Streptokokken

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. August 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Streptokokken besiedeln die Schleimhäute des gesunden Menschen und gelten dort als harmlos. Sie sind jedoch auch für eine Reihe teils schwerer Infektionen und Erkrankungen verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Streptokokken?

Streptokokken sind ein häufiger Auslöser von Harnwegsinfekten. Dazu zählen vor allem Blasenentzündungen, die jedoch auch rasch die Nieren befallen können und dort eine Nierenbeckenentzündung auslösen können.
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Als Streptokokken werden Bakterien bezeichnet, die ein kugelartiges Aussehen besitzen. Ihre Form wird durch den aus dem altgriechischen abgeleiteten Begriff „Kokken“ umschrieben. Es gibt bei den Streptokokken eine Vielzahl an Unterarten, wie etwa Streptococcus pneumoniae oder Streptococcus salivarius.

Beim gesunden Menschen kommen sie im Rachenraum und im Mund sowie im Darm und der Scheide der Frau vor und verursachen dort normalerweise keinerlei Probleme. Sobald das Immunsystem jedoch geschwächt ist, können Streptokokken teilweise schwere Erkrankungen auslösen.

Dazu zählen Mittelohrentzündungen, Lungenentzündungen, Hirnhautentzündungen, Blinddarmentzündungen sowie Halsentzündungen und Scharlach. Streptokokken sind weiterhin verantwortlich für das Auftreten von Blutvergiftungen und Infekten der Harnwege.

Bedeutung & Funktion

Streptokokken siedeln beim gesunden Menschen auf den Schleimhäuten. Sie werden dort durch die normale Immunabwehr in ihrer Zahl so begrenzt, dass keine Krankheiten auftreten können. Jedoch sind sie mit Hilfe von Labortests nachweisbar. Bereits 1924 konnte Streptococcus mutans im Mund isoliert werden.

Dieser Stamm der Bakterie gilt als der Auslöser von Karies und ist zudem verantwortlich für bakteriellen Zahnbelag. Ist das Immunsystem geschwächt, wird durch eine Zunahme der Bakterienzahl das Kariesrisiko entsprechend höher. Gleiches gilt für Streptococcus pyogenes, der im Rachenraum jedes fünften Menschen nachgewiesen werden kann, ohne dass Beschwerden einer Halsentzündung auftreten. Die Zahl der vorhandenen Keime ist für den Ausbruch einer Erkrankung viel zu gering.

Daher ist es wichtig, sich während einer akuten Krankheit zu schonen, denn unbehandelte Infektionen oder eine zu frühe Belastung können zu ernsthaften Folgeerkrankungen am Herzmuskel sowie den Herzklappen und den Nieren führen. Auch das rheumatische Fieber tritt nach einer Infektion mit Streptokokken auf. Meist sprechen die Bakterien gut auf eine Behandlung mit Antibiotika an. Es kann jedoch auch vorkommen, dass sich bereits Resistenzen ausgebildet haben. Diese Gefahr besteht vor allem bei Patienten, die wiederholt mit Antibiotika behandelt werden mussten.

Auch deshalb ist es wichtig, diese Medikamente immer genau nach Vorschrift einzunehmen und den Arzt erneut zu konsultieren, wenn keine Besserung eintritt. Er kann dann gegebenenfalls den genauen Erreger innerhalb der Familie der Streptokokken bestimmen um ein wirksames Medikament zu finden.


Biologische Eigenschaften

Streptokokken sind grampositive, kugelförmige Bakterien, die in Ketten oder Paaren angeordnet sind. Sie gehören zur Familie der Streptococcaceae und sind aufgrund ihrer vielfältigen pathogenen Eigenschaften von medizinischer Bedeutung. Die Klassifikation erfolgt nach verschiedenen Kriterien, darunter Hämolyseverhalten auf Blutagar (α-, β-, γ-Hämolyse) und Lancefield-Gruppierung, die auf der Zusammensetzung spezifischer Kohlenhydratantigene basiert.

Morphologisch sind Streptokokken unbeweglich und haben keinen endogenen Bewegungsmechanismus wie Flagellen. Sie besitzen eine dicke Zellwand, die aus Peptidoglykan besteht, und können eine Kapsel aus Polysacchariden bilden, was ihnen hilft, sich gegen das Immunsystem zu schützen. Streptokokken sind fakultativ anaerob und wachsen optimal bei Temperaturen zwischen 35-37°C.

