Garcin-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei dem Garcin-Syndrom handelt es sich um die progressive Lähmung des V. bis XII. Hirnnervs einer Hirnseite. Der Erkrankung liegen unterschiedliche Ursachen zu Grunde.
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Was ist das Garcin-Syndrom?
Das Guillain-Garcin-Syndrom, kurz Garcin-Syndrom, beschreibt eine in voller Ausprägung sehr seltene neurologische Erkrankung, die mit der fortschreitenden, halbseitigen Lähmung der Hirnnerven V – XII einhergeht. Da die betroffenen Hirnnerven an der Schädelbasis austreten, wird das Garcin-Syndrom auch Halbbasissyndrom genannt.
Die Lähmung der Nerven tritt ipsilateral auf, also nur auf einer Hirnseite, im Bereich des Übergangs von der mittleren zur hinteren Schädelgrube. Das Garcin-Syndrom tritt als Komplikation verschiedener Erkrankungen der Schädelbasis auf. Die auftretenden Symptome sind abhängig von den ausfallenden Hirnnerven, wobei die Reihenfolge der Lähmung variieren kann.
Unter Umständen können weitere Hirnnerven betroffen sein. Beschrieben wurde das Syndrom erstmals 1926 von den französischen Ärzten Georges Guillain und Raymond Garcin, die auch als Namensgeber dienten.
Ursachen
Als Ursache für das Garcin-Syndrom können verschiedene Tumoren, Geschwulste und entzündliche Prozesse im Bereich der Schädelbasis in Frage kommen. Die häufigsten Auslöser der Lähmung sind maligne Karzinome und Sarkome, welche sich im Rachendach, in der Keilbeinhöhle oder dem Ohr befinden und in die Hirnbasis einbrechen.
Auch Nasopharynxkarzinome, also Tumoren, welche sich im Nasenrachenraum befinden, können in die Hirnnerven infiltrieren. In das Rückenmark beziehungsweise Gehirn metastasierende Tumoren kommen ebenfalls als Ursache infrage. Seltener finden sich entzündliche Erkrankungen als Ursache für das Garcin-Syndrom.
Die Pachymeningitis, eine Entzündung der äußersten Hirnhaut, kann die Hirnnerven angreifen. Diese entsteht als Folge einer übergreifenden Entzündung des Mittelohrs und der Nasennebenhöhlen, also beispielsweise durch eine unbehandelte Mittelohrentzündung.
Auch Pilzinfektionen der Nasennebenhöhlen können sich in schweren Fällen auf das Gehirn ausweiten. Diese rhinozerebrale Verlaufsform einer Mukormykose kann ebenfalls zu der Lähmung vorbeiziehender Hirnnerven führen. Aneurysmen der Carotis treten häufig in der Gegend der Hirnbasis auf. Auch diese können in selteneren Fällen zu einer Halbbasislähmung führen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Auftreten von Symptomen beim Garcin-Syndrom ist abhängig vom Ausgangspunkt des Ursachenherds und dessen Ausbreitungsrichtung. In Abhängigkeit der Reihenfolge der Lähmung der Hirnnerven treten Ausfallerscheinungen im Kopfraum auf.
Typisch sind Seh- und Hörstörungen, Gleichgewichtsprobleme, Schluck- und Sprechbeschwerden, gestörte Geschmackswahrnehmung und Taubheit der Gesichtsmuskulatur bis hin zur Facialisparese. Auch die Beweglichkeit des Kopfes und der Schultern kann eingeschränkt sein. In Abhängigkeit von der Ursache des Auftretens des Garcin-Symptoms kann eine Erkrankung lange symptomlos oder mit unspezifischen Beschwerden einhergehen.
Häufig wurden auch Taubheit, Hypersensitivität oder Schmerzen am Ischias, sowie Schmerzen am unteren Rücken und Morgensteifigkeit und auch die Sakralisation des fünften Lendenwirbels mit dem Kreuzbein beschrieben. Störungen der sensorischen und motorischen Neurone und damit einhergehende Extremitätenfunktionsstörungen treten nicht auf und auch ein intrakranialer Überdruck bleibt aus.
