Holt-Oram-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Holt-Oram-Syndrom ist ein Fehlbildungssyndrom, das vor allem mit Herzfehlern und Anomalien der Daumen assoziiert ist und durch eine Mutation entsteht. In den meisten Fällen tritt die ursächliche Mutation sporadisch auf und entspricht damit einer Neumutation. Die operative Korrektur des Herzfehlers steht im Fokus der Therapie.
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Holt-Oram-Syndrom?
Die angeborenen Fehlbildungssyndrome mit überwiegender Beteiligung der Extremitäten sind eine Krankheitsgruppe, die verschiedene Missbildungen von Armen und Beinen umfasst. Eine davon ist das Holt-Oram-Syndrom, das auch als Herz-Hand-Syndrom bekannt ist. Das Syndrom ist mit der Gruppe der atriodigitalen Dysplasien assoziiert, die angeborene Erkrankungen mit Fehlbildungen der oberen Extremitäten und des Herzens umfasst.
Neben dem Holt-Oram-Syndrom befinden sich das Herz-Hand-Syndrom Typ 2, das Herz-Hand-Syndrom Typ 3 und das Herz-Hand-Syndrom vom slowenischen Typ in dieser Krankheitsgruppe. Die Erstbeschreibung des Holt-Oram-Syndroms erfolgte 1960. Als Erstbeschreiber der Erkrankung gelten die britische Kinderärztin Holt und der Kardiologe Samuel Oram. Das Holt-Oram-Syndrom Das ist eine vergleichsweise seltene Erkrankung und ist mit einer durchschnittlichen Prävalenz von einem Betroffenen unter 100.000 Menschen assoziiert.
Die Ursache für die Fehlbildungen der Hände und des Herzens liegen beim Holt-Oram-Syndrom in der Genetik. Die Symptome des Syndroms sind ebenso vielgestaltig wie seine vermuteten Ursachen. Die Fehlbildungen konzentrieren sich bei der Erkrankung auf das Herz und den Daumen.
Ursachen
Die primäre Ursache für das Holt-Oram-Syndrom liegt in genetischen Mutationen am Gen-Locus 12q23-24.1 An diesem Gen-Locus befindet sich das sogenannte TBX5-Gen, das auf Chromosom 12 liegt und für ein Protein mit Beteiligung an der Gliedmaßen- und Herzentwicklung codiert. Die genauen Funktionen des Proteins sind bislang nicht geklärt. Ebenso wenig steht bisher fest, ob äußere Faktoren wie Giftexposition oder Mangelernährung der Mutter während einer Schwangerschaft die Mutation des TBX5-Gens begünstigen.
Mutationen in dem Gen lassen sich zumindest an bis zu 70 Menschen von 100 Patienten des Holt-Oram-Syndroms nachweisen. Die Wissenschaft geht allerdings davon aus, dass auch Anomalien in anderen Genen die Symptome des Syndroms hervorrufen können. So ist das Fehlbildungssyndrom zum Beispiel mit der dreigliedrigen Daumen-Polysyndaktylie assoziiert.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Patienten des Holt-Osram-Syndroms leiden an einem Komplex auf Fehlbildungen, die bevorzugt die Daumen und das Herz betreffen. Wenngleich die Lokalisation der Fehlbildungen des Patienten gemeinsam ist, kommen verschiedene Arten der Fehlbildung am Herzen und an den Daumen infrage. Das klinische Bild ist daher äußerst vielgestaltig.
Die kardialen Defekte können sich zum Beispiel in Form eines Ventrikelseptumdefekts, eines Vorhofseptumdefekts, einer Herzrhythmusstörung oder einer Erregungsleitungsstörung manifestieren. Die skelettalen Anomalien können Reduktionsmissbildungen der Daumen entsprechen, aber auch Anomalie wie die Nichtanlage der Speiche kommen vor.
Viele Patienten des Syndroms leiden außerdem an radioulnaren Synostosen und Anomalien der Rippen, der Scapula oder der Clavicula. Darüber hinaus ist das Holt-Oram-Syndrom mit Pectus carinatum und Skoliose assoziiert. Ein Großteil der Betroffenen leidet außerdem an Syndaktylien der Finger oder Zehenglieder. In Einzelfälle sind diese Symptome mit einem Hypertelorismus vergesellschaftet.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Oftmals wird das Holt-Oram-Syndrom fehldiagnostiziert. Differentialdiagnostisch muss der Arzt den Symptomkomplex vom Okihiro-Syndrom nach Genmutationen im SALL4-Gen auf Chromosom 20 abgrenzen, das mit denselben Armfehlbildungen und Herzfehlern assoziiert ist. Relevant ist bei der Differentialdiagnose vor allem, dass Patienten des Okihiro-Syndroms meist eine Duane-Anomalie besitzen.