Das Genom von Streptokokken besteht typischerweise aus einem zirkulären Chromosom mit einer Größe von etwa 1,8 bis 2,3 Millionen Basenpaaren. Sie zeigen eine hohe genetische Vielfalt, was auf horizontalen Gentransfer durch Transformation, Transduktion und Konjugation zurückzuführen ist. Diese genetischen Besonderheiten ermöglichen es ihnen, Antibiotikaresistenzen und Virulenzfaktoren zu erwerben und somit in unterschiedlichen Umgebungen zu überleben und Krankheiten auszulösen. Besonders bekannt ist das Gen für das M-Protein, das eine wichtige Rolle in der Pathogenese spielt.

Vorkommen & Verbreitung

Streptokokken sind weit verbreitete Bakterien, die sowohl in der Umwelt als auch als Teil der normalen Mikrobiota von Menschen und Tieren vorkommen. Natürlich findet man sie in der Mundhöhle, dem Rachen, dem Darm und der Haut von Menschen, wo sie oft als Kommensalen leben, ohne Krankheiten zu verursachen. Bestimmte Streptokokkenarten, wie Streptococcus mutans, sind an der Entstehung von Zahnkaries beteiligt, während andere, wie Streptococcus pneumoniae, potenzielle Krankheitserreger sind.

In der Umwelt kommen Streptokokken in Wasser, Boden und auf Pflanzen vor. Sie sind fähig, in einer Vielzahl von Umgebungen zu überleben, was ihre Ausbreitung begünstigt. Übertragungswege von pathogenen Streptokokken erfolgen in der Regel über Tröpfcheninfektion, direkten Kontakt oder kontaminierte Oberflächen. Ein typisches Beispiel ist die Übertragung von Streptococcus pyogenes, der Erreger von Rachenentzündungen und Scharlach, über Tröpfchen beim Husten oder Niesen.

In verschiedenen Ökosystemen spielen Streptokokken eine wichtige Rolle als Teil der mikrobiellen Gemeinschaften. Sie beteiligen sich an der Zersetzung organischer Stoffe und tragen zur Nährstoffkreisläufen bei. In der Landwirtschaft können sie sowohl nützlich sein, als auch Krankheiten in Nutztieren verursachen. Ihre Präsenz in unterschiedlichen Habitaten unterstreicht ihre ökologische Bedeutung und Anpassungsfähigkeit.

Krankheiten

Streptokokken sind ein häufiger Auslöser von Harnwegsinfekten. Dazu zählen vor allem Blasenentzündungen, die jedoch auch rasch die Nieren befallen können und dort eine Nierenbeckenentzündung auslösen können. Werden die typischen Schmerzen beim Wasserlassen nicht besser und kommen einseitige Schmerzen in der Nierengegend hinzu, muss zügig ein Arzt aufgesucht werden.

Mittelohrentzündungen sind zunächst eine Folge von Erkältungskrankheiten, die sich auf den Gehörgang ausbreiten. Sie sind durch starke Ohrenschmerzen und häufig auch Fieber gekennzeichnet. Auch in diesem Fall muss ein Arzt aufgesucht werden, um einer weiteren Verschlimmerung der Entzündung vorzubeugen. Diese kann in der Folge zur Perforation des Trommelfells führen.

Bakterielle Lungenentzündungen verlaufen ebenfalls mit Fieber und Schüttelfrost sowie einem quälenden Husten. Die verminderte Sauerstoffsättigung ist an den bläulichen Lippen des Patienten zu erkennen. Besonders bei Belastung kann auch das Gebiet unter den Fingernägeln bläulich verfärbt sein. Am bekanntesten sind wohl die Halsentzündung (Angina) und auch der Scharlach. Beide Erkrankungen beginnen mit Fieber und Halsschmerzen.

Beim Scharlach tritt nach wenigen Tagen ein typischer roter Ausschlag in den Leisten auf, der sich über den ganzen Körper ausbreitet. Hier ist eine Behandlung mit Antibiotika vor allem wegen eventuell auftretenden Spätfolgen wie dem rheumatischen Fieber und Nierenschäden sinnvoll. Eine Hirnhautentzündung kann sich ebenfalls aus einer nicht behandelten Infektion im Bereich der Nase oder des Rachens entwickeln.

Bei Kopfschmerzen mit Fieber und einer Steife im Nackenbereich ist eine sofortige Behandlung notwendig. Nach Verletzungen und Operationen kann durch eine Infektion mit Streptokokken auch eine Blutvergiftung (Sepsis) entstehen. Dabei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Entzündungsreaktion mit sofortigem Behandlungsbedarf.

Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung von Streptokokkeninfektionen erfolgt in der Regel mit Antibiotika, wobei Penicillin und Amoxicillin die Standardtherapien darstellen. Diese Medikamente sind besonders wirksam gegen Streptococcus pyogenes, den Erreger von Erkrankungen wie Scharlach und Streptokokken-Angina. Bei Patienten mit Penicillinallergie werden alternative Antibiotika wie Cephalosporine oder Makrolide, z. B. Erythromycin, eingesetzt.

