Sensorische Integration

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Sensorische Integration

Als Sensorische Integration wird das Zusammenspiel von verschiedenen Sinnessystemen bzw. Sinnesqualitäten bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Sensorische Integration?

Sensorische Integration ist ein Vorgang, der im Gehirn überall stattfindet. Dazu zählen beispielsweise das Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, die Bewegung sowie die Körperwahrnehmung.

Als Sensorische Integration (SI) bezeichnet man einerseits das Ordnen von Sinneseindrücken und andererseits ein therapeutisches Konzept, das von der Psychologin und Ergotherapeutin Dr. A. Jean Ayres in den 60er und 70er Jahren entwickelt wurde. Sie stellte fest, dass es Kinder gibt, die unter einem Störungsbild leiden, bei dem aber keinerlei Schädigungen nachgewiesen werden können.

Sensorische Integration ist ein Vorgang, der im Gehirn überall stattfindet. Dazu zählen beispielsweise das Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, die Bewegung sowie die Körperwahrnehmung.

Wie der Körper diese Reize verarbeitet, ist individuell verschieden und hängt von der Qualität der Sinnessysteme ab. Sensorische Integration ist damit die Basis für Lernen, Sprechen und Handeln. Die Informationen, die man über die Sinnessysteme aufnimmt, werden im Gehirn verarbeitet und dann in entsprechende Handlungen umgesetzt.

Sensorische Integration beginnt bereits während der Schwangerschaft und vor allem im frühen Kindesalter entwickelt sie sich sehr rasch. Das ist äußerst wichtig, da in den ersten Jahren die Sinnessysteme vernetzt werden und die Grundlage für Sprache, Handlungsfähigkeit, Sozialverhalten, koordinierte Bewegung und Fantasie ausgebildet wird.

Funktion & Aufgabe

Die Sinnesinformationen der Nahsinne spielen vor allem in den ersten Lebensjahren eine sehr wesentliche Rolle. Die Nahsinne versorgen das Gehirn mit Informationen über den Körper und welche Position er in der Umwelt einnimmt. Dabei unterscheidet man zwischen:

Ist ein Kind in den ersten Lebensjahren in der Lage, die unterschiedlichen sensomotorischen Erfahrungen sehr gut zu verarbeiten, so kann es ein differenziertes Bild bezüglich der Grenzen bzw. Möglichkeiten des Körpers entwickeln. Dieses Bild wird auch als Körperschema bezeichnet. Können Sinnesinformationen im Gehirn geordnet und zusammengefügt werden, so bezeichnet man diesen Vorgang als "Sensorische Integration".

Eine gute Sensorische Integration ist notwendig, um sich in der Umgebung orientieren zu können. Dazu müssen alle Informationen aus der Umwelt bzw. aus dem Körper verarbeitet werden. Diese Informationen nehmen dann die Rezeptoren, die sich in den Sinnesorganen befinden, auf. Dazu zählen:

  • die Tastkörperchen der Haut, die für Berührungen wichtig sind
  • Rezeptoren in den Gelenken und Muskelspindeln für Informaitonen bezüglich des Bewegungsbereiches

Anschließend leiten die Nervenbahnen die Informationen an unterschiedliche Gehirnzentren weiter, wobei die meisten unbewusst und automatisch verarbeitet werden. Wichtige Prozesse finden dabei schon im Hirnstamm, dem untersten Hirnabschnitt, statt. Hier werden beispielsweise Gleichgewichtsreize verarbeitet, sodass eine Anpassung an Lageveränderungen automatisch möglich ist. Die unbewusste Verarbeitung ist wichtig, da wir unsere Aufmerksamkeit für höhere Leistungen benötigen.


Krankheiten & Beschwerden

Ist das Zusammenspiel der Sinnesmodalitäten gestört, so treten sensorische Integrationsstörungen auf. Unter einer sensorischen Integrationsstörung versteht man eine leichte neurologische Funktionsstörung, bei der Sinnesinformationen nicht ausreichend verarbeitet werden können. Als Folge davon kann der Mensch sein Verhalten nicht an die Erfordernisse anpassen und reagiert weniger zielgerichtet und sinnvoll.

Die Ausprägungen sind dabei sehr unterschiedlich. So kann beispielsweise die Grundspannung der Muskulatur hypoton, das heißt zu niedrig sein, sodass sich die Betroffenen bewusst anstrengen müssen, um die Haltungsstabilität aufrecht zu erhalten. Für andere Aktivitäten ist die erforderliche Aufmerksamkeit dann jedoch nicht mehr vorhanden. Kinder, die darunter leiden, wirken sehr schlaff und sind unruhig. Andere Kinder wiederum können ihre Bewegungen nicht zielführend planen und sind daher äußerst ungeschickt.

Ein weiteres Störungsbild äußert sich in einer vestibulären Überempfindlichkeit, die auch als Modulationsstörung bezeichnet wird. In diesem Fall ist es dem Kind nicht möglich, Reize zu hemmen oder zu filtern. Ist das Kind taktil defensiv, so meidet es unerwartete Berührungen von Menschen bzw. Materialien, die eine diffuse Reizqualität haben. Auf solche Berührungen reagieren die Kinder defensiv und aggressiv. Daher werden Situationen wie zum Beispiel U-Bahn-Fahrten oder Warteschlangen gemieden, wodurch auch soziale Ängste auftreten können. Als vestibuläre Defensivität bezeichnet man eine extreme Form von Höhenangst, die durch Aktivitäten wie Radfahren oder Schaukeln ausgelöst wird. Kinder, die an einer sensorischen Integrationsstörung leiden, zeigen oft folgende Symptome:

Im Säuglingsalter:

  • Abwehr oder irritiertes Verhalten auf Berührung
  • Abwehr oder irritiertes Verhalten auf Veränderungen der Lage
  • Unruhe und Schreiattacken und sehr geringe Aktivität
  • Schluck- und Saugprobleme
  • Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus

Im Kleinkind- bzw. Schulalter:

  • Geräuschempfindlichkeit
  • mangelndes Körper- bzw. Selbstbewusstsein
  • "ungeschickte" Kinder
  • verzögerte motorische Entwicklung
  • verzögerte sprachliche Entwicklung
  • Stress- und Verhaltensauffälligkeiten
  • Hypo- oder Hyperaktivität
  • Lern- bzw. Teilleistungsstörungen

Sensorische Integrationsstörungen sind die Folge von verschiedensten Prozessen. So können sie beispielsweise durch einen Mangel an Entwicklungsreizen auftreten. Bewegen und aktives Spielen sind daher zB extrem wichtig für die Entwicklung. Kinder haben sonst kaum Möglichkeiten für sensorische Erfahrungen und erleben wenig Körperkontakt.

Aber auch eine Überstimulierung durch Reize kann eine Störung hervorrufen. Dadurch zerfallen die Verarbeitungsprozesse und die Reize werden nur unvollständig weitergeleitet. Auch Erwachsene können unter einer sensorischen Integrationsstörung leiden, meistens hatten sie dann auch bereits als Kinder Probleme im Bereich der Wahrnehmung bzw sie wurde nicht genug gefordert und gefördert.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren