Hajdu-Cheney-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Hajdu-Cheney-Syndrom ist eine seltene Knochenerkrankung. Die Ursache ist offenbar eine genetisch bedingte und autosomal-dominant vererbte Genmutation. Standardisierte Behandlungsmaßnahmen stehen aufgrund der begrenzten Fallzahl bisher kaum zur Verfügung.
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Was ist das Hajdu-Cheney-Syndrom?
Unter der Osteolyse versteht die Medizin eine aktive Auflösung von Knochengewebe. Die Knochen des Menschen sind ein lebendiger Organismus, der das gesamte Leben lang Veränderungen und Umbauprozesse durchlebt. Osteolyse ist damit in Maßen ein physiologischer Prozess im Rahmen normalen Knochenumbaus, der nicht mehr belastetes Knochengewebe reduziert und damit an seine funktionalen Anforderungen anpasst.
Im Rahmen unterschiedlicher Erkrankungen hat die Osteolyse allerdings auch pathologische Bedeutung. Das ist beim Hajdu-Cheney-Syndrom der Fall. Hierbei handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte Akroosteolysem, die auch als familiär idiopathische Akroosteolyse oder hereditär idiopathische Osteolyse Typ VI bekannt ist. Die seltene Erbkrankheit degeneriert lokal das Knochengewebe.
Weltweit wurde seit der Erstbeschreibung bisher von nur etwa 50 Fällen berichtet. Aufgrund der geringen Fallzahl ist das Syndrom bislang nicht abschließend erforscht. Das gilt vor allem für die Ätiologie. Der US-Radiologe William Cheney beschrieb das Syndrom im 20. Jahrhundert erstmals an einer Familie aus Michigan. Der ungarisch-britische Radiologe Hajdu beschrieb das Syndrom kurze Zeit später und wurde zusammen mit Cheney zum Namensgeber der Erkrankung.
Ursachen
Die Ursache des Hajdu-Cheney-Syndroms wird im genetischen Material vermutet. Wissenschaftler gehen von einer Mutation aus, die die Aktivität der Knochenresorption beeinträchtigt. Welche Gene im Rahmen des Syndroms mutieren, ist bisher unklar. Neben dem Symptom des progredienten Knochenabbaus liegt bei Patienten des Hajdu-Cheney-Syndroms meist starker Minderwuchs vor.
Das mutierte Gen ruft damit nicht nur eine fehlgeleitete Knochenresorption, sondern offenbar einen grundsätzlich fehlerhaften Aufbau der Knochen hervor. Familiäre Häufung konnte an den bisher dokumentierten Fällen beobachtet werden. Die Familienanamnese legt einen autosomal-dominanten Erbgang für die Erkrankung nahe.
In der Familie der Erstbeschreibung zeigte die Mutter ebenso wie vier ihrer Kinder Akroosteolyse-Symptome, Wormsche Knochen in der Überzahl und Hypoplasien des Unterkiefers. Trotz der eindeutigen Familienzusammenhänge der Erstbeschreibung wurden auch Fälle spontaner Neumutation dokumentiert. Damit sind neben den endogenen Faktoren vermutlich auch exogene Faktoren für die Pathogenese relevant. Welche exogenen Faktoren Neumutationen hervorrufen könnten, liegt bislang im Dunkeln.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Hajdu-Cheney-Syndrom manifestiert sich in Minderwuchs, der mit progredientem Abbau der Fingerknochen und der gedrängt liegenden Mittelhandknochen vergesellschaftet ist. Die Schädelnähte zeigen keine Ossifikation. Die Stirnhöhle ist nicht angelegt.
Außerdem liegt eine Verlängerung des Türkensattels vor. Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto stärker wird die Arteria basilaris komprimiert. Diese Kompression kann in einen lebensbedrohlichen Zustand münden. Die Ohren der Betroffenen zeigen meist außergewöhnlich große Ohrläppchen. Darüber hinaus liegen die Ohren eine Ebene tiefer als gewöhnlich. Zusätzlich fällt eine besonders breit angelegte Nase ins Auge.
