Immunkomplexvaskulitis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter einer Immunkomplexvaskulitis wird eine Form der Blutgefäßentzündung verstanden. Sie zählt zu den Untergruppen der Gefäßentzündung.
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Was ist eine Immunkomplexvaskulitis?
Die Immunkomplexvaskulitis ist eine Form der Gefäßentzündung (Vaskulitis). Bei einer Vaskulitis kommt es zur Entzündung der Gefäßwände. Von einer Immunkomplexvaskulitis ist die Rede, wenn die Gefäßentzündung durch eine immunologische Reaktion hervorgerufen wird. Dabei lagern sich Immunkomplexe an den Wänden von zahlreichen kleineren Blutgefäßen ab.
Mediziner sprechen dann auch von einer leukozytoplastischen Vaskulitis, einer Vaskulitis allergica oder einer Hypersensitivitätsvaskulitis. Ärzte unterscheiden zwischen einer kutanen sowie einer systemischen Immunkomplexvaskulitis:
Bei der kutanen Immunkomplexvaskulitis leiden die Betroffenen unter einer Entzündung der kleinen Blutgefäße in der Nähe der Haut. Im Vorfeld der Gefäßentzündung zeigt sich eine bakterielle Infektion, die zumeist durch Streptokokken ausgelöst wird, oder eine Viruserkrankung.
Wird die Vaskulitis dagegen durch Antikörper verursacht und nimmt einen chronischen Verlauf, lässt sich dies zumeist auf eine Hepatitis C zurückführen. Von einer systemischen Immunkomplexvaskulitis ist die Rede, wenn nicht nur die Haut durch die Gefäßentzündung in Mitleidenschaft gezogen wird, sondern auch die Nieren sowie das komplette zentrale Nervensystem.
Ursachen
Zur Bildung von kleineren Immunkomplexen kommt es unter anderem beim Befall einer kleineren Wunde mit Bakterien. Diese werden in der Wunde von spezifischen Antikörpern des Organismus gebunden. Im Blut lassen sich die Komplexe gut lösen. Ihr Abbau findet in der Leber statt. Treffen jedoch größere Ansammlungen von fremden Stoffen und entsprechenden Antikörpern zusammen, führt dies zur Bildung von großen Immunkomplexen.
Dieser Vorgang erfolgt zumeist im Rahmen von Infektionen, bei denen eine größere Keimanzahl ins Blut vordringt. Zu den häufigsten Auslösern gehören Racheninfektionen, die durch Viren oder Streptokokken-Bakterien ausgelöst werden, sowie Infektionen mit Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Viren. Von einigen Personen werden außerdem Antikörper gegen Medikamente wie bestimmte Antibiotika, Schmerzmittel, die Antibabypille oder Diuretika gebildet.
Gelangen größere Mengen an Keimen oder Medikamenten, gegen die bereits Antikörper existieren, ins Blut, hat dies das Entstehen von riesigen Immunkomplexen zur Folge. Da sich diese im Blut nur schwer lösen lassen, lagern sie sich als feste Stoffe an den Wänden der Blutgefäße ab. Dies gilt besonders für Blutgefäße, bei denen ein langsamer Blutfluss besteht, wie sehr kleinen Venen.
Haben sich die Immunkomplexe an den Gefäßwänden abgelagert, führt dies zu einer Wanderung von Leukozyten (weißen Blutkörperchen) vom Blut in die Gefäßwände. Dies löst wiederum eine entzündliche Reaktion aus. Die Leukozyten unternehmen den Versuch eines Abbaus der Immunkomplexe, indem sie bestimmte Inhaltsstoffe freisetzen, was jedoch nur zum Teil von Erfolg gekrönt ist. Gewissermaßen aus Versehen können die aggressiven Inhaltsstoffe in benachbarte Gewebe vordringen, was eine weitere Beschädigung der Blutgefäßwände nach sich zieht.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Zu den typischen Beschwerden der Immunkomplexvaskulitis zählen viele kleine Einblutungen, die auf der Haut sichtbar sind. Zuerst zeigen sie sich an den Unterschenkeln in Form von roten Punkten, die eine Größe von maximal drei Millimetern erreichen können. Nach einigen Tagen verfärben sich die Punkte blaurot. Außerdem treten in der Unter- und Oberschenkelregion weitere rote Einblutungen auf. Zu Juckreiz oder Brennen kommt es aber nur gelegentlich.
Im Falle einer stärkeren Entzündungsreaktion erreichen die dunkelroten Knötchen einen Durchmesser von mehreren Millimetern. Fällt die Immunkomplexvaskulitis schwer aus, kommt es in der Mitte der Knötchen zum Absterben der obersten Hautschicht, was sich durch eine hellgraue Verfärbung oder Blasenbildung bemerkbar macht.
