Metachromatische Leukodystrophie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Ein Mangel der Arylsulfatase A im Organismus führt zu metachromatischen Leukodystophie. Sie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung des Gehirns und tritt rezessiv vererbt auf, gekennzeichnet durch zahlreiche Mutationen und Auswirkungen in der Erscheinungsform, so dass sowohl verschiedene Symptombezeichnungen als auch die Unterschiede in der Verlaufsform und im Genotyp vorhanden sind.
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Was ist metachromatische Leukodystrophie?
Stoffwechselerkrankungen, die hauptsächlich das zentrale Nervensystem betreffen, werden in der Medizin als Lipidspeichererkrankungen bezeichnet, genauer als Sphingolipidosen. Sie gehören zur Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten, werden vererbt und weisen häufig Defekte an bestimmten Genen auf. In diese Gruppe gehört auch die metachromatische Leukodystophie.
Arylsulfatase A ist ein Enzym, das für die Abspaltung von Sulfat von Sulfatiden verantwortlich ist. Dieser Vorgang findet in den Lysosomen der Zellen statt. Dabei handelt es sich um die Zellorganellen in sowohl tierischen als auch pflanzlichen Zellen, die von einer Biomembran umschlossene Versikel besitzen, in denen der saure pH-Wert vorhanden ist. Lysosomen enthalten Verdauungsenzyme und sie zersetzen Biopolymere in Monomere.
Fehlt die Aktivität dieses Enzyms oder tritt es in verminderter Tätigkeit auf, entstehen in den Körperzellen und im zentralen Nervensystem nach und nach Ablagerungen von fetthaltigen Substanzen. Glycosphingolipide können nicht mehr abgespalten und Lipide nicht mehr in Lysosom verwandelt werden. Das Sulfatid wird daher gespeichert. Dies wiederum führt zu einem schnellen Abbau der Myelinscheiden. Letztere ist die lipidreiche Schicht um die Axone der Nervenzellen und der Abbau löst die Leukodystrophie aus.
Ursachen
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu Störungen der Bewegungsfunktionen, die sich immer mehr verschlechtern. Betroffene verändern sich auch in den geistigen Fähigkeiten. Die Hirnfunktion wird mehr und mehr abgebaut.
Je früher die Krankheit beginnt, umso günstiger kann die Prognose ausfallen. Eine verbreitete Form tritt spät-infantil auf und wird dann als Greenfield-Syndrom bezeichnet. Die Symptome treten im Alter von ein bis zwei Jahren auf, während die Entwicklung zunächst ungestört verläuft. Auch wenn das Kind bereits Sprechen und sich normal bewegen konnte, zeigen sich auf einmal Probleme beim Gehen, häufiges Stolpern ist die Folge.
Ebenso verschlechtert sich zunächst die sprachliche Ausdrucksmöglichkeit. Es kommt zu Dysarthrie, weiterhin zu Atem- und Schluckbeschwerden, die mit dieser Problematik häufig einhergehen.
Muskelschwächen und Reflexverluste sind die Folge, da es sich um eine periphere Nervenerkrankung handelt, die nach einiger Zeit auch spastische Lähmungserscheinungen aufweist. Schmerzhafte Muskelspannungen und pathologische Reflexe sind dabei ein erster Hinweis auf eine Störung des zentralen Nervensystems. Auch das Schlucken selbst bereitet immer mehr Schwierigkeiten, selbst wenn sich die Symptome periodenweise stabilisieren.
Bald lassen auch Hör- und Sehfähigkeit nach und es kann zu einer kompletten Erblindung kommen. Das betroffene Kind kann sich nicht mehr selbstständig fortbewegen und ist auf Pflege und Hilfe angewiesen. Die geistigen Fähigkeiten nehmen ab, es kommt zu einer Demenz.
Das Greenfield-Syndrom führt nach einigen Jahren zum Tod, der dann spätestens im 8. Lebensjahr durch Dezerebrationsstarre eintritt, also durch eine Körperstarre im Koma, bei der der Hirnstamm unterbrochen wird. Dabei zeigt sich eine Überstreckung der Gliedmaßen und des Rumpfes.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Eine weitere Form der metachromatischen Leukodystrophie ist das Scholz-Syndrom. Diese juvenile Form tritt meistens bei Kindern im Alter zwischen vier und zwölf Jahren auf und äußerst sich in einem langsamen Nachlassen der schulischen Leistung und in Abweichungen des gewohnten Verhaltensmusters. Das Kind beginnt sich zum Beispiel immer häufiger in Tagträume zu flüchten.
