Morbus Morquio

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Morbus Morquio ist eine sehr seltene Stoffwechselstörung, deren Ursache ein Enzymdefekt ist. Im Rahmen dieser Erkrankung ist der Abbau von Glykosaminoglykanen gestört, wodurch das betroffene Gewebe geschädigt wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Morquio?

Morbus Morquio wurde 1929 erstmalig vom Kinderarzt Luis Morquio beschrieben. Es handelt sich dabei um eine angeborene Stoffwechselerkrankung, deren Ursache ein defekter Eiweißstoff ist. Je nach Defekt kann dabei zwischen Morbus Morquio Typ A beziehungsweise Morbus Morquio Typ B unterschieden werden.

Ursachen

Morbus Morquio ist eine vererbbare Erkrankung, wobei der Erbgang autosomal-rezessiv ist. Tragen Mutter und Vater ein fehlerhaftes Gen in sich, so kann dieses Gen auf das Kind übertragen werden. Dadurch wird das entsprechende Enzym im Körper nicht produziert und das Kind erkrankt in weiterer Folge an Morbus Morquio. Je nach Enzymdefekt erfolgt eine Unterscheidung zwischen Morbus Morquio Typ A beziehungsweise Morbus Morquio Typ B.

Bei Morbus Morquio Typ A tritt ein Defekt an einer 6-Sulfatase auf. Dadurch können körpereigene Glykosaminoglykane nicht vollständig abgebaut werden und es fallen Spaltprodukte an, die in Lysosomen gespeichert werden. Zum Teil kommt es auch zu einer vermehrten Ausscheidung dieser Zwischenprodukte, wie beispielsweise von Keratansulfat bei Morbus Morquio Typ A oder Chondroitin-6-Sulfat bei Morbus Morquio Typ B.

Außerdem erfolgt eine Speicherung der Spaltprodukte in Leber, Milz, Bindegewebe, Auge und im Skelettsystem, wo sie Funktionsstörungen auslösen. Dabei werden sie nur in Bindegewebezellen und nicht im Zentralnervensystem gespeichert, sodass die Patienten über eine normale Intelligenz verfügen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Es ist möglich, die Aktivität des defekten Enzyms in den Fibroblasten oder Leukozyten zu bestimmen. Wenn eine Genveränderung innerhalb der Familie besteht, so kann während der Schwangerschaft eine Untersuchung durchgeführt werden, um festzustellen, ob beim Ungeborenen eventuell eine Erkrankung vorliegt.
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Der Schweregrad einer Morbus Morquio-Erkrankung ist unterschiedlich, manchmal wird die Erkrankung auf Grund fehlender Symptome auch erst im Erwachsenenalter festgestellt. Typische Symptome sind Kleinwuchs mit einem sehr kurzen Hals, X-Beine und Hornhauttrübungen. Die Intelligenz der Betroffenen ist nicht gemindert, Leber und Milz sind ebenfalls nicht vergrößert.

Morbus-Morquio-Patienten erreichen selten eine Größe von über 120 Zentimeter. Der Kleinwuchs ist dabei auf verkürzte Röhrenknochen zurückzuführen, was oft erst im vierten Lebensjahr auffällt. Außerdem haben die Betroffenen eine Kielbrust, ihre Gelenke sind überbeweglich und das Gesicht erinnert an Wasserspeierfiguren (Gargoylen), sodass diese Veränderungen auch als Gargoylismus bezeichnet werden.

Das Kinn ist vorstehend und vergrößert, der Kopf ist relativ groß und die Wangen sind ziemlich ausgeprägt. Sehr auffällig sind auch die Knochenveränderungen, die an der Wirbelsäule festgestellt werden können. Die Wirbel zwischen Lenden- und Brustwirbelsäule haben oft die Form eines Keils, die Wirbelkörper sind relativ flach und der so genannte Deus axis (Zahnfortsatz des zweiten Halswirbelkörpers) ist nicht entsprechend fixiert, was zu einer Spinalkanalstenose oder sogar zu einer Querschnittsymptomatik führen kann.

