Emetophobie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter einer Emetophobie wird eine panische Angst vor dem Erbrechen verstanden. Sie zählt zu den phobischen Erkrankungen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Emetophobie?

Wodurch eine Emetophobie entsteht, konnte bislang noch nicht präzise ergründet werden. Viele Betroffene litten allerdings in ihrer Kindheit unter traumatischen Erlebnissen, bei denen das Erbrechen im Vordergrund stand.
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Fast jeder Mensch fürchtet sich davor, sich übergeben zu müssen. So handelt es sich bei Übelkeit und Erbrechen um sehr unangenehme Empfindungen. Manche Menschen verspüren jedoch schon eine regelrechte panische Angst davor, wenn sie auch nur daran denken. Die Angst vor dem Erbrechen ist selbst dann vorhanden, wenn überhaupt kein Grund dazu besteht.

Mediziner sprechen in solchen Fällen von einer Emetophobie. Die Emetophobie wird zu den psychischen Erkrankungen gerechnet und übersteigt den normalen Ekel vor dem Erbrechen deutlich. So gilt sie als Angststörung, weil die betroffenen Personen irrationale Angstempfindungen verspüren, sich übergeben zu müssen.

Diese Angst haben sie auch dann, wenn sie andere Personen beim Erbrechen beobachten. Sogar Filme, Fotos oder das Erbrechen als Gesprächsthema lösen bei ihnen Ängste aus. Frauen scheinen von einer Emetophobie häufiger betroffen zu sein als Männer. So wiesen Studien bei ihnen deutlich höhere Fallzahlen auf.

Ursachen

Wodurch eine Emetophobie entsteht, konnte bislang noch nicht präzise ergründet werden. Viele Betroffene litten allerdings in ihrer Kindheit unter traumatischen Erlebnissen, bei denen das Erbrechen im Vordergrund stand. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Strafe handeln, weil sich das Kind im Auto übergeben musste.

Dadurch glaubte das Kind, dass es durch das Erbrechen weniger geliebt wurde. Bei zahlreichen anderen Patienten gab es ein solches traumatisches Erlebnis jedoch nicht. Allerdings tun sie sich schwer mit Druck, der von außen entsteht. So stellt die Emetophobie bei ihnen lediglich das Symptom anderer psychischer Probleme dar.

Nicht selten sind die Betroffenen in einem Teufelskreis aus sozialen Ängsten und Panikattacken gefangen. Bei vielen Patienten liegt außerdem eine ausgeprägte Essstörung vor. Weil sie Angst haben, sich nach den Mahlzeiten übergeben zu müssen, essen sie nur geringe Portionen oder nur unregelmäßig. Bestimmte Lebensmittel werden gänzlich vermieden.

Um das Erbrechen zu verhindern, nehmen rund 75 Prozent aller Erkrankten nur bestimmte Nahrungsmittel zu sich und überprüfen deren Haltbarkeit auf Herz und Nieren, da sie Angst haben, das Essen könnte verdorben sein.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Emetophobie äußert sich sowohl durch körperliche als auch durch psychische Symptome. Die physischen Beschwerden ähneln Panikattacken. So leiden die Patienten häufig unter Herzrasen, Übelkeit, Schweißausbrüchen, Magenschmerzen, Zittern, Schwächeanfällen und Schüttelfrost.

Darüber hinaus werden sie von der ständigen Angst begleitet, sich übergeben zu müssen. Erwachsenen und jugendlichen Patienten ist oftmals bewusst, dass ihre Angst vor dem Erbrechen übertrieben ist, sind aber nicht in der Lage, etwas daran zu ändern. Stattdessen schränken sie ihr berufliches und soziales Leben zunehmend ein.

Einige Emetophobiker umgehen strikt jegliche Situation, die bei ihnen Erbrechen auslösen könnte. So meiden sie zum Beispiel Feierlichkeiten wie Familienfeste, Betriebsfeste oder Partys. Gerade bei Partys, auf denen Alkohol konsumiert wird, haben sie Angst davor, möglicherweise sehen zu müssen, wie sich ein Betrunkener übergibt. Von betroffenen Kindern werden Klassenfahrten oder Ausflüge vermieden.

Auch Reisen oder das Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln sind Emetophobikern zu riskant, weil sie Angst vor Reiseübelkeit oder möglichen Erkrankungen in fremden Ländern haben. Das Essen an anderen Orten als in den eigenen vier Wänden wird vermieden. Kommt es im beruflichen Umfeld zu Erkrankungen wie einer Magen-Darm-Grippe, lassen sich die Emetophobiker aus Sicherheitsgründen vorsorglich krankschreiben.