Diagnose
Im Verlauf des Garcin-Syndroms kommt es nacheinander in Ausbreitungsrichtung der Ausgangserkrankung zur Lähmung der einzelnen Hirnnerven. Dies ist ein langsamer Prozess, das Gehirn kommt hierbei zunächst nicht zu Schaden. Unter Umständen kann es Jahre dauern, bis die Dura mater durchsetzt ist und die ursächliche Erkrankung lebensgefährlich wird.
Erst zu diesem Zeitpunkt lassen sich labordiagnostisch Veränderungen in der Liquorzusammensetzung feststellen. Beim Garcin- Syndrom sind Nervus trigeminus und Nervus abducens besonders früh befallen. In Kombination mit Veränderungen der Schädelbasis bei gleichzeitig fehlendem Hirndruck und intakter Extremitätenfunktion, stellt dies einen wichtigen Parameter zur Differenzierung der Erkrankung dar.
Eine große Rolle spielen hierbei röntgenologische Verfahren sowie Magnetresonanztomografie und Computertomografie, die die Visualisierung der krankhaften Prozesse ermöglichen und oftmals sogar eine Differentialdiagnose erlauben. Goldstandard für die Diagnose einer Pachymeningitis ist die Durabiopsie, begleitet von der Bestimmung der für die Grunderkrankung aussagekräftigen Laborwerte.
Komplikationen
Durch das Garcin-Syndrom kommt es zu Lähmungen am Gehirnnerv. Diese Lähmungen können dabei zu unterschiedlichen Beschwerden und Komplikationen führen. In den meisten Fällen kommt es allerdings zu Einschränkungen des Hörvermögens und des Sehvermögens. Der Patient kann dabei im schlimmsten Falle erblinden oder die komplette Sehkraft verlieren.
Ebenso kommt es zu Problemen mit dem Gleichgewicht und mit der Koordination. Auch Wortfindungsstörungen und Sprachstörungen treten auf und erschweren den Alltag des Patienten extrem. In einzelnen Regionen und Extremitäten des Körpers kann es zu einer Taubheit kommen, sodass es zu Bewegungseinschränkungen kommt. Nicht selten führen die Symptome auch zu psychischen Beschwerden und zu Depressionen.
In den meisten Fällen ist leider keine reversible Behandlung des Garcin-Syndroms möglich. Lediglich die Symptome können eingeschränkt werden, wobei es zu keinen weiteren Komplikationen kommt. Falls Augen und Ohren beschädigt wurden, ist es in der Regel nicht mehr möglich, diese wiederherzustellen.
Sollte ein Tumor für das Garcin-Syndrom verantwortlich sein, kann dieser gegebenenfalls operativ entfernt werden. Der weitere Verlauf hängt allerdings von der Art und Ausbreitung der Krebserkrankung ab, sodass hierbei keine allgemeine Voraussage möglich ist. Die Lebenserwartung wird durch das Garcin-Syndrom verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Arztbesuch ist notwendig, wenn sich Funktionsstörungen verschiedenster Art einstellen. Kommt es zu Beeinträchtigungen der Sehkraft, Störungen des Hörens oder Veränderungen der Geschmackswahrnehmung, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Bei Gangunsicherheiten, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen sowie Problemen bei der Lautgebung, sind die Beschwerden von einem Arzt abklären zu lassen. Treten Lähmungserscheinungen am Körper auf, beklagt der Betroffene Sensibilitätsstörungen oder Taubheitsgefühle auf der Haut, besteht Grund zur Besorgnis.
Eine ärztliche Untersuchung ist bei Bewegungseinschränkungen der Gelenke, des Kopfes oder der Extremitäten nötig. Bei einem allgemeinen Krankheitsgefühl, vermindertem Leistungsniveau und Abgeschlagenheit wird ebenfalls ein Arzt benötigt.
Entwickeln sich Beschwerden im Rückenbereich, kommt es zu Muskelschmerzen, Verspannungsempfindungen, einseitigen körperlichen Belastungen oder Fehlhaltungen, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Entsteht im Kopf ein Druckgefühl, kommt es zu Kopfschmerzen oder entwickeln sich ungewöhnliche Schwellungen am Körper, gelten diese Veränderungen als ungewöhnlich.