Durch die Instabilität kann auch das Rückenmark geschädigt werden und es kann zum Auftreten von neurologischen Ausfällen wie Sensibilitätsstörungen oder Paresen kommen. Des Weiteren weisen die Zähne häufig Defekte im Zahnschmelz auf, sehr oft kommt es auch zu Leisten- und Nabelbrüchen, wodurch eine Operation notwendig wird.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose von Morbus Morquio kann durch den Nachweis einer hohen Ausscheidung von Chondroitinsulfat beziehungsweise Keratansulfat erfolgen. Außerdem kann eine röntgenologische Untersuchung von Fuß- und Handgelenken oder der Wirbelsäule aufschlussreich sein, da sich hier meist ausgeprägte Skelettveränderungen zeigen.

Des Weiteren ist es möglich, die Aktivität des defekten Enzyms in den Fibroblasten oder Leukozyten zu bestimmen. Wenn eine Genveränderung innerhalb der Familie besteht, so kann während der Schwangerschaft eine Untersuchung durchgeführt werden, um festzustellen, ob beim Ungeborenen eventuell eine Erkrankung vorliegt.

Komplikationen

Durch den Morbus Morquio leiden die Patienten an verschiedenen Fehlbildungen am Körper. In den meisten Fällen treten dabei sogenannte X-Beine auf, die zu Bewegungseinschränkungen und damit zu starken Einschränkungen im Alltag führen können. Ebenso tritt eine Trübung der Hornhaut auf und die Patienten leiden an einem sehr kurzen Hals. Allerdings wird die Intelligenz des Betroffenen durch den Morbus Morquio nicht beeinflusst. Weiterhin kommt es auch zu einem Kleinwuchs.

Vor allem für Kinder kann dies Mobbing oder Depressionen bedeuten, da sie sich mit ihrer Statur unwohl fühlen. Auch der Kopf ist nicht selten ungewöhnlich groß, sodass es eventuell zu Minderwertigkeitskomplexen oder zu einem verringerten Selbstwertgefühl kommen kann. Weiterhin kann der Morbus Morquio zu Lähmungen oder zu Störungen der Sensibilität am gesamten Körper führen und dabei die Lebensqualität deutlich verringern.

Auch an den Zähnen treten verschiedene Defekte auf, die den Alltag erschweren können. Die Behandlung von Morbus Morquio findet symptomatisch statt und zielt auf die Verringerung der Beschwerden ab. Damit können Infekte der Atemwege vermieden werden. Ebenso sind die Betroffenen auf die Einnahme von Medikamenten und auf Physiotherapien angewiesen. Bei der Behandlung selbst treten keine besonderen Komplikationen auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Der Enzymdefekt mit der Bezeichnung "Morbus Morquio" ist als extrem selten auftretende, angeborene Stoffwechselstörung keine häufige Erscheinung. Zudem zeigen sich die damit verbundenen Symptome manchmal erst im Erwachsenenalter. Das zögert einen Arztbesuch oft hinaus.

Dass die Massivität der Symptome bei manchen Betroffenen mit Morbus Morquio nicht zu Beschwerden führt, ist jedoch ungewöhnlich. In den meisten Fällen ist diese Erkrankung angesichts der auftretenden typischen Symptome wie Kleinwuchs im Bereich von 120 Zentimetern Körpergröße, auffallend kurzem Hals oder X-Beinen unübersehbar. Auch die Form des Gesichts weist bereits früh auf einen begleitenden Gargoylismus hin. Bei einem Arztbesuch werden auch massive Skelettveränderungen festgestellt.

Die mit Morbus Morquio einhergehenden Skelett-Fehlbildungen erfordern eine Behandlung. Außerdem liegen erhöhte Narkoserisiken vor. Das erschwert chirurgische Eingriffe, die der Korrektur von schmerzhaften Fehlstellungen oder Bewegungseinschränkungen dienen. Außer einer symptomatischen Behandlung können Mediziner bisher nicht viel für die Betroffenen tun. In einigen Kliniken werden bereits neue Enzymersatztherapien für Patienten mit Morbus Morquio getestet.

