Endosymbionten-Theorie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Endosymbionten-Theorie ist eine evolutionsbiologische Hypothese bekannt, die die Entwicklung von höherem Leben an der Endosymbiose von Prokaryoten festmacht. Erstmals diskutiert wurde der Gedanke Ende des 19. Jahrhunderts von dem Botaniker Schimper. Mittlerweile sprechen viele Forschungsergebnisse für die Theorie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Endosymbionten-Theorie?

Im Verlauf der Evolution sollen zwei Organismen, laut Endosymbionten-Theorie, in gegenseitige Abhängigkeit geraten sein, sodass keiner der Partner ohne den anderen überleben konnte.

Der Botaniker Schimper publizierte 1883 erstmals den Gedanke der Endosymbiontentheorie, der in seiner Arbeit die Entstehung der Chloroplasten erklären sollte. Der russische Evolutionsbiologe Konstantin Sergejewitsch Mereschkowski griff die Endosymbionten-Theorie Anfang des 20. Jahrhunderts wieder auf. Bekannt wurde die Theorie jedoch erst 1967, als sie von Lynn Margulis aufgegriffen wurde.

In vereinfachter Zusammenfassung besagt die Theorie, dass einzellige Lebewesen im Laufe der Evolution durch andere Einzeller aufgenommen wurden. Diese Aufnahme soll erst die Entwicklung von Zellbestandteilen höherer Lebewesen ermöglicht haben. Auf diese Weise ist laut Anhängern der Theorie im Laufe der Evolution immer komplexeres Leben entstanden.

Menschliche Zellbestandteile gehen so ursprünglich auf Einzeller zurück. Eukaryoten sind der Theorie zufolge also erst dadurch entstanden, dass prokaryotische Vorläuferorganismen Symbiosen eingegangen sind. Vor allem chemotrophe und phototrophe Bakterien sollen von anderweitig prokaryotischen Zellen der Archaeen in einem Akt der Phagozytose aufgenommen worden sein.

Anstatt sie zu verdauen, bewahrten die prokaryotischen Zellen sie in ihrem Innern, wo sie zu Endosymbionten wurden. Diese Endosymbionten sollen sich schließlich zu Zellorganellen in Wirtszellen entwickelt haben. Wirtszelle und darin befindliche Organelle entsprechen jeweils den Eukaryoten. Die Zellorganellen der Mitochondrien und Plastiden tragen noch heute dahingehende Merkmale.

Da auch Eukaryoten ohne diese beschriebenen Organellen existieren, müssen diese Bestandteile entweder stammesgeschichtlich verloren gegangen sein oder die Theorie trifft nicht zu.

Funktion & Aufgabe

Die Endosymbiontentheorie benennt die Entwicklung von Mitochondrien und Plastiden in prokaryotischen Lebewesen. Die Einzeller sollen eine Endosymbiose mit anderen Zellen eingegangen sein und in den Wirtszelle weitergelebt haben. Bis heute sieht die Wissenschaft amöboide Einzeller Cyanobakterien aufnehmen, die in ihnen weiterleben. Beobachtungen wie diese scheinen die Endosymbionten-Theorie zu unterstützen.

Im Verlauf der Evolution sollen zwei Organismen, laut Endosymbionten-Theorie, in gegenseitige Abhängigkeit geraten sein, sodass keiner der Partner ohne den anderen überleben konnte. Die so entstandene Endosymbiose soll die Organellen jeweils Teile des nicht mehr benötigten Genmaterials verlieren lassen haben. Die einzelnen Proteinkomplexe in den Organellen sollen so anteilsweise aus kerncodierten und anteilsweise aus mitochondrial codierten Einheiten zusammengesetzt worden sein.