Eine Schwangerschaft ist für betroffene Frauen undenkbar. Sogar der Kontakt mit schwangeren Frauen wird gemieden, weil diese sich eventuell übergeben könnten. Die größte Angst der Emetophobiker besteht darin, in einem Raum eingeschlossen zu sein, in dem sich Menschen erbrechen könnten. Daher halten sie stets Ausschau nach Fluchtwegen.

In Arztpraxen oder Krankenhäuser begeben sie sich nicht, weil sie Angst vor dort grassierenden Keimen haben, die Übelkeit und Erbrechen auslösen. Zur Vorbeugung nehmen die Betroffenen oft Anti-Brechmittel ein. Nicht selten tritt dadurch eine Abhängigkeit von diesen Medikamenten ein. Dagegen vermeiden sie Medikamente, die mögliche Nebenwirkungen wie Erbrechen aufweisen.

Diagnose

Eine Emetophobie zu diagnostizieren gilt als schwierig. So ist diese psychische Erkrankung bislang nur wenig bekannt. Außerdem stehen nur wenige geeignete Diagnoseinstrumente zur Verfügung. Von niederländischen Medizinern wurde ein spezieller Fragebogen entwickelt, der in der Forschung zum Einsatz gelangt.

Er beinhaltet insgesamt 115 Fragen, die sich mit der Angst vor dem Erbrechen sowie den körperlichen Empfindungen befassen. Dabei muss der Patient die Fragen auf einer Skala zwischen 1 und 5 beantworten. Eine wichtige Rolle spielen zudem die Symptome der Emetophobie wie das Vermeidungsverhalten.

Gelingt es dem Patienten, sich zu einem Arztbesuch und einer Therapie zu überwinden, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung der Emetophobie gut. Allerdings muss der Patient auch den festen Willen zu einer Therapie haben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Angst vor dem Erbrechen sollte auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden. Nur durch eine medizinische Untersuchung kann festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um eine Emetophobie handelt. Liegt ein körperliches Leiden zugrunde, so muss dieses abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden. Eine psychische Ursache bedarf nicht unbedingt einer Therapie. Sollte die Erkrankung allerdings zu Einschränkungen im Alltag führen oder für die Betroffenen mit weiteren Ängsten verbunden sein, ist ein Besuch bei einem Psychologen sinnvoll.

Eltern, die bei ihrem Kind Anzeichen einer Emetophobie bemerken, sprechen am besten mit dem Kinderarzt. Wird die Phobie frühzeitig therapeutisch behandelt, lassen sich Folgestörungen und weitere Auswirkungen auf die Psyche meistens vermeiden.

Spätestens, wenn aufgrund der Angst berufliche oder private Probleme auftreten - etwa, weil der Betroffene sich aus dem sozialen Leben zurückzieht oder sich oft krankschreiben lässt -, sollte der Hausarzt konsultiert werden. Weitere Ansprechpartner sind der Psychologe oder ein Spezialist für Phobien und Angststörungen.

Behandlung & Therapie

Eine Behandlungsmöglichkeit der Emetophobie stellt die Verhaltenstherapie dar. Dabei erfolgt eine verhaltenstherapeutische Reizkonzentration, bei der der Patient genau den Situationen ausgesetzt wird, vor denen er Angst hat. Das heißt, dass der Betroffene sich beispielsweise Videofilme ansehen muss, in denen sich Menschen übergeben.

Außerdem gehen sie auf Feste oder besuchen Restaurants, um ihre Ängste schließlich zu überwinden. Mithilfe von speziellen Atemübungen und Entspannungstechniken lernen die Patienten, sich besser zu entspannen.

Aussicht & Prognose

Grundsätzlich zählen Angststörungen und Phobien zu den heilbaren Erkrankungen. Da die Emetophobie wenig bekannt ist, gehört die Diagnosestellung zu einer großen Herausforderung für die Ärzte. Zudem gehen Betroffene erst spät zu einem Arzt, wenn die Symptome bereits sehr stark ausgeprägt sind. Je später die Krankheitserkennung erfolgt und die Behandlung beginnen kann, desto länger sind im Normalfall der Leidens- wie auch der Heilungsweg.

Die Vulnerabilität für das Auftreten weiterer psychischer Störungen ist bei den Betroffenen hoch und muss bei der Prognosestellung berücksichtigt werden. Bei einer Emetophobie ist mit oder ohne eine medizinische Versorgung jederzeit eine Spontanheilung möglich. Kognitive Prozesse oder Ereignisse der gewohnten Lebensumstände können zu plötzlichen Veränderungen führen.