Da die Begleiterscheinungen dieser Erkrankung oft zu Minderwertigkeitskomplexen oder Mobbingerlebnissen führen, ist auch eine psychotherapeutische Betreuung anzudenken. Regelmäßige Arztbesuche oder physiotherapeutische Maßnahmen sind bei Morbus Morquio unvermeidlich. Seh- und Hörschwächen sowie immunologische Probleme müssen behandelt werden. Nur bei angemessener medizinischer Behandlung ist die Lebenserwartung bei 50 Jahren anzusetzen.

Behandlung & Therapie

Eine Behandlung von Morbus Morquio erfolgt hauptsächlich symptomatisch (chirurgische Eingriffe, Prothesen, Wirbelfusion, um den Hals zu stabilisieren), außerdem wird derzeit eine Enzymersatztherapie erprobt. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Versorgung mit Hilfsmitteln sowie eine krankengymnastische Behandlung. Viele Kinder, die an Morbus Morquio leiden, haben oft auch Hörprobleme, sodass ein Hörgerät in manchen Fällen sinnvoll erscheint.

Akute bakterielle Infektionen werden sehr häufig mit Antibiotika behandelt. Um Atemwegsinfekten vorzubeugen, empfiehlt sich außerdem ein Entfernen von Mandeln und Polypen. Wichtig ist darüber hinaus eine gründliche Zahnpflege, da der Zahnschmelz nicht sehr widerstandsfähig ist. Die Trübung der Hornhaut beeinträchtigt die Sehfähigkeit meistens nicht, allerdings sind die Betroffenen häufig sehr lichtempfindlich, wobei hier getönte Brillengläser helfen können.

In regelmäßigen Abständen ist es außerdem wichtig, eine Ultraschalluntersuchung am Herzen durchzuführen, da sich Speichermaterial auch im Herzmuskel ablagert. Bei Problemen im Skelettsystem ist eine Krankengymnastik anzuraten, da diese Schmerzen lindern und auch eine Gelenksversteifung verzögern kann. Die Festigkeit der Gelenke kann darüber hinaus mit speziellen Schienen unterstützt werden.

Wichtig sind auch umfassende neurologische Untersuchungen, um eventuelle Komplikationen im Bereich der Halswirbelsäule rechtzeitig erkennen zu können. Bei Morbus-Morquio-Patienten sollten Narkosen darüber hinaus nur von einem sehr erfahrenen Arzt durchgeführt werden, da bestimmte Vorsichtsmaßnahmen erforderlich sind. Die Prognose ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung beziehungsweise von der Behandlungsqualität. Bei entsprechender Behandlung erreichen die Betroffenen meist ein Alter von mehr als 50 Jahren.


Aussicht & Prognose

Der Morbus Morquio ist unheilbar. Die Prognose orientiert sich am Symptombild und dem Zeitpunkt des Therapiebeginns. Betroffene Kinder müssen frühzeitig mit den notwendigen Hilfsmitteln ausgestattet werden, um weitere Schäden zu vermeiden und die Lebensqualität zu verbessern. Erkrankte Kinder können beispielsweise getönte Brillengläser verwenden, um die lichtempfindlichen Augen vor Sonnenstrahlen zu schützen. Mit einer umfassenden Behandlung ist eine Lebenserwartung von über 50 Jahren möglich.

Die Aussicht auf ein beschwerdefreies Leben besteht, wenn die Symptome umfassend behandelt werden und keine schweren gesundheitlichen Komplikationen wie beispielsweise Atemwegsinfektionen auftreten. Durch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen des Herzens kann die Prognose zusätzlich verbessert werden. Betroffene benötigen zudem eine therapeutische Betreuung, um die Folgen der Erkrankung zu verarbeiten. Je eher die Therapie eingeleitet wird, desto besser sind die Aussichten. Deshalb sollte bereits bei einem ersten Verdacht ein Arzt aufgesucht werden.

Die extreme Seltenheit der Erkrankung kann sich negativ auf die Prognose auswirken, da das Leiden womöglich erst spät diagnostiziert wird. Untersuchungen durch entsprechende Fachärzte für genetische Veränderungen sind notwendig, um frühzeitig eine Diagnose zu erhalten und die Behandlung des Morbus Morquio einleiten zu können.

