, die infolge von nach innen spießenden Rippenbrüchen eintreten. Ebenso verbreitete Ursachen sind Stich- oder Schussverletzungen, die die Brusthöhle wie oben beschrieben eröffnen. Auch nach hochgradigen Quetschungen des Thorax, nach Einklemmungen oder Überrollungen kann ein traumatischer Pneumothorax begünstigt sein, da das Lungengewebe durch diese Vorgänge geschwächt wird. Etwas seltenere Ursachen sind Barotraumata, die mit einer extremen und plötzlich eintretenden Druckveränderung innerhalb der Lunge assoziiert sind und so beim Fliegen, beim Tauchen oder durch Überdruckbeatmung entstehen können. Manchmal ist der Pneumothorax auch eine Folge von ärztlichen Maßnahme, so zum Beispiel von einer Fehlpunktion an der Vena subclavia, die den Brustkorb oder die Lunge verletzt hat.
Quellen
- Bungeroth, U.: BASICS Pneumologie. Urban & Fischer, München 2010
- Hausen, T.: Pneumologie für die Praxis. Urban & Fischer, München 2018
- Matthys H., Seeger W. (Hrsg.): Klinische Pneumologie. Springer, Berlin 2002