Multiple Sklerose
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Multiple Sklerose oder kurz MS ist eine bisher unheilbare entzündliche und chronische Krankheit. Dabei kommt es zu einer Zerstörungen von Nervenfasern im zentralen Nervensystem, also im Gehirn oder Rückenmark. Typisch für die Erkrankung sind die Schübe mit ihren Beschwerden, die langfristig zu motorischen und gefühlsempfindlichen Störungen führt.
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Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose, kurz MS, ist eine Krankheit des zentralen Nervensystems. Dabei kommt es zu chronischen Entzündungen im Rückenmark und Gehirn, bei dem Teile der Nervenfasern (Markscheiden) zerstört werden. Ausserdem kommt es zur Schädigung von körpereigenen Abwehrzellen, die normalerweise körperfremde Erreger bekämpfen. Daher ist die Multiple Sklerose auch als eine Autoimmunerkrankung bekannt.
Seltsamerweise ist die Multiple Sklerose häufiger in Gebieten und Ländern, die weiter vom Äquator entfern sind. Aber auch innerhalb von verschiedenen Ländern gibt es markante Verteilungsmuster der Häufigkeit von Multiples Sklerose. Nach der Epilepsie, ist MS die häufigste chronische Entzündungskrankheit des menschlichen Nervensystems. In Deutschland sind ca. 0,15 Prozent der Bevölkerung an Multiples Sklerose erkrankt. Frauen in jüngeren Jahren sind häufiger betroffen als Männer.
Durch die Zerstörung der Nervenfasern leiden die Betroffenen fast immer an motorischen Problemen bzw. Störungen der körperlichen Bewegung. Ausserdem sind die körperlichen Empfindungen stark angegriffen.
Ursachen
Die zweite Ursache für Multiple Sklerose stützt sich auf genetische bzw. erbliche Ursachen. So sind Menschen, deren enge Verwandte an dieser Erkrankung leiden, einem höheren Risiko auf MS ausgesetzt. Trotzdem gilt Multiple Sklerose nicht als Erbkrankheit. Auch Umweltfaktoren können auf den Menschen genetische Veränderungen herbeiführen, die dann im Rsultat ebenso zu dieser Krankheit führen kann.
Als letzte bekannte Ursache kommen auch Infektionen für eine Multiple Sklerose in Frage. Hierbei gelten vor allem Erreger, wie Chlamydien, Herpes Viren und Epstein-Barr Virus als mögliche Ursachen für eine Entzündung der Nervenfasern. Ist ein Patient bereits an Multiple Sklerose erkankt, so können auch verschiedene weitere Einflüsse zu den bekannten Schüben der Krankheit führen. Vor allem Stress, Hormonstörungen, Infektionen, Impfungen und Medikamente gelten dann als Auslöser.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Multiple Sklerose geht mit vielen verschiedenen Symptomen einher. Auch schreitet die Krankheit unterschiedlich schnell voran und die Reihenfolge der auftretenden Symptome ist nicht festgelegt. Jedoch zeigen sich zu Anfang besonders häufig Gehschwierigkeiten, Gefühlsstörungen in den Beinen, Probleme beim Stuhlgang, Sehschwierigkeiten auf einem oder beiden Augen und starke Müdigkeit.
Es gibt jedoch noch viele andere Symptome - zum Beispiel Gesichtslähmungen und Gefühlstörungen in den Armen - die zu Anfang auftreten können. Dabei treten die Symptome der Multiplen Sklerose meistens plötzlich auf und zeigen kaum Anzeichen. Die weiteren Symptome zeigen sich meist während des Krankheitsverlaufs.
So kommt es in 90 Prozent der Fälle zu Spastiken in den Beinen oder Kraftlosigkeit in ihnen. Die meisten Betroffenen sind unsicher beim Gehen oder können es nicht mehr. Weitere häufige Symptome (bei mindestens zwei Dritteln der Betroffenen auftretend) sind beispielsweise Blasenentleerungsstörungen, Konzentrationsprobleme und Sehstörungen.