Vorbeugung

Da Morbus Morquio eine erblich bedingte Krankheit ist, kann dieser nicht vorgebeugt werden. Bei einer bestehenden Erkrankung ist es jedoch möglich, einen Behandlungserfolg durch eine rechtzeitige Therapie zu sichern. Liegen in der Familie schon Fälle eines Morbus Morquio vor, so kann bei bestehendem Kinderwunsch eine humangenetische Beratung in Anspruch genommen werden, um so das Risiko besser abschätzen zu können.

Nachsorge

Bei Morbus Morquio handelt es sich um eine erblich bedingte Krankheit, die auf einem Enzymdefekt beruht. Die Erkrankung wird in erster Linie symptomatisch behandelt, da eine Enzymersatztherapie sich zur Zeit noch im Versuchsstadium befindet. Die Therapie beschränkt sich daher meist auf Hilfsmittel, die dem Patienten den Alltag erträglicher machen sollen. Prothesen müssen genau angepasst und bei Bedarf ausgetauscht werden.

Dunkel getönte Brillen und Sonnenbrillen schützen die empfindlichen Augen vor starkem Licht, Hörgeräte verbessern den häufig zunehmenden Hörverlust. Eine sehr gründliche Zahnpflege ist nötig, da bei Morbus Morquio in vielen Fällen Zahnschmelz nicht ausreichend gebildet wird. Die äußerst seltene Erkrankung geht oftmals mit gesellschaftlicher Ächtung einher. Gerade im Kindesalter leiden die Patienten an Hänseleien und Mobbing wegen ihrer Fehlbildungen wie Kleinwuchs, X-Beinen und unnatürlicher Kopfgröße.

Hier ist besonders das Einfühlungsvermögen von Eltern und anderen Kontaktpersonen gefragt. Psychotherapeutische Hilfe ist daher sowohl für die Betroffenen, als auch für die Angehörigen empfehlenswert. Auch Entspannungstechniken wie Yoga können zur psychischen Stabilisierung beitragen und neue Kraft geben. Da Morbus Morquio sehr selten auftritt, findet man selten Selbsthilfegruppen. Nähere Informationen zu der Krankheit gibt die Gesellschaft für Mukopolysaccharidosen.

Das können Sie selbst tun

Ist das Kind mit einem Morbus Morquio auf die Welt gekommen, sind zunächst die Eltern und weiteren Angehörigen gefordert. Da die Enzymersatztherapie bislang noch im Versuchsstadium ist, wird der Morbus Morquio symptomatisch behandelt. Hier ist eine große Therapietreue wichtig.

Prothesen beispielsweise müssen genau angepasst und bei Bedarf ausgetauscht und erneuert werden. Dies gilt auch für weitere Hilfsmittel wie beispielsweise dunkel getönte Brillen und Sonnenbrillen, um die lichtempfindlichen Augen zu schützen, sowie Hörgeräte. Da der Morbus Morquio oft mit einem nicht ausreichend gebildeten Zahnschmelz einhergeht, ist eine regelmäßige, gründliche Zahnpflege wichtig.

Der Morbus Morquio ist meist mit Kleinwuchs, X-Beinen und weiteren Fehlbildungen vor allem am Kopf vergesellschaftet, weshalb die betroffenen Kinder oft gehänselt oder gar gemobbt werden. Das nagt am Selbstbewusstsein und macht eine psychotherapeutische Behandlung empfehlenswert. Auch die Angehörigen sollten sich psychotherapeutisch begleiten lassen, um den Ansprüchen gerecht werden zu können, die ein Kind mit Morbus Morquio an sie stellt. Entspannungstechniken wie Yoga oder Reiki bringen Ausgleich und geben zudem Kraft.

Weil die Krankheit extrem selten ist, gibt es hierzulande keine entsprechende Selbsthilfegruppe, der sich die Betroffenen und ihre Angehörigen anschließen könnten. Weil der Morbus Morquio aber zu den Mukopolysaccharidosen gehört, informiert die Gesellschaft für Mukopolysaccharidosen e.V. auch über den Morbus Morquio (www.mps-ev.de/mps/mukopolysaccharidosen).

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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