Einstellungsanomalie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Einstellungsanomalie ist eine Geburtskomplikation, bei der das ungeborene Kind nicht geburtsförderlich in das Becken der Mutter absteigt und eine geburtshinderliche Lage einnimmt. Die Geburt stagniert mit der Einstellungsanomalie in den meisten Fällen vollständig. Um das Kind zu entbinden, stehen Maßnahmen wie der Kaiserschnitt oder die operativ-vaginale Geburt zur Verfügung.
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Was ist eine Einstellungsanomalie?
Unterschiedliche Komplikationen während des Geburtsvorgangs kommen trotz des medizinischen Fortschritts auch heute noch immer in einer nicht zu unterschätzenden Prävalenz vor. Manche externe Faktoren erhöhen das Risiko für derartige Komplikationen, so zum Beispiel ein hohes Alter der werdenden Mutter. Ein weiterer Risikofaktor für Störungen des physiologisch normalen Geburtsverlaufs sind sogenannte Einstellungsanomalien.
Dabei handelt es sich um Fehllagen, die das Embryo beim Abstieg in das Becken der Mutter einnimmt. Unterschiedliche Arten der Einstellungsanomalie existieren. Neben dem hohen Gradstand zählen die Scheitelbeineinstellung, der tiefe Kopfquerstand, die hintere Hinterhauptslage und die Schulterdystokie zu den verbreitetesten Einstellungsanomalien. Lageanomalien wie die Quer- oder Schräglage sind von der Einstellungsanomalie abzugrenzen.
Die Einstellungsanomalie bezieht sich anders als die Lageanomalie auf die Neupositionierung des geburtsreifen Fötus unmittelbar vor der Geburt. Diese Neupositionierung führt im Regelfall zu einer Positionslage, die den Geburtsverlauf begünstigt. Der hohe Kopfquerstand und der hohe Schulterquerstand sind die geburtsförderlichsten Positionen.
Ursachen
Die Ursache für eine Einstellungsanomalie ist in der Regel eine Anomalie des mütterlichen Beckens. Bei Fehlstellungen der Beckenknochen kann das ungeborene Kind trotz Bemühungen oft nicht in geburtsförderliche Lage absteigen. Allerdings muss eine Einstellungsanomalie nicht zwingend eine körperliche Ursache haben.
In manchen Fällen können seelische Faktoren die primäre Ursache einer scheinbaren Einstellungsanomalie und der damit zusammenhängenden Stagnation der Geburt sein. Die Abgrenzung von echten Einstellungsanomalien mit körperlichen Ursachen gegenüber scheinbaren, aber unechten Einstellungsanomalien mit rein psychischen Ursachen ist ein wichtiges Kriterium für das richtige Vorgehen während der Geburt.
Grundsätzlich sprechen Hebammen und Gynäkologen nur dann von einer echten Einstellungsanomalie, wenn sich das ungeborene Kind im Becken der Mutter nicht in eine Lage dreht, die eine spontane Geburt ermöglicht.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Leitsymptom einer Einstellungsanomalie ist die Stagnation des Geburtsvorgangs. Solange sich das Kind nicht in eine geburtsförderliche Position bewegt, kann der Geburtsverlauf nicht fortschreiten. Welche Einstellungsanomalie im Einzelfall vorliegt, wird vom Arzt und den Hebammen während des Geburtsvorgangs bestimmt.
Die hintere Hinterhauptslage ist eine der häufigsten Einstellungsanomalien. Das Gesicht des ungeborenen Kindes weist hierbei nicht zum Rücken der werdenden Mutter, sondern ähnlich des Sternguckers zum Bauch. Der Kopf des Kindes muss mit seinem größten Durchmesser voran durch das Becken der Mutter hindurch gleiten. Nicht in jedem Fall kommt es bei Einstellungsanomalien zu einem Geburtsstillstand.
