Dehnungsrezeptoren

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Dehnungsrezeptoren messen die Spannung im Gewebe und detektieren so die Dehnung eines Muskels oder Organs. Ihre Hauptaufgabe ist der Überdehnungsschutz, der durch den monosynaptischen Dehnungsreflex gewährleistet wird. Die Dehnungsrezeptoren können im Rahmen verschiedener Muskelerkrankungen strukturelle Veränderungen zeigen.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Dehnungsrezeptoren?

Dehnungsrezeptoren schützen Muskeln und Organe vor allem vor Dehnungsschäden. Sie lösen dazu den monosynaptischen Dehnungsreflex aus, der den zugehörigen Muskel reflektorisch gegen die Dehnungsrichtung bewegt.
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Rezeptoren sind Proteine des menschlichen Gewebes. Sie reagieren auf bestimmte Reize in ihrer Umgebung mit Depolarisation und wandeln den Reizimpuls zu einem bioelektrischen Aktionspotenzial um.

Rezeptoren sind demzufolge die Zielmoleküle einer Körperzelle und gehören zu den Signaleinrichtungen der Organe oder Organsysteme. Die sogenannten Mechanorezeptoren reagieren auf mechanische Reize aus der Umgebung und machen sie für das zentrale Nervensystem verarbeitbar. Die Propriorezeptoren sind primäre Sinneszellen und gehören zu den Mechanorezeptoren. Sie sind vorwiegend für die Eigenwahrnehmung des Körpers zuständig und entsprechen freien Nervenendigungen.

In die Gruppe der Propriorezeptoren fallen die Rezeptoren der Muskelspindel. Diese Sinneszellen spielen vor allem für den monosynaptischen Dehnungsreflex eine Rolle und werden dementsprechend auch Dehnungsrezeptoren genannt. Muskelspindel sind also Dehnungsrezeptoren der Skelettmuskulatur, die auf mechanische Dehnung reagieren. Sie messen die Muskellänge ermöglichen differenzierte und reflektorische Bewegungen. Mit den Dehnungsrezeptoren spielen die Ruffini- und Vater-Pacini-Körperchen in der Gelenkkapsel zusammen.

Anatomie & Aufbau

Die Muskelspindeln liegen in der Skelettmuskulatur. Sie setzen sich aus intrafusalen Muskelfasern zusammen. Diese Fasern liegen parallel zu denen der Skelettmuskulatur.

Kernkettenfasern bestehen aus kettenartig angeordneten Zellkernen. Kernsackfasern sind eine Ansammlung aus aufgetriebenen Zellkernen. Alle Muskelspindeln sind aus fünf bis zehn quergestreiften Muskelfasern in einer Bindegewebshülle aufgebaut. Beim Menschen sind die Spindeln zwischen einem und drei Millimetern lang. Die Spindel finden sich an verschiedenen Lokalisationen im Körper. An den Muskelfasern des Beinstreckers sitzen im Oberschenkel zum Beispiel bis zu tausend Muskelspindeln, die eine Länge von fast zehn Millimetern erreichen können. Je mehr Muskelspindeln, desto feiner kann sich der zugehörige Muskel bewegen.

In der nicht-kontraktilen Mitte der Muskelspindeln liegen vor allem afferent sensible Nervenfasern, die der Reizaufnahme dienen. Diese Fasern sind auch als Ia-Fasern bekannt. Sie umwinden die mittleren Abschnitte der intrafusalen Fasern und werden auch anulospirale Endigung genannt. Die efferenten Nervenfasern der Muskelspindel sind sogenannte Gamma-Neuronen, die die Empfindlichkeit des Spindels steuern.

Funktion & Aufgaben

Dehnungsrezeptoren schützen Muskeln und Organe vor allem vor Dehnungsschäden. Sie lösen dazu den monosynaptischen Dehnungsreflex aus, der den zugehörigen Muskel reflektorisch gegen die Dehnungsrichtung bewegt. Diese reflektorische Reaktion muss möglichst zeitnah zur Dehnung stattfinden. Die Afferenzen der Muskelspindel laufen dazu fast ausschließlich über die schnellleitenden Nervenfasern des Typen Ia und sind monosynaptisch über das Rückenmark verschalten.

