Interpretation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Interpretation als Teil der Wahrnehmung ist eine kognitive Leistung. Die Interpretation steht in enger Verbindung mit den weiteren kognitiven Fähigkeiten des Beobachtens und Beurteilens. Menschen beobachten eine Situation, interpretieren den Sachverhalt und bilden sich anschließend ein Urteil.
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Was ist die Interpretation?
Der Begriff Interpretation geht zurück auf die lateinische Sprache und bedeutet „Übersetzung“, „Auslegung“, „Erklärung“. Es handelt sich um die kognitive Fähigkeit des Verstehens, Wahrnehmens und der subjektiven Deutung. Menschen sind darauf angewiesen, ständig zu beobachten, zu interpretieren und zu beurteilen, um sich in der Umwelt zurechtzufinden, mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren und entsprechend zu reagieren.
Menschen ohne psychische und kognitive Erkrankungen beherrschen alle drei Modi, die in vielen Lebenssituationen eng miteinander verbunden sind. Es ist gut vorstellbar, dass ein Mensch, der halluziniert, eine Situation nicht richtig beobachtet, sie demzufolge falsch interpretiert und im letzten Schritt zu einem fehlerhaften Urteil gelangt.
Funktion & Aufgabe
Besonders bei gesellschaftlich sensiblen Themen wie Politik oder Religion kann der Meinungsaustausch sehr lebhaft werden, denn jeder interpretiert diese Themen anders. In einer angenehmen Situation befindet sich der Mensch, der Gesprächspartner findet, die seine Meinung teilen, da die Verständigung sich weniger schwierig gestaltet. Im Fall unterschiedlicher Interpretationen gelangt eine Meinungsverschiedenheit schnell zum Dissens. In dieser Situation wird deutlich, dass jeder Gesprächsteilnehmer die Beobachtungen, die er zu diesem Thema gemacht hat, anders interpretiert und bewertet.
Da es sich um eine subjektive Sinnesleistung handelt, gehen die meisten Menschen davon aus, selbst im Recht zu sein. Sie sehen ihre Sicht der Dinge als wahr an und setzen voraus, dass die anderen den Sachverhalt falsch beobachtet, interpretiert und beurteilt haben. Eine bewusste Trennung der drei Modi Beobachten, Interpretieren und Beurteilen wird nicht vorgenommen, sie gehen fließend ineinander über.
Um zu einem Konsens zu gelangen, ist es wichtig, dass alle Beteiligten über die gleichen Informationen verfügen. Wirft ein Mann seiner Frau zum Beispiel vor, ihn nicht mehr zu lieben, sagt ihr aber nicht, warum er so denkt, kann sie nicht angemessen auf seinen Vorwurf reagieren, da sie den Grund für seine Annahme nicht kennt. Der Mann hat die Frau einen Tag zuvor in Begleitung eines unbekannten Mannes in einem Restaurant gesehen und beobachtet, dass sich die beiden sehr vertraut sind.
Aufgrund dieser Beobachtung hat er die Situation dahingehend interpretiert, dass seine Frau ihn mit dem anderen Mann betrügt und ist der Meinung, dass sie ihn nicht mehr liebt. Um die Interpretation ihres Mannes aufzulösen, muss die Frau fragen, warum ihr Mann so denkt. Wenn sie über die entsprechenden Informationen verfügt, kann sie die Situation aufklären. Ihr Mann weiß, dass er die von ihm beobachtete Situation falsch interpretiert hat und daher zu einem falschen Urteil gekommen ist.
Eine Problemlösung kann auf der Grundlage einer geistesgegenwärtigen Reaktion sehr einfach sein. Oft passiert es jedoch, dass sich Menschen über die Interpretation und Meinung ihrer Mitmenschen ärgern und sich zu schnell auf ein Streitgespräch einlassen.
Es gibt allerdings auch Dinge, die nicht Gegenstand einer Interpretation sein können, da es sich um feststehende Sachverhalte handelt. 1 + 1 ergibt immer 2. Die Rechtsprechung besagt, es ist verboten, seine Mitmenschen zu bestehlen. Denjenigen, die sich nicht daran halten, drohen gesetzliche Sanktionen wie Bußgeld oder Freiheitsstrafe. Der Dissident kann sich nicht darauf berufen, dieses Gesetz anders interpretiert zu haben und daher rechtens gehandelt zu haben.
In einem hohen Maße frei zugänglich für Interpretationen sind dagegen zum Beispiel auch Kunstwerke. Jeder Mensch deutet das Bild eines Malers und dessen Aussage anders, es handelt sich um eine subjektive Empfindung.
Krankheiten & Beschwerden
Leidet ein Mensch an Wahrnehmungsstörungen, ist es ihm nur eingeschränkt möglich, Sachverhalte richtig zu beobachten, zu interpretieren, zu beurteilen und ein entsprechendes Verhalten zu zeigen. Wahrnehmungsfehler können aufgrund einer physischen oder psychischen Erkrankung auftreten, wie zum Beispiel bei Demenz, Depressionen, Kopfschmerzen oder Müdigkeit, aber auch aufgrund des sozialen Umfeldes, das bestimmte Verhaltensmuster erwartet.
Fällt ein Mensch durch abweichendes Verhalten auf, weil er einen Sachverhalt anders interpretiert, als von seinem sozialen Umfeld erwartet, fällt er meist negativ auf. Die individuelle Interpretation ist jedoch nur eine von mehreren möglichen Deutungen, die sich einer Beobachtung anschließen. Wer dagegen die eigene Interpretation stets als die eine wahre ansieht, sorgt häufig für Streit mit seinen Mitmenschen.
Die Erkenntnis, dass Wahrnehmungen auch auf andere Weise interpretiert werden können, versetzt Menschen in die Lage, abweichende Meinungen nachzuvollziehen und zu akzeptieren.
Quellen
- Becker-Carus, C., Wendt, M.: Allgemeine Psychologie. Springer 2. Auflage, Berlin 2017
- Faller, H.: Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie. Springer, Berlin 2019
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012