Im Verlauf bauen die Alveolarfortsätze Stück für Stück ab, womit sich der frühe Zahnverlust der Patienten erklären lässt. Die Osteopenie ruft im Laufe der Erkrankung eine Skoliose im Sinne einer Verbiegung der Wirbelsäule hervor. Diese Hauptsymptome sind meist mit Begleitsymptomen vergesellschaftet. So zeigen manche Betroffene neben der Knochensymptomatik eine Nierensymptomatik wie die Zystenniere.
Darüber hinaus können weitere Organsysteme von der Erkrankung betroffen sein. Neben angeborenen Herzfehlern kann ein Hydrocephalus im Sinne eines Wasserkopfes vorliegen. Außerdem können Leber und Milz vergrößert sein. Auch Gaumenspalten wurden in einigen Fällen dokumentiert. Der Allgemeinzustand der Patienten ist von Schwächegefühlen geprägt. Knochenbrüche sind an der Tagesordnung.
Diagnose & Verlauf
Die ersten Anzeichen des Hajdu-Cheney-Syndroms manifestieren sich meist nicht in der Kindheit. Damit wird die Diagnose in vielen Fällen erst in der Adoleszenz gestellt. Zu den Frühsymptomen zählen vor allem Schmerzen in den Händen. Im Rahmen der Diagnostik spielt die Familienanamnese eine übergeordnete Rolle, da in den meisten Fällen ein autosomal-dominanter Erbgang den Hintergrund der Erkrankung bildet.
Bei Verdacht auf Hajdu-Cheney-Syndrom ordnet der Arzt in der Regel eine Knochendichtemessung im Sinne einer Osteodensitometrie an. Dieses Verfahren erbringt einen Nachweis über den extremen Knochenabbau. Da bislang kein ursächliches Gen identifiziert wurde, machen molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis der Erkrankung wenig Sinn.
Nichtsdestotrotz können sie zu Forschungszwecken angeordnet werden. Die Prognose hängt für Patienten mit Hajdu-Cheney-Syndrom zum einen vom Zeitpunkt der Diagnose und zum anderen von der Begleitsymptomatik ab.
Komplikationen
Durch das Hajdu-Cheney-Syndrom leidet der Betroffene an verschiedenen Erkrankungen, die in der Regel das Wachstum der Knochen und damit den gesamten Körpers betreffen. In den meisten Fällen kommt es zu einem Minderwuchs. Diese Felhbildung kann vor allem bei Kindern zu Hänseleien oder zu Mobbing führen.
Weiterhin kommt es zur Kompression verschiedener Knochen, die in lebensgefährliche Zustände münden können. Auch die Position der Ohren ist ungewöhnlich, was allerdings nicht zu Hörbeschwerden führt. Weiterhin leiden die Patienten nicht selten an Nierenbeschwerden und an Herzfehlern.
Durch den Herzfehler kann der Betroffene im schlimmsten Falle den Herztod erleiden und dadurch versterben. Auch Milz und Leber sind vergrößert und können andere Organe im Inneren des Körpers verschieben oder quetschen. Nicht selten tritt auch eine Gaumenspalte auf, welche den Alltag des Betroffenen erschwert. Es kommt weiterhin sehr schnell zu Knochenbrüchen.
Es ist keine kausale Behandlung des Hajdu-Cheney-Syndroms möglich. Aus diesem Grund werden vor allem die Schmerzen behandelt, wobei es nicht zu weiteren Komplikationen kommt. Die Lebenserwartung des Patienten ist durch das Hajdu-Cheney-Syndrom verringert. Nicht selten leiden auch die Eltern oder die Angehörigen des Kindes an psychischen Beschwerden und benötigen eine entsprechende Betreuung.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Hajdu-Cheney-Syndrom kann nicht vollständig behandelt werden, da es sich um eine genetische Erkrankung handelt, eine ursächliche Therapie ist daher nicht möglich. Allerdings sollte trotzdem regelmäßig ein Arzt aufgesucht werden, damit es zu keinen weiteren Komplikationen beim Patienten kommt. Der Besuch beim Arzt ist dann notwendig, wenn der Patient an Minderwuchs und an verschiedenen Fehlbildungen am Körper leidet. Auch ein Abbau an den Fingerknochen kann auf das Hajdu-Cheney-Syndrom hindeuten und sollte untersucht werden.