In circa der Hälfte der Fälle kommt es zu psychischen Erkrankungen (etwa zu Depressionen oder Psychosen), zu Sprechstörungen und zu Schwierigkeiten beim Greifen oder Zeigen. In einem Drittel der Fälle kommt es zu Gesichtslähmungen. Generell kann es zu Schmerz- und Kribbelempfindungen am Körper kommen. In seltenen Fällen kommt es zu einer Lähmung der Hirnnerven.
Krankheitsverlauf
Der Verlauf einer Multiple Sklerose ist von einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung durch einen Arzt abhängig. Leider kann man MS noch nicht gänzlich heilen. Da der Krankheitsverlauf einer Multiple Sklerose sehr individuell und unterschiedlich erfolgen kann, ist eine pauschale Beschreibung nicht ohne Weiteres möglich.
Dennoch kann man drei grosse Verlaufsformen oftmals ausmachen. Die erste typische Phase ist die wiederkehrende und schubförmige MS. Hierbei treten die Symptome bzw. Beschwerden mehrere Tage hintereinander auf. Dazwischen können manchmal mehrere Jahre ohne weitere Komplikationen verlaufen. Je länger ein Schub anhält desto höher ist hierbei die Wahrscheinlichkeit, dass Restschäden der Nervenfasern zurück bleiben,
Die zweite Phase bzw. Verlaufsform wird als fortschritend und chronisch bezeichnet. Hierbei treten die Symptome zumeist schleichend aber anhaltend auf. Schübe, wie in der wiederkehrenden Phase treten nicht auf. Die dritte Form ist ebenso fortschreitend und chronisch. Hierbei werden die Schübe immer weniger, obgleich die Störungen des Nervensystem gleichbleiben. Zusammenfassend kann eine Multiple Sklerose einen gutartigen Verlauf nehmen, bei dem der Betroffene zwar diverse Beschwerden hat, aber nicht daran stirbt. Es gibt aber in seltenen Fällen auch eine schwere Form der MS, bei der am Ende leider der Tod steht, da die Nervenfasern des Gehirns zu sehr geschädigt worden sind.
Komplikationen
Bettlägrige oder auf den Rollstuhl angewiesene Patienten mit Multipler Sklerose leiden aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit häufig an Druckgeschwüren, Gelenkversteifung und Verkrampfungen der Muskulatur, auch das Thromboserisiko ist erhöht. Osteoporose und Erkrankungen der Atemwege wie Bronchitis oder Lungenentzündung sind in vielen Fällen ebenfalls die Folge einer durch die Multiple Sklerose bedingten Inaktivität.
Als weitere Komplikationen der Erkrankung können Verstopfung sowie Harn- und Stuhlinkontinenz auftreten. Eine verminderte Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisstörungen und depressive Verstimmungen ziehen oftmals eine Veränderung der Persönlichkeit nach sich, die sich auch auf das Sozialverhalten auswirkt. Die zur Behandlung der Multiplen Sklerose notwendigen Medikamente schwächen unter Umständen das Immunsystem und machen den Organismus anfällig für Infektionen durch Viren, Pilze oder Bakterien.
Eine Therapie mit Interferon geht häufig mit grippeähnlichen Symptomen einher, auch allergische Reaktionen sind möglich. Schlafstörungen und Probleme im Sexualleben können als Folge der Erkrankung selbst oder der medikamentösen Behandlung auftreten.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, die durch ihren chronischen Charakter und den Verlauf in Schüben immer wieder den Gang zum Arzt erfordern kann. Die ersten Besuche beim Arzt dienen jedoch dazu, die Diagnose zu sichern und bei Anzeichen wie Schwäche, Kribbeln oder Missempfindungen sowie Lähmungen auch andere mögliche Ursachen auszuschließen. Erster Ansprechpartner ist in diesem Zusammenhang der Hausarzt, der nötige Überweisungen zum Neurologen oder Radiologen ausstellen wird. Nach der Diagnose und einer gegebenenfalls medikamentösen Einstellung sind Besuche beim Arzt nicht zwingend notwendig.
Der Schub kennzeichnet eine plötzliche Änderung des Verlaufs der Multiplen Sklerose, die lange Zeit stabil bleiben und dann durch neue Symptome auf sich aufmerksam machen kann. Hier ist es sinnvoll, den Arzt aufzusuchen, um auftretende Symptome möglichst gut bewältigen zu können. Das gelingt oft in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachrichtungen wie der Logopädie, der Ergotherapie oder der Krankengymnastik.