Weitere Störungen sind eine abnorme Körperhaltung, Schwierigkeiten beim Laufen, Zitteranfälle, Seh- und Sprechstörungen, diverse Anfälle und Harninkontinenz. Im Organismus bilden sich auch Gallensteine, wodurch es zu Koliken und Gallenblasenentzündungen kommt. Das Kind wird schnell pflegebedürftig.
Ist der Verlauf der Erkrankung adult, kommt es mehr zu psychischen Auffälligkeiten. Das kann zu Depressionen, aber auch bis hin zur Schizophrenie führen. Der Beginn der Erkrankung kann in die Pubertät fallen, Symptome können sich aber auch erst im Alter bemerkbar machen. Die Persönlichkeit verändert sich, die Leistungen lassen nach, emotionale Labilität verstärkt sich.
Der Verlust motorischer und geistiger Fähigkeiten kann dabei schleichend und über Jahrzehnte fortschreitend sein. Ein multipler Sulfatase-Mangel verstärkt die Symptome. Es kommt zur Mukosulfatidose, wobei die Ablagerungen und Speicherungen nicht nur im zentralen Nervensystem erfolgen, sondern auch in Milz, Leber, Lymphknoten und im Skelett.
Komplikationen
Unwillkürliches Muskelzuckungen kann dabei auftreten und den Alltag erschweren. Bei Jugendlichen und Kindern kann es dabei auch zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen. Weiterhin leiden die Patienten nicht selten an einer Konzentrationsschwäche und an Störungen der Koordination. Ebenso kann es auch zu einem Gedächtnisverlust kommen, sodass die Entwicklung des Kindes durch die Krankheit erheblich eingeschränkt ist.
Nicht selten sind die Betroffenen dann auf die Hilfe anderer Menschen oder der Eltern im Alltag angewiesen. Auch bei den Angehörigen oder den Eltern kann es dabei zu starken psychischen Beschwerden oder zu Depressionen kommen. Eine Heilung dieser Krankheit ist nicht möglich, sodass nur die Beschwerden symptomatisch behandelt werden können.
Komplikationen treten dabei in der Regel nicht auf. Mit Hilfe von Medikamenten und Therapien können die Beschwerden gelindert werden. Ob es durch die Krankheit zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann in der Regel nicht universell vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Störungen und Unregelmäßigkeiten der Mobilität sind Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die ärztlich abklärt werden sollte. Nehmen Beschwerden der Bewegungsabläufe zu, muss ein Arztbesuch erfolgen. Gangunsicherheiten, Schwindel, eine erhöhte Unfallgefahr oder die Unfähigkeit einer normalen Bewegungskoordination sind untersuchen und behandeln zu lassen. Kommt es zu Entwicklungsstörungen des Kindes, Problemen bei der Fortbewegung oder häufigem Stolpern, besteht Anlass zur Besorgnis. Erlernt das Kind im direkten Vergleich zu gleichaltrigen Kindern das Gehen besonders spät oder wird nicht sicher in seinen Bewegungsabläufen, sollten die Beobachtungen mit einem Arzt besprochen werden.
Bei Beschwerden der Atmung oder Problemen beim Schlucken sind weitere Anzeichen einer Erkrankung. Kommt es aufgrund der Atemstörung zu einer Unterversorgung des Organismus mit Sauerstoff, droht ein lebensbedrohlicher Zustand. Daher ist bei einer Blässe der Haut oder einer Blaufärbung ein Arztbesuch anzuraten. Liegt eine Beeinträchtigung des Sprachvermögens vor oder ist die Ausdrucksfähigkeit des Betroffenen gestört, sollten die Hinweise von einem Arzt abgeklärt werden. Bei einer bestehenden oder zunehmenden Schwäche der Muskelkraft, Schmerzen bei der Anspannung der Muskulatur oder einem Verlust der natürlichen Reflexe wird ein Arzt benötigt. Funktionsstörungen der Sinnesorgane sind ebenfalls ärztlich untersuchen und behandeln zu lassen. Ein vermindertes Seh- oder Hörvermögen können im schlimmsten Fall zur Erblindung und Taubheit führen.