Ungeborene Kinder in der Scheitelbeineinstellung verlassen relativ häufig in einem Spontanpartus das mütterliche Becken. Darüber hinaus muss ein Geburtsstillstand in der anderen Richtung nicht zwingend auf eine Einstellungsanomalie hinweisen.
Diagnose
Häufig wird vor der Geburt eines Kindes eine Anomalie des mütterlichen Beckens festgestellt. Um eine derartige Anomalie zu diagnostizieren, ist eine Bildgebung des Beckens das Mittel der Wahl. Falls eine Beckenanomalie vor der Geburt bekannt ist, liegt ein höheres Risiko für eine Einstellungsanomalie während des Geburtsvorgangs nahe.
Die Hebammen und Ärzte werden in diesem Fall besonders penibel auf die Lage des Kindes achten und genau prüfen, ob sich das ungeborene Kind in geburtsförderliche Position begibt. Meist lässt sich eine bereits eingetretene Einstellungsanomalie mittels Palpation und Ultraschall binnen Sekunden diagnostizieren. Abhängig von der Art der Einstellungsanomalie wird das weitere Vorgehen geplant.
Komplikationen
Durch die Einstellungsanomalie ist eine gewöhnliche Geburt des Kindes nicht möglich. Es muss eine alternative Methode genutzt werden, um das Kind aus dem Bauch der Mutter zu entfernen, wobei in der Regel der sogenannte Kaiserschnitt angewendet wird. Die Einstellungsanomalie kann relativ gut diagnostiziert werden, sodass es bei der Geburt selbst zu keinen besonderen Komplikationen kommt.
Die Diagnose erfolgt mit Hilfe von Ultraschall und ist nicht mit Schmerzen verbunden. Je nach Lage und Position des Kindes wird dann entschieden, wie der weitere Verlauf der Geburt aussehen wird. In eingen Fällen tritt auch eine Spontangeburt auf, welche allerdings nicht vorausgesehen werden kann. Mögliche Schmerzen, die der Mutter entstehen, werden mit Hilfe von Schmerzmitteln behandelt.
Falls sich die Lage des Kindes nicht verändert, wird eine operative Entbindung durch den Kaiserschnitt vorgenommen. In den meisten Fällen verläuft die Entbindung ohne Schwierigkeiten und Komplikationen. Die körperlichen Funktionen des Kindes werden durch die Einstellungsanomalie nicht beeinträchtigt, auch kommt es nicht zu einer verringerten Lebenserwartung. In den meisten Fällen bleibt der Mutter nach der Entbindung eine Narbe am Bauch zurück.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Nach heutiger schulmedizinischer Meinung sollten gebärende Frauen grundsätzlich eng mit einem Team von Ärzten, Krankenschwestern sowie einer Hebamme zusammenarbeiten. Es ist ratsam, alle angebotenen vorgeburtlichen Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen und Unregelmäßigkeiten sowie Auffälligkeiten stets ärztlich abklären zu lassen.
Vorsichtsmaßnahmen sollten rechtzeitig mehrere Wochen vor der Geburt vorbereitet und geplant werden. Hat die werdende Mutter ein diffuses Gefühl, dass trotz aller Untersuchungen und Absprachen etwas nicht stimmt, sollte sie das ansprechen.
Treten Unregelmäßigkeiten auf oder kommt es zu spontanen Veränderungen des körperlichen Zustandes, ist ein Arzt darüber zu informieren. Setzen die Wehen ungeplant und zu früh ein, sollten unverzüglich ein Arzt und die Hebamme kontaktiert werden. Je nach Intensität der Schmerzen oder Abständen der Wehen, ist abzuwägen, ob ein Krankenwagen gerufen werden muss. Nehmen die Beschwerden ungewöhnlich stark zu, muss ein Notarzt informiert werden.
Bei einer bereits begonnenen, aber dann stagnierenden Geburt, besteht Grund zur Besorgnis. Da das Leben von Mutter wie Kind bei einer Geburt gefährdet sein kann, muss mit einem Arzt abgeklärt werden, welche Schritte eingeleitet werden müssen, wenn sich das Kind nicht selbständig in die richtige Geburtslage dreht. Die werdende Mutter sollte bei einer eingestuften Risikoschwangerschaft auf eine Hausgeburt verzichten und sich rechtzeitig in die Obhut von Ärzten begeben.
