Hyperthecosis ovarii
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Hyperthecosis ovarii ist eine Störung der Eierstockfunktion. Dabei ist die Struktur der Eierstöcke verändert und es werden vermehrt männliche Sexualhormone produziert.
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Was ist Hyperthecosis ovarii?
Die Hyperthecosis ovarii gehört zu den Ovarialinsuffizienzen. Bei einer Ovarialinsuffizienz können die Eierstöcke der Frau, die Ovarien, nicht mehr richtig arbeiten. Das bedeutet, dass Eizellen nicht mehr richtig ausreifen und die weiblichen Hormone Progesteron und Östrogen nur noch unzureichend gebildet werden.
Bei der Hyperthecosis ovarii ist die Gewebestruktur des Ovars pathologisch verändert. Es kommt zu einer vermehrten Produktion von männlichen Sexualhormonen, den sogenannten Androgenen. Die Hyperthecosis ovarii ist eine eher seltene Erkrankung, die familiär gehäuft auftritt. Es besteht eine enge Verwandtschaft zum polyzystischen Ovarialsyndrom. Es handelt sich dabei ebenfalls um eine Ovarialinsuffizienz.
Ursachen
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Patientinnen haben keinen oder nur einen sehr unregelmäßigen Zyklus. Die Regelblutung ist selten (Oligomenorrhoe) oder bleibt aus (Amenorrhö). Nicht selten ist ein Zyklus länger als 35 Tage. Zwischendurch kann es zu unregelmäßigen Zwischen- oder Zusatzblutungen kommen. Durch die männlichen Sexualhormone vermännlichen die betroffenen Frauen äußerlich.
Die Körperbehaarung nimmt zu und das Haarverteilungsmuster ändert sich. Vor allem im Gesicht, an der Brust und dem Bauch nimmt der Haarwuchs zu. Diese androgenabhängige Behaarung bezeichnet man auch als Hirsutismus. Die Klitoris kann sich durch den Androgenüberschuss vergrößern (Klitorishypertrophie) und penisähnlich verändern. Auch die Stimmlage der Patientinnen ändert sich. Die Stimme wird tiefer und somit zunehmend männlicher. Durch die männlichen Hormone, insbesondere durch den erhöhten Testosteronspiegel, kann eine Akne ausgelöst oder eine bestehende Akne verschlimmert werden.
Durch das Testosteron wird die Haut ölig und begünstigt die Vermehrung von Bakterien. Die Folge sind eitrige Entzündungen in Pickelform. Ein weiteres Symptom der Hyperthecosis ovarii ist die androgenetische Alopezie. Durch die hormonelle Dysregulation kommt es zu verkürzten Haarwachstumszyklen und zu einer Verkleinerung der Haarfollikel. Aus diesen wachsen dann nur noch sehr dünne, zum Teil sogar kaum sichtbare flaumige Haare. Nach und nach gehen so immer mehr Haare verloren und die Betroffenen leiden unter kahlen Stellen auf dem Kopf.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Um die Diagnose Hyperthecosis ovarii stellen zu können, muss Gewebe des Eierstocks untersucht werden. Hier zeigt sich ein krankheitstypischer histologischer Befund. Die Eierstöcke sind vergrößert und von einer dicken Kapsel umgeben. Das bindegewebige Stützgerüst des Ovars, das sogenannte Stromagewebe, ist stark ausgeprägt und enthält bestimmte Bläschen. Diese werden als atretische Follikel bezeichnet.
In der Theca interna, einem Teil der bindegewebigen Rinde des Eierstocks, finden sich zahlreiche luteinisierende Zellen. Diese produzieren vermehrt das luteinisierende Hormon (LH), welches im gesunden Körper den Eisprung und die Gelbkörperbildung fördert. Anders als beim polyzystischen Ovarialsyndrom finden sich keine polyzystischen Entartungen.
Die Diagnose wird durch eine Laboruntersuchung des Blutes gestützt. Im Blut finden sich drastisch erhöhte Testosteron- und Androstenionwerte. Androstenion ist ein Steroidhormon, welches chemisch dem Testosteron sehr ähnlich ist. Ähnlich hohe Testosteron- und Androsterionwerte finden sich sonst nur bei androgenproduzierenden Tumoren. Trotz der luteinisierenden Zellen ist der Wert des luteinisierenden Hormons im Normbereich.
Ebenso ist auch der LH / FSH Quotient, also der Quotient aus luteinisierendem Hormon und follikelstimulierendem Hormon im Normbereich. Auch DHEA (Dehydroepiandrosteron) und DHEAS (Dehydroepiandrosteronsulfat), zwei weitere Steroidhormone, sind nicht erhöht. Durch das eindeutige Blutbild und die histologischen Befunde kann sicher die Diagnose Hyperthecosis ovarii gestellt werden.