Eine anderweitige Verschaltung würde die Schutzreflexe der Dehnungsrezeptoren verzögern. Die Nervenfasern der Klasse II erfassen permanent die Muskellänge. Sie zählen zur sekundären Innervation. Die Aktionspotenzialfrequenz in den Ia-Fasern ist immer proportional zur gemessenen Muskellänge oder Gewebsspannung. Auch zur Geschwindigkeit der Längenänderung durch Dehnung steht die Frequenz des Aktionspotenzials im Verhältnis. Wegen dieser Zusammenhänge werden Muskelspindel auch PD-Sensoren genannt. Eine Längenänderung des Muskels aktiviert das alpha-Motoneuron des gedehnten Muskels und aktiviert dabei zugleich des gamma-Motoneuron. So verkürzen sich die Fasern der Arbeitsmuskulatur parallel zu den intrafusalen Fasern. Auf diese Weise ergibt sich eine konstante Empfindlichkeit der Spindel.

Wird ein Muskel gedehnt, dann erreicht die Dehnung auch das Muskelspindel. Die Ia-Fasern generieren daraufhin ein Aktionspotential und transportieren es über den Spinalnerv ins Rückenmarkhinterhorn. Über eine Synapsenverbindung im Rückenmarkvorderhorn wird der Impuls der Dehnungsrezeptoren monosynaptisch auf α-Motoneurone projiziert. Sie lassen die Skelettmuskelfasern des gedehnten Muskels kurzzeitig kontrahieren. Über die γ-Spindelschleife wird ferner die Muskellänge gesteuert. Die intrafusalen Muskelfasern sind am kontraktilen Enden mit γ-Motoneuronen vernetzt.

Wenn diese Motoneuronen aktiviert werden, kommt es an den Muskelspindelenden zur Kontraktion und die Mitte wird gedehnt. Damit erzeugen die Ia-Fasern wieder ein Aktionspotential. Nach Durchlaufen des Rückenmarks wird so eine Kontraktion der Skelettmuskelfasern ausgelöst, die die Muskelspindel entspannt. Der Prozess setzt sich fort, bis die Ia-Fasern keine Dehnung detektieren.


Krankheiten

Krankheiten auf Basis von Muskelspindelalterationen sind bislang nicht bekannt. Aufgrund ihrer Komplexität als Rezeptororgan sind solcherlei Erkrankungen aber durchaus wahrscheinlich.

Im Rahmen von peripheren Neuropathien treten zuweilen Vergrößerungen oder Aplasien der Spinalganglienzellen oder der markhaltigen und sensiblen Nervenfasern auf. Diese Phänomene könnten die Entwicklung der Dehnungsrezeptoren beeinflussen. Auch das Fehlen eines bestimmten Transkriptionsfaktors kann unter Umständen negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Dehnungsrezeptoren zeigen. Demyelinisierende Formen der Neuropathie werden dagegen nicht mit Alterationen der Muskelspindeln in Zusammenhang gebracht.

Die Muskelspindel können dafür an spezifischen Muskelerkrankungen mit erkranken und so morphologische Veränderungen zeigen. Dazu zählt speziell die neurogene Muskelatrophie. Muskelatrophien sind durch eine Umfangverringerung der Skelettmuskeln gekennzeichnet und sind eine Reaktion auf verminderte Beanspruchung. Bei der neurogenen Form der Muskelatrophie ist die verminderte Beanspruchung durch das Nervensystem oder bestimmte Neurone bedingt und kann so zum Beispiel im Rahmen der degenerativen Erkrankung ALS auftreten.

Das Feingewebe der Muskelspindeln verändert sich bei Muskelatrophien fadenförmig. Viele weitere Erkrankungen verändern die Muskelspindeln. Die feingewebliche Struktur der Dehnungsrezeptoren und ihre Erkrankungen ist bislang aber nicht sonderlich gut erforscht, da sie hohe Komplexität aufweist.

Quellen

  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

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