Weiterhin bilden sich oberflächliche Hautdefekte, die nässen. Im schlimmsten Fall sind zudem Gewebsnekrosen möglich, was sich durch lösliche schwarze Knötchen und schmerzende kleine Wunden bemerkbar macht.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Im Rahmen der Untersuchung befragt der Arzt den Patienten danach, ob er vor einiger Zeit unter einem Infekt litt oder neue Arzneimittel einnimmt. Außerdem möchte er wissen, ob der Betroffene unter chronischen Grunderkrankungen leidet. Schließlich wird die Haut des Patienten überprüft. Dabei achtet der Mediziner besonders auf die roten Flecken.
Zur Sicherung der Diagnose findet die Entnahme zweier Gewebeproben (Biopsie) statt. Die erste Probe wird in einem Labor mikroskopisch auf eine Gefäßentzündung kontrolliert. Bei der zweiten Probe lassen sich durch das Immunfluoreszenz-Verfahren abgelagerte Immunkomplexe an den Wänden der Gefäße feststellen. Wird die Immunkomplexvaskulitis nicht behandelt oder liegt eine Beteiligung des zentralen Nervensystems vor, nimmt die Erkrankung meist einen negativen Verlauf.
Komplikationen
Nicht selten treten die Schmerzen auch in Form von Ruheschmerzen auf und können damit zu erheblichen Schlafbeschwerden und zu einer Reizbarkeit des Patienten führen. In schwerwiegenden Fällen können auch die oberen Hautschichten an den jeweiligen Regionen komplett absterben, was vor allem zur Ausbildung von Narben und Blasen führen kann. Dies äußert sich in einer verringerten Ästhetik und damit in einem verringerten Selbstwertgefühl.
Bei der Behandlung der Immunkomplexvaskulitis kommt es in den meisten Fällen nicht zu besonderen Komplikationen. Es wird in erster Linie immer die Grunderkrankung behandelt, die für die Immunkomplexvaskulitis verantwortlich ist. Sollte es bereits zu einer Entzündung gekommen sein, so können Antibiotika eingenommen werden, um dieser entgegenzuwirken. Die Lebenserwartung wird durch die Krankheit nicht verringert und nach der Behandlung kommt es zu keinen weiteren Beschwerden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wer plötzlich Einblutungen auf der Haut bemerkt, sollte einen Arzt aufsuchen. Die Hautveränderungen deuten auf eine Hauterkrankung hin, die abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden muss. Ob es sich dabei um eine Immunkomplexvaskulitis handelt, kann nur von einem Arzt festgestellt werden. Deshalb sollte bereits bei ersten Anzeichen einer Erkrankung ärztlicher Rat eingeholt werden. Deutliche Warnzeichen, die möglichst sofort abgeklärt werden müssen, sind blaurote Verfärbungen auf der Haut, oft verbunden mit Juckreiz oder Brennen.
Spätestens, wenn die Entzündungen größer werden oder die Hautareale absterben, ist ein Arztbesuch angezeigt. Die Erkrankung tritt häufig nach einer Infektion mit Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Viren auf. Die Einnahme von Schmerzmitteln oder Antibiotika kann ebenfalls zu einer Immunkomplexvaskulitis führen. Auf wen diese Faktoren zutreffen, der sollte genannte Symptome rasch abklären lassen. Neben dem Hausarzt kann ein Dermatologe oder ein Immunologe hinzugezogen werden. Patienten mit chronischen Beschwerden sollten einen Therapeuten hinzuziehen, da die Erkrankung oft auch Auswirkungen auf die Psyche hat.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der Immunkomplexvaskulitis richtet sich nach den auslösenden Ursachen. Sind Medikamente oder ein Krankheitserreger für die Überempfindlichkeit verantwortlich, gilt es, den Auslöser auszuschalten. In der Regel bilden sich die Entzündungsbeschwerden schon bald wieder zurück. Sind Bakterien an der Gefäßentzündung beteiligt, kann die Gabe von Antibiotika sinnvoll sein.
Handelt es sich bei der Ursache um ein bestimmtes Medikament, wird es abgesetzt oder gegen ein anderes Präparat ausgetauscht. Als hilfreich gilt das Tragen von speziellen Kompressionsstrümpfen. Auf diese Weise fließt das Blut in den kleinen Gefäßen schneller, wodurch sich keine neuen Immunkomplexe an den Gefäßwänden ablagern können. In den meisten Fällen erfolgt zudem eine Kortisontherapie.
Aussicht & Prognose
Die Immunkomplexvaskulitis bedarf einer umfassenden Behandlung. Wird die nicht-bakterielle Entzündung der Blutgefäße nicht behandelt, ist die Prognose ungünstig. Die verschiedenen gastrointestinalen und neurologischen Symptome rufen zahlreiche Komplikatikationen hervor, etwa Epilepsien oder Darminfarkte, die tödlich verlaufen können. Bei Beteiligung des Herzens kann es zu einer Angina pectoris und dadurch zum Herzinfarkt kommen.
Die Patienten sind durch das Leiden stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt und müssen verschiedenste Medikamente einnehmen. Dennoch ist das Wohlbefinden reduziert, woraus langfristig auch seelische Beschwerden resultieren können. Auch eine umfassende Behandlung garantiert keine Genesung. Bei Beteiligung des Zentralnervensystems ist ein tödlicher Verlauf wahrscheinlich. Die Betroffenen haben generell eine reduzierte Lebenserwartung.
Faktoren wie eine frühzeitige Behandlung sowie eine, abgesehen von der Immunkomplexvaskulitis, gute körperliche Verfassung verbessern die Aussichten auf eine Genesung. Bei umfassender medizinischer Therapie kann das Leiden in einem Zeitraum von drei Monaten bis mehreren Jahren ursächlich behandelt werden. Begleitend dazu ist eine symptomatische Therapie vonnöten. Bei Kindern, älteren Menschen und Patienten mit einer Immunschwäche ist die Prognose schlechter. Meist versterben diese Patienten durch die typische Endothelschwellung oder andere Komplikationen in den ersten Wochen bis Monaten nach dem Ausbruch der Immunkomplexvaskulitis.
Vorbeugung
Präventionsmaßnahmen gegen eine Immunkomplexvaskulitis sind nicht bekannt. Umso wichtiger ist es, im Erkrankungsfall rasch mit einer Therapie zu beginnen.
Nachsorge
Betroffenen stehen bei einer Immunkomplexvaskulitis in den meisten Fällen keine besonderen Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung, sodass bei dieser Krankheit in erster Linie eine schnelle Diagnose herbeigeführt werden sollte. Bei einer frühen Diagnose und auch einer frühzeitigen Einleitung der Behandlung kommt es meist zu einem positiven Krankheitsverlauf.
Eine Selbstheilung kann bei dieser Erkrankung nicht eintreten. In der Regel müssen die Betroffenen bei der Immunkomplexvaskulitis bestimmte Medikamente absetzten oder durch andere ersetzen. Dabei sollte allerdings immer Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden. Bei der Einnahme von Medikamenten ist immer auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Einnahme zu achten, um die Beschwerden richtig und dauerhaft zu lindern.
Sollte es zu Fragen oder zu Unklarheiten kommen, empfiehlt es sich, zuerst ein Arzt zu konsultieren. Häufig kann sich auch das Tragen von Kompressionsstrümpfen positiv auf den Verlauf der Immunkomplexvaskulitis auswirken. Viele Patienten benötigen aufgrund der Krankheit in ihrem Alltag auch die Hilfe der eigenen Familie oder der Freunde.
Dabei wirken sich häufig liebevolle Gespräche mit den Betroffenen positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus und können mitunter das Aufkommen von Depressionen oder anderen psychischen Beschwerden verhindern. Eventuell ist durch die Krankheit die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.
Das können Sie selbst tun
Sofern der Arzt dem Patienten Antibiotika verschreibt, sollten diese eingenommen werden. Bei der Einnahme von Antibiotika müssen die entsprechenden Hinweise beachtet werden. Hierbei sollte auch die Einnahme anderer Medikamente überprüft werden. Weiterhin können die Beschwerden der Immunkomplexvaskulitis durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen eingeschränkt werden. Diese können in der Regel von einem Arzt verschrieben werden. Auch eine Therapie mit Kortison wirkt sich positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus. Der Betroffene sollte im Selbstversuch darauf achten, ob bestimmte Medikamente die Beschwerden der Immunkomplexvaskulitis verstärken. Sollte dieser Fall vorliegen, so können die Medikamente eventuell nach einer Absprache mit dem behandelnden Arzt abgesetzt oder durch andere Medikamente ersetzt werden.
Hautbeschwerden oder Narben können mit Hilfe von pflegenden Salben oder Cremes ebenfalls eingeschränkt und vermieden werden. In schwerwiegenden Fällen eignet sich allerdings ein operativer Eingriff, um ästhetische Beschwerden zu vermeiden.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012
- Plewig, G. et al.: Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer, Heidelberg 2012