Komplikationen
In den meisten Fällen kommt es daher zu einer Vermännlichung der Frau, was mit starken psychischen Beschwerden oder Depressionen verbunden ist. Auch die Haut ist von der Hyperthecosis ovarii betroffen, sodass diese ölig ist und sich Pickel auf der Haut ausbilden. Daraus entstehen ästhetische Beschwerden, die nicht selten zu einem verringerten Selbstwertgefühl oder zu Minderwertigkeitskomplexen führen.
Weiterhin kommt es zu einem Haarausfall und in einigen Fällen zu einer starken Akne. Oft meiden die Patienten aufgrund der Beschwerden soziale Kontakte und leiden an einer starken Abgeschlagenheit. Die Behandlung der Hyperthecosis ovarii kann mit Hilfe von Medikamenten erfolgen.
In den meisten Fällen steigt der Testosteronspiegel nach der Behandlung kurzzeitig an, sinkt danach allerdings wieder, sodass auch die Beschwerden verschwinden. In der Regel können die Betroffenen allerdings keine Kinder mehr bekommen. Daher ist in vielen Fällen eine psychologische Behandlung ebenso notwendig.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Störungen oder starke Unregelmäßigkeiten des Monatszyklus sind von einem Arzt kontrollieren zu lassen. Bleibt die Monatsblutung aus, verlängert sich der Zyklus oder kommt es zu Veränderungen der ausgeschiedenen Blutmenge, liegen Unstimmigkeiten vor, die untersucht und behandelt werden müssen. Treten Beschwerden oder Schmerzen im Unterleib auf, ist ein Arztbesuch anzuraten. Bei sexuellen Funktionsstörungen oder Auffälligkeiten während des Sexualaktes, ist eine Abklärung der Symptome notwendig. Ein Druckgefühl im Unterleib sowie Probleme bei der Einnahme einer gebückten Körperhaltung, sind von einem Arzt begutachten zu lassen.
Treten Beschwerden in sitzenden Positionen auf oder bemerkt die Betroffene ein Engegefühl im Bereich der inneren weiblichen Geschlechtsorgane, ist ein Arztbesuch zu empfehlen. Wird eine Zunahme der Körperbehaarung bemerkt, treten Stimmungsschwankungen auf oder kommt es zu Veränderungen der Stimmhöhe, sind die Anzeichen von einem Arzt kontrollieren zu lassen. Bei Haarausfall, kahlen Stellen der Kopfbehaarung oder Bartwachstum im Gesicht einer Frau, sind ärztliche Untersuchungen anzuraten. Zur Klärung der Ursache wird eine Blutuntersuchung in einem Labor benötigt. Die Konsultation eines Arztes ist anzuraten bei starken Hautunreinheiten, vermehrter oder wiederholter Pickelbildung oder anderen Auffälligkeiten des Hautbildes. Kommt es zu optischen Veränderungen der weiblichen Geschlechtsorgane, ist schnellstmöglich ein Arztbesuch nötig.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der Hyperthecosis ovarii gestaltet sich eher schwierig. Die Therapie erfolgt meist durch Gabe von GnRH-Analoga. GnRH-Analoga sind Stoffe, die eine ähnliche Struktur wie das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) aufweisen. Das GnRH wird normalerweise im Hypothalamus gebildet und bewirkt, dass sogenannte Gonadotropine freigesetzt werden. Gonadotropine werden im Hypophysenvorderlappen gebildet. Zu den Gonadotropinen gehören zum Beispiel LH, FSH oder Prolaktin. Die GnRH-Analoga binden ebenso wie das körpereigene Gonadotropin-Releasing-Hormon an die Rezeptoren der Hypophyse. Dadurch werden vermehrt Gonadotropine ausgeschüttet.
Zunächst kommt es zu einem Anstieg von LH, FSH und Testosteron. Man spricht hier vom Flare-Up-Phänomen. Bei kontinuierlicher Gabe sinken durch eine Gegenregulation (Down-Regulation) nach drei bis fünf Wochen die Hormonspiegel wieder ab. Die DHEA-Sekretion wird von dieser medikamentösen Therapie nicht beeinflusst. Die medikamentöse Therapie führt zwar in der Regel zu einer Abnahme der Androgene, die Ovarien werden dadurch aber nicht zwingend wieder funktionsfähig.