Sie schielen, sind oft von Nierenfehlbildungen betroffen und haben Hörstörungen, Fußanomalien oder Ohrfehlbildungen. Vom Holt-Oram-Syndrom ist außerdem das Thrombozytopenie-Absent-Radius-Syndrom abzugrenzen, was vor allem über die Labordiagnostik gelingt. Weitere Krankheitsbilder mit klinisch ähnlichem Bild sind die Fanconi-Anämie und das Pallister-Hall-Syndrom.
Die Lebenserwartung von Patienten des Holt-Oram-Syndroms ist nicht unterdurchschnittlich. Nur bei schweren Fällen liegt ein kaum behandelbarer Herzfehler vor, der die Prognose ungünstig macht.
Komplikationen
Ebenso treten Anomalien an den Daumen auf, sodass bestimmte Bewegungen oder Vorgänge im Alltag ebenfalls erschwert werden. Nicht selten kommt es durch die Missbildungen am Körper zu Hänseleien und zu Mobbing anderer Kinder, was bei vielen Patienten zu psychischen Beschwerden und zu Depressionen führen kann. Nicht selten treten auch Störungen an den Nieren auf, wobei es im schlimmsten Falle zu einer Niereninsuffizienz kommen kann.
Weiterhin leiden die Betroffenen auch an einer Sehstörung und an einer Hörstörung. In der Regel bleibt die Lebenserwartung durch das Holt-Oram-Syndrom nicht verändert, solange es nicht zu einem Herzfehler kommt, der zum Tode führt. Eine kausale Behandlung des Holt-Oram-Syndroms ist in der Regel nicht möglich, sodass nur die Symptome behandelt werden können. In vielen Fällen ist auch eine psychologische Betreuung notwendig.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Holt-Oram-Syndrom wird im Normalfall bereits kurz nach der Geburt diagnostiziert. Je nachdem, wie stark die Fehlbildungen ausgeprägt sind, bedarf das betroffene Kind weiterer ärztlicher Untersuchungen. Grundsätzlich müssen die kardialen Defekte zeitnah behandelt werden, um das Risiko für ernste Folgeerkrankungen zu reduzieren. Sollten sich Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen oder Anzeichen eines Vorhofseptumdefekts einstellen, ist ärztlicher Rat gefragt. Auch mit skelettalen Anomalien der Daumen muss ein Mediziner konsultiert werden.
Die Eltern von betroffenen Kindern sollten enge Rücksprache mit dem zuständigen Arzt halten und diesen über ungewöhnliche Symptome informieren. Da es sich bei dem Holt-Oram-Syndrom um eine Erbkrankheit handelt, ist keine ursächliche Behandlung möglich. Die Patienten müssen also unter Umständen ein Leben lang behandelt werden, abhängig davon, welche Fehlbildungen auftreten und wie die Konstitution des Erkrankten ist. Da dies oft auch seelische Beschwerden hervorruft, ist begleitend dazu eine psychologische Betreuung angezeigt. Kinder, die unter Mobbing oder Hänseleien leiden, sollten gemeinsam mit den Eltern eine therapeutische Beratung in Anspruch nehmen.
Behandlung & Therapie
Für Patienten des Holt-Oram-Syndroms stehen keine kausalen Behandlungen zur Verfügung. Eine Hoffnung auf eine zukünftig kausale Behandelbarkeit besteht, da die Gentherapie derzeit Gegenstand der medizinischen Forschung ist. Solange diese Art der Therapie die klinische Phase allerdings nicht erreicht, bleibt das Holt-Oram-Syndrom eine unheilbare Erkrankung.
Derzeit stehen zur Behandlung der Patienten also nur symptomatische Therapieoptionen zur Verfügung. Damit richtet sich die Therapie nach den Symptomen im Einzelfall. Besondere Relevanz hat die frühzeitige Korrektur des Herzfehlers. Diese Korrektur erfolgt operativ. Bei einem Vohofseptumdefekt strebt der operative Eingriff zum Beispiel einen Verschluss des jeweiligen Defekts an. Dasselbe gilt auch für einen Ventrikelseptumdefekt.
Korrekturen der Fehlbildungen an den Extremitäten sind zunächst zweitrangig. Nach der erfolgreichen Korrektur des Herzfehlers können rekonstruktiv chirurgische Verfahren fehlende Speichen wiederherstellen und Syndaktylien trennen. Eine vorliegende Skoliose wird in der Regel in physiotherapeutischer Betreuung bekämpft. In besonders schweren Fällen ist unter Umständen ein operativer Eingriff zur Implantation einer Titanrippenprothese erforderlich.