Weiterhin deuten auch sehr große Ohrläppchen auf das Syndrom hin. In einigen Fällen ist die Krankheit mit Hautbeschwerden verbunden, die ebenso von einem Arzt untersucht werden sollten. Ratsam sind auch Untersuchungen der inneren Organe, da es häufig zu Nierenbeschwerden oder zu einem Herzfehler kommen kann. Auch die Milz und die Leber sollten regelmäßig untersucht werden. Da das Hajdu-Cheney-Syndrom auch bei den Angehörigen oder bei den Eltern zu schweren psychischen Beschwerden führen kann, ist auch der Besuch eines Psychologen sinnvoll.
Behandlung & Therapie
Bislang ist das Hajdu-Cheney-Syndrom nur oberflächlich erforscht. Da bisher nur 50 Fälle dokumentiert werden konnten, ist die allgemeine Forschungslage unterdurchschnittlich. Wegen der stark begrenzten Fallzahl existieren bislang keine standardisierten Behandlungsoptionen. Versuchsweise kann einer beginnenden Osteoporose mit der Gabe von Bisphosphonaten begegnet werden.
Ursächliche Behandlungsmöglichkeiten existieren nicht, da die Ursache der Erkrankung einer genetischen Mutation entspricht. Eine solche Mutation lässt sich nicht rückgängig machen. Weil außerdem noch nicht einmal das ursächliche Gen identifiziert wurde, ließe sich sogar mit der Zulassung von gentherapeutischen Behandlungsansätzen keine kausale Behandlung entwickeln.
Vor diesem Hintergrund werden die Patienten rein symptomatisch behandelt. Diese Behandlung kann die supportive Gabe von Schmerzmitteln bei starken Schmerzen in den Knochen umgreifen. Besondere Therapiemaßnahmen sind vor allem bei Patienten mit zusätzlicher Herz- oder Nierensymptomatik zu ergreifen. In diesen Fällen sind invasive Behandlungsschritte erforderlich.
Darüber hinaus müssen die Betroffenen regelmäßig auf Kompressionen der Gefäße untersucht werden, um lebensbedrohliche Zustände rechtzeitig zu identifizieren. Operative Interventionen zur Befreiung von komprimierten Gefäßen sind zwingend erforderlich.
Aussicht & Prognose
Die langfristige Prognose eines Hajdu-Cheney-Syndroms bezüglich der Lebenserwartung ist nicht ganz klar, da noch nicht viele Erfahrungswerte vorliegen. Es handelt sich um eine extrem seltene genetisch bedingte Erkrankung, die in der Regel autosomal-dominant weitervererbt wird. Insgesamt wurde bisher über lediglich 50 Fälle weltweit berichtet. Der zugrunde liegende Gendefekt ist unbekannt. Es wird auch vermutet, dass viele Fälle auf Neumutationen beruhen und daher sporadisch auftreten.
Die Erkrankung wird selten im Kindesalter diagnostiziert. Erste Anzeichen sind oft starke Schmerzen in den Händen, die durch einen starken Abbau der Knochen (Osteoporose) hervorgerufen werden. Die früh auftretende Osteoporose kann gut mit Biphosphonaten behandelt werden. Allerdings verknöchern die Schädelnähte nicht, die Stirnhöhle fehlt und die Sella turcica (Türkensattel) ist verlängert.
Insgesamt kann das bei weiterem Fortschreiten der Erkrankung zur Kompression einer Schlagader im Gehirn (Arteria basilaris) führen, die oft tödlich endet. In wenigen Fällen wurden noch Zystennieren, angeborene Herzfehler, Gaumenspalten, Wasserkopf (Hydrocephalus) oder die Vergrößerung von Leber und Milz beobachtet. Diese zusätzlichen Symptome haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Lebenserwartung der Betroffenen.
Im Laufe des Lebens kann sich eine eventuell letale Niereninsuffizienz oder Herzschwäche entwickeln. Aufgrund des gelegentlich auftretenden Hydrocephalus sind wahrscheinlich auch pränatale und frühkindliche Todesfälle möglich. Vor allem die Lebensqualität der Patienten ist wegen ihrer körperlichen Schwäche und der häufigen Knochenbrüche stark eingeschränkt.