Behandlung & Therapie
Bei einigen Einstellungsanomalien wird einige Zeit abgewartet, da eine Spontangeburt trotz der Anomalie noch denkbar ist. Das gilt im Speziellen für die vordere Scheitelbeineinstellung. Bei anderen Anomalien wird die Mutter zunächst dazu aufgefordert, ihre eigene Lage zu verändern. Beim tiefen Kopfquerstand des Kindes kann ein Lagewechsel der Mutter zum Beispiel in die Spontangeburt münden.
Falls erforderlich und so gewünscht, erhält die werdende Mutter eine konservativ medikamentöse Behandlung mit Schmerzmitteln. Darüber hinaus können Mittel zur Entspannung eine Spontangeburt in manchen Fällen unterstützen. Wenn weder Lageveränderung, noch Entspannung eine Spontangeburt ermöglichen, muss das Kind operativ entbunden werden.
Der Einsatz einer Saugglocke wird dem Kaiserschnitt bevorzugt, soweit dieses Vorgehen sinnvoll erscheint. Dasselbe gilt für die Zange, mit der die Geburtshelfer oder der Arzt das ungeborene Kind gegebenenfalls in eine förderliche Lage bringen können. Auch eine vaginal-operative Entbindung ist nach einer Einstellungsanomalie denkbar.
Die Entbindung per Kaiserschnitt wird im absoluten Notfall durchgeführt und findet zumeist erst dann statt, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Wichtig ist bei der Behandlung von Einstellungsanomalien die Überwachung der kindlichen Vitalfunktionen. Nur mittels präziser Überwachung werden die Geburtshelfer und Gynäkologen den richtigen Zeitpunkt für ein invasives Geburtsverfahren ermitteln können.
Aussicht & Prognose
Die Einstellungsanomalie ist ein Zustand bei einer Entbindung und keine Erkrankung, die auf einen genetischen Defekt oder Krankheitserreger basiert. Die Anomalie kann ausschließlich während des Geburtsvorgangs auftreten und bewirkt einen Geburtsstopp. In diesen Fällen wird die Anwendung eines alternativen Geburtsprozesses notwendig. Es handelt sich daher bei der Einstellungsanomalie um einen Zustand den nur eine werdende Mutter betrifft und der Handlungsbedarf erfordert, um das Überleben von Mutter und Kind zu sichern.
Bei einer frühzeitigen Entdeckung der Fehlstellung des Fötus im Mutterleib, einer Beckenenge der schwangeren Frau oder ersten Komplikationen während des Geburtsvorgangs, wird eine Entbindung per Kaiserschnitt eingeleitet. Dies ist ein routinierter operativer Eingriff, der in den meisten Fällen ohne weitere Komplikationen abläuft. Die Diagnosestellung findet bereits vor dem errechneten Geburtstermin durch eine Ultraschalluntersuchung statt.
Bei einer guten Wundversorgung sowie ausreichender Schonung der Frau, erfolgt innerhalb kurzer Zeit nach dem Kaiserschnitt eine Genesung. Ohne eine medizinische Versorgung und einen ärztlichen Eingriff kommt es zu schweren Komplikationen für Mutter und Kind. Eine Unterversorgung des Fötus mit Sauerstoff ist die Folge, da eine natürliche Geburt aufgrund der Gegebenheiten von Mutter und Kind nicht möglich ist. Damit droht dem ungeborenen Kind der Tod durch Ersticken. Die werdende Mutter schwebt dadurch ebenfalls in Lebensgefahr.
Vorbeugung
Beckenanomalien sind die häufigste Ursache für Einstellungsanomalien. Eine Beckenanomalie kann angeboren sein und sich damit nicht verhindern lassen. Allerdings existieren auch erworbene Backenanomalien, wie sie aufgrund einer fehlerhaften Haltung entstehen können. Um in dieser Weise erworbenen Beckenanomalien vorzubeugen, ist der Besuch einer Haltungsschule sinnvoll.
