Exterozeption
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Exterozeption bildet zusammen mit der Interozeption die Gesamtheit menschlicher Wahrnehmung. Extrozeption ist die Wahrnehmung von äußeren Reizen durch spezialisierte Sinneszellen, die Extrozeptoren genannt werden. Die Verarbeitung der Reize erfolgt im zentralen Nervensystem und kann bei neurologischen Erkrankungen gestört sein.
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Was ist die Exterozeption?
Die menschliche Wahrnehmung erlaubt es dem Menschen, sich ein Bild von sich selbst und seiner Umwelt zu machen. Die Wahrnehmung interner Reize und die Wahrnehmung externer Reize machen die Gesamtwahrnehmungsfähigkeit des Menschen aus.
Interne Reize werden aus dem Körperinneren wahrgenommen und sind somit ein bedeutender Bestandteil der Eigenwahrnehmung. Externe Reize sind alle äußeren Umgebungsreize, die dem Menschen die Außenwahrnehmung erlauben.
Die innere Wahrnehmung ist die Interozeption. Die äußere Wahrnehmung wird analog dazu Exterozeption genannt. Sie setzt sich aus visueller, auditiver, gustatorischer, olfaktorischer und vestibulärer Wahrnehmung zusammen. Zusätzlich zählt die Sensibilität hinzu. Wie die interne Wahrnehmung arbeitet auch die externe mit reizspezialisierten Sinneszellen, die Rezeptoren genannt werden.
Die Rezeptoren der äußeren Wahrnehmung sind die Extrozeptoren. Sie sind für die externe Reizaufnahme, die Reizverarbeitung und die Weitergabe der Reizinformation in physiologisch verarbeitbarer Form zuständig. Die Reizleitung erfolgt über afferente Bahnen und hat das zentrale Nervensystem zum Ziel, wo die Reize der Umgebung miteinander kombiniert werden und als umgreifendes Bild ins Bewusstsein übertreten.
Funktion & Aufgabe
Das Gegenteil der Extrozeptoren sind die Interozeptoren, die innere Reize messen. Wahrnehmungsstrukturen wie die Tiefensensibilität des Bewegungsapparats registrieren sowohl äußere, als auch innere Reize und lassen sich so zugleich als Interozeptoren und Exterozeptoren bezeichnen.
Zu den Exterozeptoren zählen Rezeptoren wie die Vater-Pacini-Körperchen zur Wahrnehmung von Vibrationen oder die Meissner-Körperchen und Ruffini-Körperchen zur Registrierung von Berührung, Druck und Druckunterschieden. Die Photorezeptoren des Auges sind für Licht empfänglich und die Haarzellen im Innenohr ermöglichen auditive Wahrnehmungen.
Die Verschaltung aller Exterozeptoren erfolgt über das erste Neuron zum zweiten Neuron. Die Zellkörper exterozeptiver Nervenzellen befinden sich im Ganglion spinale. Ihre zentralen Fortsätze kreuzen umschaltungslos und kreuzungslos die Hinterstrangbahnen und erreichen so den Nucleus gracilis oder Nucleus cuneatus. Erst hier werden die Informationen auf das zweite Neuron umgeschaltet. Die von dort ausgehenden Fasern werden Fibrae arcuatae internae genannt und ziehen sich in Richtung Thalamus. In der Decussatio lemnisci medialis sind sie an einer Kreuzung beteiligt. Im Nucleus ventralis posterior des Thalamus enden die Fasern und die Informationen aus den Exterozeptoren werden auf das dritte Neuron umgeschalten. Dieses dritte Neuron läuft über die Radiatio thalami superior oder Crus posterior der Capsula interna und erreicht von dort aus das primär somatosensible Gehirnzentrum im Gyrus postcentralis. Dort liegen die Brodmann-Areale 3,2 und 1. Im Gehirn erfolgt neben der Speicherung, der Klassifikation und Interpretation von exterozeptiven Wahrnehmungen gegebenenfalls auch eine erste Reizantwort.
Die Exterozeption wird von manchen Autoren in epikritische Sensibilität und protopathische Wahrnehmung unterteilt. Die epikritische Sensibilität wird als Wahrnehmung feinster Berührung, Vibrationswahrnehmung und Druckwahrnehmung definiert und erfolgt anhand von Zwei-Punktediskrimination. Das Gehirn erreichen so gesammelte Informationen über die Hinterstrangbahnen Fasciculus gracilis und Fasciculus cuneatus. Unter der protopathischen Wahrnehmung verstehen die Autoren die Schmerz- und Temperaturwahrnehmungen, die über den Vorderseitenstrang des Tractus spinothalamici anterior et laterales dem Gehirn zugeleitet werden.
Krankheiten & Beschwerden
Allerdings gehen nicht immer extrozeptiven Wahrnehmungsstörungen tatsächliche Nervenläsionen voraus. In einigen Fällen ist lediglich die sensorische Integration der externen Informationen gestört. Diese Integration findet im Gehirn statt und entspricht der Kombination von mehreren Reizen zu einem Gesamtreizbild. Das Umgebungsbild ist somit ein Produkt aus dem exakten Zusammenspiel der Einzelsinne. Störungen der sensorischen Integration verhindern dieses Zusammenspiel.
Sensorische Integrationsstörungen hängen meist mit der Aufmerksamkeit eines Menschen zusammen und entsprechen einer sensorischen Unterempfindlichkeit für bestimmte externen Reize. Das Gehirn muss Sinnesreize selektieren, um sich nicht zu überlasten. Die Aufmerksamkeit für externe Reize ist dementsprechend limitiert und wird nicht immer adäquat verteilt.
Zur Aufrechterhaltung der Körperhaltung auf Basis externer Reize ist zum Beispiel Aufmerksamkeit erforderlich, die anderen Aktivitäten zur selben Zeit fehlen kann. Sensorische Integrationsstörungen mit einer Haltungsschwäche äußern sich so zum Beispiel oft in chronischer Unruhe. Unterempfindlichkeiten des taktilen und propriozeptiven Apparats zeigen sich in unzureichender Bewegungsplanung und Ungeschicklichkeit. Überempfindlichkeiten in diesem Bereich sind Modulationsstörungen und lassen das Nervensystem nicht ausreichend filtern, was zu taktiler Abwehr führt. Unerwartete Berührungen werden dadurch vermieden und soziale Ängste können entstehen.
Am häufigsten, aber nicht nur, sind Kinder von Integrationsstörungen betroffen. Manchmal entwickeln sich sensorisch-integrative Störungen aus neurologischen Erkrankungen wie einem Schlaganfall. In einem solchen Fall ist die Rede von einer SI-Störung. Ein besonderes Beispiel für eine Erkrankung mit integrativer Wahrnehmungsstörung ist der Autismus, der oft auch durch verändertes Schmerzempfinden gekennzeichnet ist.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012