Die Herausforderung bei der Behandlung von Streptokokkeninfektionen liegt in der zunehmenden Antibiotikaresistenz, insbesondere bei Streptococcus pneumoniae. Resistenz gegen Makrolide und in einigen Fällen auch gegen Beta-Laktam-Antibiotika erschwert die Therapie. Dies erfordert oft den Einsatz von Reserveantibiotika wie Vancomycin oder Linezolid, die jedoch teurer sind und mehr Nebenwirkungen haben können.

Neue und experimentelle Therapieansätze umfassen die Entwicklung von Impfstoffen, insbesondere gegen Streptococcus pneumoniae und Streptococcus pyogenes, um Infektionen vorzubeugen. Zudem werden Bakteriophagen-Therapien erforscht, die gezielt gegen resistente Bakterienstämme eingesetzt werden könnten. Ein weiteres innovatives Konzept ist der Einsatz von antimikrobiellen Peptiden, die eine breite Wirksamkeit gegen Bakterien haben und weniger wahrscheinlich Resistenzentwicklungen verursachen. Diese Ansätze sind vielversprechend, befinden sich jedoch noch in der experimentellen Phase und müssen weiter untersucht werden.

Streptokokken und ihre Rolle bei Autoimmunerkrankungen

Streptokokken, insbesondere Streptococcus pyogenes, sind nicht nur für akute Infektionen wie Scharlach und Halsentzündungen bekannt, sondern spielen auch eine bedeutende Rolle bei der Auslösung von Autoimmunerkrankungen. Eine der bekanntesten Autoimmunerkrankungen, die mit einer Streptokokkeninfektion in Verbindung gebracht wird, ist das rheumatische Fieber, das nach einer unbehandelten oder unzureichend behandelten Streptokokken-Angina auftreten kann.

Beim rheumatischen Fieber greift das Immunsystem irrtümlich körpereigenes Gewebe an, da es bestimmte Oberflächenmoleküle der Streptokokken mit ähnlichen Strukturen im menschlichen Gewebe verwechselt, ein Phänomen, das als molekulare Mimikry bezeichnet wird. Diese Kreuzreaktion führt zu einer Entzündung, die vor allem das Herz, die Gelenke, das Nervensystem und die Haut betrifft. Die Folge können chronische Herzerkrankungen wie rheumatische Herzkrankheit sein, die langfristig zu Herzklappenfehlern führen können.

Eine weitere schwerwiegende Autoimmunerkrankung, die mit Streptokokken in Verbindung gebracht wird, ist die akute poststreptokokkale Glomerulonephritis. Diese Erkrankung tritt nach einer Infektion mit bestimmten Streptokokkenstämmen auf und führt zu einer Entzündung der Nieren. Dabei lagern sich Immunkomplexe in den Glomeruli der Nieren ab, was zu einer verminderten Nierenfunktion und in schweren Fällen zu Nierenversagen führen kann. Besonders besorgniserregend ist, dass diese Erkrankung selbst nach der Behandlung der ursprünglichen Infektion auftreten kann.

Eine weitere interessante Verbindung zwischen Streptokokken und Autoimmunität stellt die PANDAS (Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal Infections) dar. Diese Störung betrifft vor allem Kinder und äußert sich in einer plötzlichen Verschlimmerung von Zwangsstörungen oder Tics nach einer Streptokokkeninfektion. Der Mechanismus wird ebenfalls durch molekulare Mimikry erklärt, bei der Antikörper, die gegen Streptokokken gerichtet sind, auf Strukturen im Gehirn reagieren und neuropsychiatrische Symptome auslösen.

Die Rolle von Streptokokken bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen zeigt, wie komplex die Interaktion zwischen pathogenen Mikroorganismen und dem menschlichen Immunsystem ist. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist das Verständnis dieser Mechanismen noch nicht vollständig. Die Prävention und frühzeitige Behandlung von Streptokokkeninfektionen bleiben daher von entscheidender Bedeutung, um das Risiko für die Entwicklung solcher Autoimmunerkrankungen zu minimieren. Darüber hinaus ist die Entwicklung von Impfstoffen gegen die relevantesten Streptokokkenstämme ein wichtiges Forschungsziel, um die Inzidenz dieser assoziierten Autoimmunerkrankungen zu reduzieren.

Quellen

  • Kayser, F. H. et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Studt, H. H.: Allgemeine und spezielle Infektionslehre. Lehrbuch für Pflegeberufe. Kohlhammer, Stuttgart 2003
  • Weiß, A., Barth, H., Schmidt, H.: Bakterielle Toxine. Behr's Verlag, Hamburg 2018

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