Ein Kinderwunsch kann trotz Therapie mit GnRH-Analoga bei der Hyperthecosis ovarii in der Regel nicht erfüllt werden. Sollte die medikamentöse Therapie nicht anschlagen, müssen beide Eierstöcke entfernt werden. Nach diesem drastischen Eingriff müssen die betroffenen Frauen lebenslang synthetische Östrogene und Gestagene einnehmen.
Vorbeugung
Da die Ursache der Hyperthecosis ovarii noch ungeklärt ist, lässt sich der Erkrankung auch nicht vorbeugen. Um eine Hyperthecosis ovarii rechtzeitig zu erkennen, sollten jährlich gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Wird vom Frauenarzt die Diagnose Hyperthecosis ovarii gestellt, sollte schnellstmöglich eine Therapie eingeleitet werden. So kann der Verlauf der Erkrankung eventuell positiv beeinflusst werden. Körperliche Schäden durch den Androgenüberschuss können somit im Idealfall rechtzeitig verhindert werden.
Nachsorge
Die Therapie der Hyperthecosis ovarii geht direkt in die Nachsorge-Phase über. Durch die entsprechenden Maßnahmen lässt sich der Verlauf positiv beeinflussen, sodass die Krankheit keine schädigenden Folgen auslöst. Um den Androgenüberschuss zu vermeiden, ist eine regelmäßige Kontrolluntersuchung beim Gynäkologen nötig. Betroffene Frauen leiden oft unter den hormonellen Veränderungen und unter den damit einhergehenden Komplexen.
Es kommt zu psychischen Problemen wie Minderwertigkeitsgefühlen und oft auch Depressionen. Daher wünschen sich die Patientinnen oft eine kosmetische Behandlung, um die sichtbaren Anzeichen zu verringern. Gegen die oft auftauchenden Hautunreinheiten hilft eine Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Dadurch verbessert sich das Hautbild.
Eine psychologische Therapie ist in mehrfacher Hinsicht empfehlenswert. Hier können die betroffenen Frauen die mit der Krankheit einhergehenden Probleme zur Sprache bringen. Ein intensiver Austausch mit Leidensgenossinnen, mit Angehörigen oder mit einem Psychotherapeuten verhilft ebenfalls zu mehr Ausgeglichenheit und Selbstbewusstsein.
Wenn die Patientinnen durch die Krankheit keine Kinder mehr bekommen können, verstärkt sich die psychische Belastung. Um eine Depression zu vermeiden, ist oft eine gezielte Psychotherapie nötig. Auch die vertrauensvolle Kommunikation mit Familienangehörigen, Freunden und einer Selbsthilfegruppe sorgt für mehr Selbstsicherheit und Lebensfreude.
Das können Sie selbst tun
Die von der Hyperthecosis ovarii betroffenen Frauen leiden durch die hormonellen Veränderungen an diversen Beschwerden, die auch äußerlich in Erscheinung treten und daher oft mit Minderwertigkeitskomplexen einhergehen. Die Vermännlichung der erkrankten Patientinnen sowie die veränderte Körperbehaarung, Stimmhöhe und Haarausfall führen nicht selten zu psychischen Problemen, die von einem Psychologen zu betreuen sind. Darüber hinaus ist es den betroffenen Frauen möglich, durch kosmetische Maßnahmen die äußerlich sichtbaren Veränderungen der Krankheit einzudämmen.
Starke Hautunreinheiten behandelt ebenfalls ein Arzt, wobei die Patienten durch einen angepassten Ernährungs- und Lebensstil an der Therapie mitwirken. Darüber hinaus sind einige der an der Hyperthecosis ovarii erkrankten Frauen nicht mehr in der Lage, eigene Kinder zu bekommen. Dies stellt eine starke psychische Belastung für die Patientinnen dar, die nach Möglichkeit bei einer Psychotherapie aufzuarbeiten ist. Die erkrankten Frauen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, durch die Beschwerden und Einschränkungen der Krankheit eine Depression zu entwickeln. Deshalb ist eine begleitende psychologische Betreuung auch dann angebracht, wenn die Beschwerden im Einzelfall nur schwach ausgeprägt sind. Hilfreich ist es für die Betroffenen, das soziale Umfeld über die Erkrankung aufzuklären und sich gegebenenfalls in Selbsthilfegruppen Unterstützung zu suchen.
Quellen
- Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
- Feige, A., Rempen, A., Würfel, W., Jawny, J., Rohde, A. (Hrsg.): Frauenheilkunde – Fortpflanzungsmedizin, Geburtsmedizin, Onkologie, Psychosomatik. Urban & Fischer, München 2005
- Goerke, K., Steller, J., Valet, A.: Klinikleitfaden Gynäkologie. Urban & Fischer, München 2003