Halten sie über mehrere Tage an oder nehmen sie an Intensität zu, wird ein Arzt benötigt. Die Konsultation eines Arztes ist bei Fieber, innerer Unruhe, Schwäche oder Schlafstörungen zu empfehlen. Tritt unbegründete Gereiztheit auf oder sind Verhaltensauffälligkeiten gegeben, sollten die Beobachtungen mit einem Arzt besprochen werden. Leidet der Betroffene unter Erscheinungen wie Morgensteifheit oder Schmerzen am Ischiasnervs, ist ein Arztbesuch zur Klärung der Ursache ratsam.
Behandlung & Therapie
Die Therapie des Garcin-Syndroms erfolgt über die Behandlung der verursachenden Krankheit. Eine direkte Therapie der zerstörten Nerven kann nicht erfolgen, es besteht jedoch die Chance, dass der Nerv nach Beseitigung der Ursache wieder regeneriert. Dies kann allerdings mehrere Jahre dauern.
Priorität hat die ursächliche Erkrankung, da diese lebensbedrohliche Konsequenzen für den Patienten nach sich ziehen kann. Die Behandlung von Tumoren erfolgt klassischerweise durch Operation, Chemotherapie oder Strahlentherapie oder einer Kombination dieser. Die gewählte Therapieform hängt maßgeblich von der Lage, Größe und Metastasierung des Tumors ab.
Im Vordergrund stehen bei allen Maßnahmen aber immer auch die Lebensqualität des Patienten und der Erhalt möglichst vieler Körperfunktionen. Entzündungen oder Infektionen der Hirnbasis werden wie ihre Grunderkrankung behandelt, bei bakteriellen Infektionen also über Antibiotika oder bei Pilzbefall durch Antimykotika und chirurgische Ausräumung der infizierten Bereiche.
Die Lähmung der Hirnnerven wird symptomatisch behandelt, um den Ausfall zu kompensieren oder die Beschwerden zu lindern. Bei der Gesichtslähmung und dem damit einhergehenden Unvermögen das betroffene Auge zu schließen, muss durch Salben, künstliche Tränenflüssigkeit oder Verbände darauf geachtet werden, dass die Hornhaut nicht austrocknet.
Weiterhin besteht die Möglichkeit, das Lid äußerlich durch Bleigewichte oder auf lange Sicht chirurgisch durch eingesetzte Gold- oder Platingewichte zu beschweren. Wichtig ist auch eine professionell durchgeführte Krankengymnastik, um die Funktion der Gesichtsmuskulatur zu stärken.
Bewegungsübungen für Kau- und Schluckmuskulatur können Beschwerden lindern und die Lebensqualität des Patienten heben. Dem Einwärtsschielen kann entweder durch geeignete Sehhilfen oder orthoptische Übungen entgegengewirkt werden. Bei Sprechbeschwerden kann eine logopädische Therapie helfen.
Aussicht & Prognose
Die Prognoseaussicht des Garcin-Syndroms ist gebunden an die ursächliche Störung oder Erkrankung. Eine eigenständige Therapie und damit Aussicht auf Heilung wird nicht gegeben, da sich das Syndrom infolge vorhandener gesundheitlicher Beeinträchtigungen entwickelt. Kann die Grunderkrankung erfolgreich behandelt und therapiert werden, bestehen gute Aussichten auf eine Linderung der Beschwerden. Dies ist abhängig vom Gesamtzustand des Patienten.
Obgleich keine direkte Behandlung der betroffenen Nerven stattfinden kann, regenerieren sich die Nervenfasern unmittelbar mit dem stattfindenden Heilungsprozess der Grunderkrankung. Unterstützend werden verschiedene Übungen zur Förderung der Beweglichkeit der Muskeln durchgeführt. Sie verbessern das Wohlbefinden und sollten den Patienten im Umgang mit der Bewältigung der Erkrankung motivieren. Funktionen wie das Kauen werden damit unterstützt und tragen zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei.
Kann die ursächliche Erkrankung nicht geheilt werden oder hat sie einen progressiven Verlauf, ist mit einer weiteren Zunahme der Beschwerden zu rechnen. Die Prognose ist in diesen Fällen als ungünstig einzustufen. Insbesondere bei schweren Tumorerkrankungen kann sich diese Entwicklung abzeichnen.