Ohne eine Therapie verschlechtert sich bei den meisten Patienten das Wohlbefinden im Laufe der Zeit. Es ist mit einer steten Zunahme der Beschwerden zu rechnen, bis die Lebensqualität erheblich gestört ist. Eine ärztliche oder therapeutische Betreuung konzentriert sich auf die vorliegenden Ursachen und berücksichtigt die individuellen Gegebenheiten des Patienten. Der Heilungsweg umfasst mehrere Monate oder Jahre.

Für eine gute Prognose sind die Mitarbeit des Patienten und ein gutes Vertrauensverhältnis zum Therapeuten maßgeblich. Die Emetophobie kann trotz einer Heilung jederzeit erneut auftreten. Eine lange Erkrankungszeit und häufige Rückfälle erhöhen das Risiko eines chronischen Krankheitsverlaufs.


Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen gegen die Emetophobie sind nicht bekannt. So ließen sich die genauen Auslöser der psychischen Störung noch nicht ermitteln.

Nachsorge

Im Fall einer Emetophobie stehen dem Patienten Möglichkeiten der Nachsorge nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Im Vordergrund steht bei dieser Erkrankung daher auch die direkte und schnelle Behandlung der Emetophobie, damit weitere Komplikationen oder Beschwerden nicht mehr auftreten. Dabei wirkt sich in erster Linie eine frühzeitige Erkennung mit einer zügigen Behandlung positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit aus.

Die meisten Patienten sind im Fall einer Emetophobie auf eine Verhaltenstherapie angewiesen. Diese wird durch einen Psychologen durchgeführt und sollte solange durchgeführt werden, bis die Beschwerden abklingen. In vielen Fällen können dabei einige Übungen aus dieser Therapie auch in der eigenen Wohnung durchgeführt werden, wodurch die Heilung eventuell beschleunigt wird.

Weiterhin können auch Übungen und Techniken zur richtigen Atmung und zur Entspannung im eigenen Zuhause geübt werden, um die Beschwerden der Emetophobie zu lindern. Die Patienten sind auch auf die Unterstützung der eigenen Familie und der Freunde im Alltag angewiesen. Dabei wirkt sich eine liebevolle und intensive Pflege der Betroffenen positiv auf den Verlauf der Emetophobie aus. In der Regel ist die Lebenserwartung des Patienten durch die Krankheit nicht verringert.

Das können Sie selbst tun

Zur Bewältigung des Alltags hat sich für Emetophobiker der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe als wirkungsvoll erwiesen. Vielen hilft es, über ihre Befürchtungen mit anderen Betroffenen sprechen zu können und Erfahrungen und Bewältigungsstrategien auszutauschen.

Die Selbsthilfegruppe bietet die Chance, in einem geschützten Rahmen das öffentliche Essen wieder über zu können, zum Beispiel durch gemeinsame Restaurantbesuche. Ziel der Selbsthilfegruppe ist, Selbstannahme und Akzeptanz zu fördern und einen unbefangenen Umgang mit dem Thema Essen wieder zu ermöglichen.

Für manche Betroffene scheint die prophylaktische Einnahme eines Magenschutz-Medikaments eine wichtige Option darzustellen. Dabei ist zu beachten, dass Präparate aus der Arzneistoffgruppe der Protonenpumpenhemmer Risiken und Nebenwirkungen aufweisen können. Sie sollten deshalb nicht ohne ärztliche Verschreibung über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Mit pflanzlichen oder homöopathischen Mitteln, deren Wirkweise hauptsächlich auf dem Placeboeffekt beruht, lässt sich in manchen Fällen eine Symptomabschwächung erreichen.

Eine weitere Möglichkeit zur Selbsthilfe stellen professionelle Techniken der Angstbewältigung, die im Rahmen einer Verhaltenstherapie erlernt werden können, dar. Die Angst vor dem Erbrechen kann mit konsequenter, regelmäßiger Anwendung dieser Techniken von den meisten Betroffenen schrittweise abgebaut werden. Bevorstehende belastende Situationen wie Familienfeiern, geschäftliche Abendessen etc. können so besser bewältigt werden.

Die in der Therapie von Angststörungen bewährte Taktik, positive öffentliche Situationen zu erinnern, scheint bei Emetophobikern dagegen nicht so gut zu greifen: Sich in Erinnerung zu rufen, dass das erwartete Ereignis bisher nie eingetreten ist, hat sich leider nur bei wenigen Betroffenen als hilfreich erwiesen.

Quellen

  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015

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