Mit der Prävention von Beckenfehlstellungen vermindert sich auch das Risiko für Einstellungsanomalien bei der Geburt eines Kindes. Sicher ausgeschlossen ist eine Einstellungsanomalie allerdings auch dann nicht, wenn keine Beckenanomalie der werdenden Mutter vorliegt.
Nachsorge
Bei einer Einstellungsanomalie sind in der Regel keine Maßnahmen einer Nachsorge möglich oder notwendig. Diese Komplikation muss immer sofort durch einen Arzt behandelt werden, da es sonst im schlimmsten Fall zum Tod des Kindes und auch zum Tod der Mutter kommen kann. Je früher die Einstellungsanomalie dabei erkannt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf dieser Beschwerde.
Nicht immer ist eine Heilung möglich. Die Nachsorge selbst richtet sich meistens auf die Behandlung der Wunde nach dem Kaiserschnitt bei der Mutter. Die Mutter sollte sich nach diesem Eingriff auf jeden Fall ausruhen und sich schonen. Dabei ist auf jeden Fall Bettruhe einzuhalten, wobei auch stressige und körperliche Aktivitäten möglichst zu vermeiden sind. In vielen Fällen ist dabei auch die Unterstützung der eigenen Familie und der Eltern notwendig.
Eine liebevolle und intensive Pflege der Mutter und des Kindes wirken sich dabei immer positiv auf den weiteren Verlauf der Einstellungsanomalie aus. In der Regel sind keine weiteren Maßnahmen einer Nachsorge bei dieser Krankheit notwendig. Nach dem Abheilen der Wunde können jedoch regelmäßige Untersuchungen sinnvoll sein. Die Lebenserwartung wird nicht verringert, falls die Einstellungsanomalie erfolgreich behandelt wird.
Das können Sie selbst tun
Eine gebärende Mutter sollte sich im Vorfeld der Geburt rechtzeitig und umfassend über eventuelle Komplikationen sowie verschiedene Möglichkeiten des Gebärens informieren. Die Wahl der richtigen Methode hängt von den individuellen Gegebenheiten ab und ist stets in Rücksprache mit den Geburtshelfern zu treffen. Je besser die werdende Mutter über den Geburtsverlauf informiert ist, desto vorbereiteter kann sie auf ungeplante Entwicklungen reagieren, die sich während einer stattfindenden Geburt ergeben können.
Atemtechniken sollten ausreichend geübt werden und die Voraussetzungen für einen ungestörten Geburtsablauf geschaffen werden. Hilfreich ist es, sich mit erfahrenen Personen auszutauschen und alle aufkommenden Fragen frühzeitig zu stellen und sich beantworten zu lassen. Bei den Entwicklungen des Geburtsvorganges ist es wichtig, eng mit dem Geburtshelferteam zusammenzuarbeiten und deren Anweisungen zu folgen. Die werdende Mutter sollte nicht in Panik zu geraten und über jede Veränderung in ihrem Körper Rückmeldung geben.
Trotz Schmerzen und möglichen Unregelmäßigkeiten, hilft die Mutter sich selbst und dem ungeborenen Kind, wenn sie Ruhe bewahrt. Die Psyche der Betroffenen sollte bereits Monate vor der Geburt stabil sein, damit möglichst wenige Komplikationen auftreten. Besteht daran Zweifel, ist es hilfreich, rechtzeitig Unterstützung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies lindert die Strapazen während einer Geburt für Mutter und Kind.
Quellen
- Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
- Kaufmann, M., Costa, S.-D., Scharl, A. (Hrsg.): Die Gynäkologie. Springer, Berlin 2013
- Schneider, H., Husslein, P., Schneider, K.T.M.: Die Geburtshilfe. Springer, Berlin Heidelberg 2011