Der Fokus der Behandlung wird unter Umständen auf die Linderung von Schmerzen ausgerichtet, da ein Krankheitsfortschritt mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten nicht mehr gestoppt werden kann. Für die Gesamtprognose ist der Schutz vor einem Befall weiterer Keime wichtig, damit das Immunsystem nicht weiter geschwächt wird.
Vorbeugung
Da das Garcin-Syndrom Folge unterschiedlicher Ausgangskrankheiten ist, ist nur die Prävention der einzelnen Ursachen möglich. Sowohl Krebs als auch die Neigung zu Aneurysmen sind teilweise erblich bedingt. Dennoch lässt sich das Erkrankungsrisiko in beiden Fällen durch einen gesunden Lebensstil reduzieren.
Rauchen steigert nicht nur das Risiko an Pharynx- oder Nasopharynxkarzinomen zu erkranken, sondern erhöht neben Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel und Diabetes mellitus auch maßgeblich das Risiko Aneurysmen zu entwickeln. Entzündliche Erkrankungen des Kopfraumes sollten medizinisch behandelt werden.
Nachsorge
Da es sich beim Garcin-Syndrom um eine meist unheilbare Erkrankung handelt, stehen dem Betroffenen nur sehr eingeschränkt Möglichkeiten der Nachsorge zur Verfügung. In erster Linie ist dabei die frühzeitige Diagnose und Behandlung dieser Krankheit notwendig. Eventuell ist durch das Garcin-Syndrom auch die Lebenserwartung des Patienten eingeschränkt, falls sich der Tumor auch in andere Bereiche des Körpers ausbreitet.
Allerdings kann hierbei keine universelle Voraussage getroffen werden. Der Betroffene wird meist durch eine Chemotherapie oder eine Strahlentherapie behandelt. Dabei benötigt er die Unterstützung von Freunden und von der eigenen Familie, wobei auch eine psychologische Unterstützung sehr sinnvoll und notwendig ist. In vielen Fällen kann auch der Kontakt zu anderen Patienten des Garcin-Syndroms sinnvoll sein, da es zu einem Austausch an Informationen kommen kann.
Weiterhin sind die Betroffenen oft auf die Einnahme von Antibiotika angewiesen. Dabei ist auf eine richtige und auf eine regelmäßige Einnahme zu achten. Auf Alkohol muss bei der Einnahme von Antibiotika verzichtet werden, da ihre Wirkung sonst durch den Alkohol verringert wird. Auch Maßnahmen der Krankengymnastik sind beim Garcin-Syndrom notwendig, wobei einige der Übungen auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden können.
Das können Sie selbst tun
Da die Entstehung und Ursache des Garcin-Syndroms noch nicht vollständig geklärt sind, kann auch keine Information über die Vorbeugung des Syndroms gegeben werden. Die Möglichkeiten der Selbsthilfe sind eingeschränkt, allerdings wirkt sich ein gesunder Lebensstil mit gesunder Ernährung und sportlichen Betätigungen immer positiv auf eine Erkrankung aus.
Sollte der Betroffene an Entzündungen im Bereich des Kopfes leiden, so sollten diese immer frühzeitig untersucht und behandelt werden. Die Betroffenen selbst sind in ihrem Leben häufig auf fremde Hilfe angewiesen. Dabei wirkt sich vor allem die Hilfe von nahestehenden Menschen, wie zum Beispiel von Freunden und der Familie sehr positiv auf den Krankheitsverlauf aus.
Bei der Einnahme von Antibiotika ist auf ein Alkoholverbot und auf mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu achten. In der Regel weist der Arzt den Patienten auf diese hin. Ebenso sollten, wenn es im Bereich des Machbaren liegt, Betroffene an verschiedenen physio- oder ergothrapeutischen Übungen oder an Krankengymnastik teilnehmen. Diese Übungen können dabei auch zuhause wiederholt werden, um die Beweglichkeit weiterhin zu stärken.
Sollte es zu Schluckbeschwerden kommen, können ebenso Freunde oder Verwandte bei der Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten helfen. Auch der Kontakt mit anderen Betroffenen des Garcin-Syndroms kann psychische Beschwerden lindern und zu einem Informationsaustausch beitragen.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013