Behandlung & Therapie
Eine Therapie für eine metachromatische Leukodystrophie ist sehr begrenzt. Vielmehr wird auf palliative Maßnahmen zurückgegriffen, wobei in erster Linie die Erscheinungsformen behandelt werden, die Schmerzen und Muskelkrämpfe gelindert werden, Physiotherapie bei spastischen Anfällen verschrieben wird. Mit Antiepileptika sollen die Anfälle gemindert werden, eine spezielle Diät oder Sonderernährung ist eine der Voraussetzungen der Behandlung.
Auch konnte eine länger anhaltende Beschwerdefreiheit erzielt werden, indem Stammzellen oder Knochenmark transplantiert wurde. Dieser chirurgische Eingriff hat allerdings nur positive Auswirkungen, wenn er im präsymptomatischen Stadium stattfindet. Er ist auch nicht unproblematisch und bringt Risiken und Nebenwirkungen mit sich.
Wissenschaftliche Versuche werden weiterhin an Gewebekulturen und Tieren unternommen, um sowohl die Pathogenese zu klären, als auch neue Möglichkeiten einer Therapieform zu erschließen. Das könnte eine Enzymersatztherapie sein.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Erkrankung muss individuell bewertet werden. Bei einigen Patienten zeigt sich trotz aller Bemühungen nur eine kleine Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes. In anderen Fällen konnte hingegen eine längerfristige Zeit der Beschwerdefreiheit durch eine medizinische Versorgung erreicht werden. Eine Genesung tritt jedoch nicht ein. Abhängig für den Krankheitsverlauf ist in erster Linie der Zeitpunkt der Diagnosestellung sowie des Behandlungsbeginns. Je frühzeitiger die Erkrankung erkannt wird, desto besser gestaltet sich die Prognose.
Bei einem präsymptomatischen Stadium zeigen sich bislang die besten Ergebnisse. In einigen Fällen kann ein operativer Eingriff erheblich zur Verbesserung der Situation beitragen. Dennoch ist die Transplantation von Knochenmark oder Stammzellen mit zahlreichen Risiken verbunden. Verläuft die Operation ohne weitere Störungen, werden meist die besten Ergebnisse erzielt. Zusätzlich wird eine symptomatische Therapie eingeleitet. Diese gestaltet sich nach den individuellen Beschwerden und wird in den meisten Fällen im Verlauf der Zeit den Entwicklungen angepasst. Zusätzlich sollte der Betroffene im Rahmen der Selbsthilfe eine spezielle Diät nutzen. Diese führt ebenfalls zu einer Linderung der vorhandenen gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten.
Ohne die Inanspruchnahme einer ärztlichen Hilfe, ist mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen. Es kann zu kognitiven Einbußen, Krampfanfällen oder psychischen Folgestörungen kommen. Bei diesen Patienten ist die Prognose erheblich verschlechtert.
Vorbeugung
Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, sind vorbeugende Maßnahmen nicht vorhanden. Die einzige Alternative bleibt, die Symptome rechtzeitig zu erkennen und die Behandlung so früh wie möglich zu beginnen.
Das können Sie selbst tun
Die Patienten mit Metachromatischer Leukodystrophie leiden meist unter einer erheblich herabgesetzten Lebensqualität und sind im Alltag auf die Unterstützung anderer Personen angewiesen, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung. Schon im Kindesalter leiden die Betroffenen unter motorischen Störungen, die sich etwa beim Gehen oder der Koordination von Bewegungen bemerkbar machen.
Um sozialer Ausgrenzung bei Kindern vorzubeugen, empfiehlt sich das Besuchen einer Sonderschule. Dort ergeben sich oft hilfreich soziale Kontakte, die das Lebensgefühl der Patienten verbessern. Da die Betroffenen in einigen Fällen an mit dem Alter zunehmenden Lernschwierigkeiten leiden, erhalten sie in Sondereinrichtungen auch eine angemessene pädagogische Betreuung.
Die körperlichen Beschwerden der Metachromatischen Leukodystrophie verringern sich teilweise durch eine disziplinierte Einnahme der verordneten Medikamente, wobei es sich üblicherweise um eine rein symptomatische Therapie handelt. Um die Motorik der Patienten zu verbessern, sind regelmäßige Termine bei einem Physiotherapeuten angebracht. Dort erlernen die Betroffenen außerdem krankengymnastische Übungen, die auch in Eigenregie durchführbar sind.
Mit zunehmendem Verlauf der Erkrankung verringert sich die Eigenständigkeit der Patienten, sodass sie zur Bewältigung ihres Alltags die Hilfe von Angehörigen oder Pflegekräften benötigen. Mitunter ist eine psychotherapeutische Unterstützung vonnöten.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013