Für den Pectus carinatum ist meist kein Eingriff erforderlich. Aus psychologischen Gründen kann operativ aber eine Umformung des Thorax erfolgen, die zum Beispiel dem Verfahren nach Nuss folgt.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Holt-Oram-Syndroms ist günstig. Obgleich ein Gendefekt vorliegt, kann dieser mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten ausreichend behandelt werden. Die Lebenserwartung eines Erkrankten mit dem Syndrom liegt in den meisten Fällen nicht unterhalb des Durchschnitts. Bei einer starken Fehlbildung kann es zu erheblichen Einbußen der Lebenserwartung kommen. Die Prognose ist bei diesen Patienten deutlich verschlechtert. Die Herztätigkeit ist eingeschränkt und kann zu einem vorzeitigen Lebensende führen.
Die Mehrzahl der Patienten können jedoch gut und erfolgreich therapiert werden. Obgleich keine Heilung aufgrund des vorliegenden genetischen Defekts eintreten kann, bestehen gute Aussichten für verschiedene Korrekturmöglichkeiten. Die Herztätigkeit wird reguliert und nach Möglichkeit in einem operativen Eingriff vollständig korrigiert. Wenngleich es im Vergleich zu gesunden Menschen zu einer dauerhaften Beeinträchtigung bei der Lebensgestaltung kommen kann, wird eine gute Lebensqualität aufgrund der Behandlung erreicht.
Körperliche Auffälligkeiten oder Fehlbildungen werden in einem weiteren Schritt verändert. Meist wird nach der abgeschlossenen Wachstumsphase des Kindes eine notwendige oder gewünschte Korrektur der vorhandenen Fehlbildungen eingeleitet. Führen die Störungen innerhalb des Entwicklungsprozesses zu deutlichen Beeinträchtigungen, werden im Kindesalter zur Linderung der Beschwerden Korrekturmaßnahmen vorgenommen. Aufgrund der optischen Veränderungen kann es beim Patienten zu psychischen Folgeerscheinungen kommen. Dies verschlechtert die Gesamtprognose.
Vorbeugung
Bisher lässt sich dem Holt-Oram-Syndrom nicht vorbeugen, da die äußeren Einflussfaktoren nicht abschließend geklärt sind.
Nachsorge
Da es sich beim Holt-Oram-Syndrom um eine angeborene Krankheit handelt, kann diese nicht vollständig geheilt werden. Daher sind auch die Maßnahmen oder die Möglichkeiten einer Nachsorge sehr stark eingeschränkt, sodass der Betroffene in erster Linie auf eine frühzeitige Erkennung mit der anschließenden Behandlung angewiesen ist. Sollte beim Patienten oder bei den Eltern ein Kinderwunsch bestehen, eine genetische Beratung erfolgen, um das erneute Auftreten dieses Syndroms zu verhindern.
Die Behandlung des Holt-Oram-Syndroms richtet sich dabei vor allem auf die Behandlung des Herzfehlers. Dieser wird dabei durch einen operativen Eingriff korrigiert, wobei sich der Patient nach dem Eingriff auf jeden Fall erholen und ausruhen muss. Dabei ist von Anstrengungen oder von körperlichen Tätigkeiten abzusehen. Nicht selten muss auch eine physiotherapeutische Behandlung erfolgen, wobei viele der Übungen auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden können.
Die Betroffenen sind mitunter auf die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie und der Freunde angewiesen. Dadurch können auch psychische Verstimmungen oder Depressionen verhindert werden. Weiterhin wirkt sich eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung sehr positiv auf den Verlauf des Holt-Oram-Syndroms aus.
Das können Sie selbst tun
Da viele Betroffene auch an psychischen Beschwerden oder an Minderwertigkeitskomplexen bei diesem Syndrom leiden, sind sie auf eine psychologische Behandlung angewiesen. Hierbei können allerdings auch Gespräche mit anderen Patienten, den eigenen Eltern oder den Freunden das Selbstvertrauen des Patienten stärken und damit die psychischen Beschwerden lindern. Weiterhin sind einige Patienten auf die Hilfe ihrer Mitmenschen in ihrem Alltag angewiesen, wobei sich eine herzliche Pflege sehr positiv auf den Verlauf des Holt-Oram-Syndroms auswirkt.
Da die Erkrankung auch die inneren Organe betreffen kann, sind die Patienten auf regelmäßige Untersuchungen und Kontrollen bei verschiedenen Ärzten angewiesen. Damit können zum Beispiel Nierenbeschwerden vermieden werden. Betroffene Kinder sollten über die Folgen und Komplikationen der Erkrankung aufgeklärt werden.
Quellen
- Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003