Vorbeugung
Vorbeugemaßnahmen zum Hajdu-Cheney-Syndrom existieren aufgrund der limitierten Forschungslage bisher nicht.
Nachsorge
Da für das Hajdu-Cheney-Syndrom bislang keine standardisierten Behandlungsmöglichkeiten existieren und alle Betroffenen rein symptomatisch behandelt werden, gibt es auch keinen einheitlichen Plan zur Nachsorge. Diese richtet sich demnach ebenfalls nach den vorliegenden Symptomen und den vom Arzt verordneten Therapien.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen der Gefäße in Bezug auf mögliche Kompressionen sind jedoch für alle Patienten enorm wichtig. Dank dieser Kontrollen können lebensbedrohliche Zustände erkannt und komprimierte Gefäße operativ behandelt werden. Im Verlauf der Erkrankung kann sich leider eine Herzschwäche oder auch eine Niereninsuffizienz entwickeln.
Frühe Symptome für Letztere sind übermäßiger Durst und häufiger Harndrang. Müdigkeit, Appetitlosigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, Atemnot oder auch Wassereinlagerungen hingegen wären ein Indiz für eine beginnende Herzschwäche. In beiden Fällen ist umgehend ein Arzt zu kontaktieren. Bereits ohne vorliegende Symptome sind regelmäßige Blutuntersuchungen auf Herzinsuffizienz-Biomarker, Harnstoff und Kreatinin zur Früherkennung ebenso wichtig, wie Urinuntersuchungen und eine Diagnostik des Herzens mittels EKG.
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie, stehen den Patienten auch Akupunktur, Aromatherapie und Naturheilmittel zur Verfügung. Letztere dürfen aufgrund möglicher Wechselwirkungen jedoch nur nach vorheriger Absprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden. Bei Knochen- und Gelenkschmerzen helfen Zink und Omega-3-Fettsäuren sowie im Akutfall Schonung und Bettruhe. Auch eine Ernährungsumstellung auf Rohkost und mageres Fleisch kombiniert mit Nahrungsergänzungsmittel kann unterstützend wirken.
Das können Sie selbst tun
Personen, bei denen das Hajdu-Cheney-Syndrom diagnostiziert wurde, können die Behandlung durch einige Maßnahmen unterstützen. In Rücksprache mit dem Arzt können natürliche Mittel eingesetzt werden.
Bei starken Gelenkschmerzen helfen beispielsweise die Naturheilmittel Beinwell, Johanniskraut und Astaxanthin. Die Homöopathie bietet Präparate mit Afrikanischer Teufelskralle und Weihrauch, die schmerzlindernd wirken und Entzündungen im Bereich von Gelenken und Knochen vorbeugen. Auch Omega-3-Fettsäuren und Zink sind bewährte Mittel bei Knochen- und Gelenkschmerzen. Sollten sich infolge der Einnahme Beschwerden oder ungewöhnliche Symptome einstellen, muss der zuständige Arzt informiert werden.
Weiterhin kann das Hajdu-Cheney-Syndrom durch eine Umstellung der Lebensgewohnheiten behandelt werden. Der Arzt wird im Normalfall eine Diät aus Rohkost und magerem Fleisch vorschlagen, oft verbunden mit Nahrungsergänzungsmitteln und der Vermeidung von Genussmitteln wie Alkohol und Nikotin.
Bei akuten Knochenschmerzen helfen Schonung und Bettruhe. Der Patient kann die schmerzenden Stellen mit einem Quark- oder Kohlwickel kühlen oder diese massieren. Auch Methoden aus der Chinesischen Medizin sowie Akupunktur und Aromatherapie können unter Umständen gegen chronische Schmerzen helfen.
Da die Erkrankung trotz aller Maßnahmen einen schweren Verlauf nehmen kann, sollte begleitend zur ärztlichen Behandlung eine psychologische Therapie in Anspruch genommen werden.
Quellen
- Adler, C.-P.: Knochenkrankheiten. Springer, Heidelberg 2004
- Agarwal-Kozlowski, K.: Ganzheitliche Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart 2013
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011