Genomanalysen zufolge stammen die Plastiden von Cyanobakterien, während Mitochondrien mit aeroben Proteobakterien assoziiert sind. Die Endosymbiose zwischen Eukaryoten und Prokaryoten bezeichnet die Wissenschaft als primäre Endosymbiose. Falls Zellorganellen durch die Aufnahme eines Eukaryoten mit zuvor bereits erlebtem, primären Endosymbioseereignis entstanden sind, ist die Rede dagegen von sekundärer Endosymbiose.

Primäre Plastiden liegen in zwei Hüllmembranen, die laut der Theorie den Membranen des jeweils aufgenommenen Cyanobakteriums gleichkommen. Drei Typen von primären Plastiden und damit drei Linien autotropher Organismen sollen so entstanden sein. Einzellige Algen der Glaucocystaceae enthalten zum Beispiel Plastiden des Cyanobakteriums, ebenso wie Rotalgen. Grünalgen sowie höheren Pflanzen enthalten die am weitesten entwickelten Plastiden, die Chloroplasten. Sekundäre Plastiden besitzen drei oder vier Hüllmembrane. Sekundäre Endosymbiosen zwischen Grünalgen und Eukaryoten sind mittlerweile bekannt, sodass Euglenozoa und Chlorarachniophyta in Unabhängigkeit voneinander die primären Endosymbionten aufgenommen haben könnten.


Krankheiten & Beschwerden

Falls die Endosymbionten-Theorie, wie der derzeitige Forschungsstand nahelegt, korrekt ist, haben alle Komplexe von pflanzlichen, tierischen und damit auch menschlichen Zellen ihren Ursprung in einer Fusion von Prokaryoten. Der Mensch hätte Prokaryoten damit das Leben selbst zu verdanken.

Allerdings sind Prokaryoten im Kontakt mit dem Menschen auch für zahlreiche Erkrankungen verantwortlich. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel auf den Krankheitswert der Proteobacteria zu verweisen, die in der Endosymbionten-Theorie insbesondere relevant sind. Viele Bakterien aus dieser Abteilung gelten als Krankheitserreger. Das gilt zum Beispiel für den Helicobacter pylori, der als Stäbchenbakterium den menschlichen Magen besiedelt. Mit einer Prävalenz von 50 Prozent ist bei der Helicobacter-pylori-Infektion oft von einer der weltweit häufigsten, chronisch bakteriellen Infektionen die Rede. Mehr als 30 Millionen Menschen sind mit dem Bakterium infiziert, allerdings entwickeln nur zwischen zehn und 20 Prozent aller Infizierten Symptome.

Zu diesen Symptomen zählen vor allem peptische Geschwüre, die den Magen oder Zwölffingerdarm betreffen können. Infektionen mit dem Bakterium werden insgesamt betrachtet für eine ganze Reihe an Magenerkrankungen verantwortlich gemacht, so vor allem für solche Krankheiten, die sich in verstärkter Sekretion von Magensäure manifestieren. Neben den Geschwüren des Magens und Zwölffingerdarms kann das Bakterium demzufolge vermutlich auch an Typ-B-Gastritis beteiligt sein.

Die Untersuchung auf eine bakterielle Infektion mit dem Proteobakterium zählt mittlerweile zur standardisierten Diagnostik von Magenerkrankungen. Abgesehen von den genannten Krankheiten wird eine chronische Infektion mit dem Bakterium mittlerweile als Risikofaktor für Magenkarzinome eingestuft. Dasselbe gilt für das MALT-Lymphom.

Ein Zusammenhang scheint außerdem zwischen einer Infektion und Krankheiten wie idiopathische chronischer Urtikaria (Nesselsucht), chronischer Immunthrombozytopenie, Eisenmangelanämie und Parkinson zu bestehen.

Der Helicobacter pylori wurde hier lediglich beispielhaft diskutiert. Zahlreiche andere Prokaryoten sind mit Krankheitswert assoziiert und gelten als Krankheitserreger für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Quellen

  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015
  • Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004
  • Schartl, M., Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. 1. Auflage, Urban & Fischer Verlag, München 2009

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