Auch psychische Probleme können den Gang zum Arzt oder Psychotherapeuten nötig machen,. Wenn Betroffene mit der Multiplen Sklerose schlecht zurechtkommen, ist auch hier ein professioneller Ansprechpartner aus dem medizinischen Bereich sinnvoll. Er kann den Betroffenen in seiner psychischen Verfassungen auffangen und wertvolle Handlungstipps für de psychische Bewältigung der Krankheit mit auf den Weg geben. Hier können auch pflegende Angehörige einbezogen werden.
Behandlung & Therapie
Wird im Rahmen einer Untersuchung beim Arzt eine Multiple Sklerose diagnostiziert, so sollte eine Therapie so schnell wie möglich begonnen werden. Da eine MS derzeit noch nicht heilbar ist, ist das Ziel der Behandlung, die Zerstörung der Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark zu verlangsamen oder aufzuhalten. Dabei ist die Therapie der Multiple Sklerose abhängig von seiner Verlaufsform.
Schubtherapie:
Bei der Schubtherapie sollen vor allem die Beschwerden bzw. Symptome bei den Schüben der MS bekämpft werden. Dabei werden Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem stärken und versuchen, dass nicht körpereigenen Zellen angegriffen werden. Weiterhin werden auch Entzündungshemmer oder Kortison verabreicht. Nebenwirkungen hierbei sind oftmal: Schlafstörungen, Innere Unruhe, Herzklopfen und Heißhunger.
Basistherapie:
Die Basistherapie soll das Fortschreiten der Körpermotorik und der Sinne verlangsamen und aufkommende Schübe abschwächen oder verhindern. Ausserdem soll die Lebensqualität durch eine Behandlung der Beschwerdesymptome erhalten bleiben. Medikamente hierbei sind Glatirameracetat oder Interferon beta, die die Dauer und Häufigkeit der Multiple Sklerose Schübe verlangsamen.
Therapie der Symptome:
Neben der Basistherapie und Schubtherapie werden auch Begleitsymptome bzw. Beschwerden behandelt, um das Leiden der Betroffenen zu verringern und eine lebenswertes Leben zu ermöglichen. So sind hierbei vor allem Krankengymnastik, Massagen, Beckenbodentraining und Entspannungsmethoden sehr erfolgreich. Typische Beschwerdesymptome, wie Schwindel, Zittern, Häufiges Wasserlassen und Potenzprobleme können sowohl mit Medikamenten, als auch mit oben genannten Maßnahmen nachhaltig behandelt werden und führen oftmals zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Multiple Sklerose Patienten.
Nachsorge
Viele Menschen mit Multipler Sklerose leiden unter der Heteronomie, welche die Krankheit mit sich bringt. Denn oftmals hinterlässt jeder Schub eine oder mehrere Einschränkungen im täglichen Leben. Der Fokus der Nachsorge liegt daher auf der Anleitung, Schulung und Beratung. Die Menschen sollten alles, was ihnen noch möglich ist, selbst tun können und nur dann Unterstützung erhalten, wenn es nötig ist.
Im Bereich Waschen und Kleiden können Angehörige oder Pflegekräfte daher ressourcenorientiert arbeiten. Dies bedeutet beispielweise, die Vor- und Nachbereitung der täglichen Morgenhygiene zu übernehmen oder Hilfe bei spastikbedingtem Bewegungsdefizit geben. Wenn Betroffene unter Polyneuropathie leiden, sollten Angehörige die Füße und druckexponierte Stellen nach Hautschäden inspizieren, um Dekubitalulzera oder Verletzungen frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können.
Auch beim Essen und Trinken geben Angehörige nur dann Unterstützung, wenn durch eingeschränkte Koordination, Tremor oder Spastik die Beweglichkeit so stark eingeschränkt ist, dass die Nahrungsaufnahme nicht möglich wäre. Spezielles Geschirr oder Besteck erleichtern Betroffenen das selbständige Essen und Trinken.
Wenn Menschen mit Multipler Sklerose unter Inkontinenz leiden, leisten Therapeuten einen wertvollen Beitrag beim Blasentraining oder bei der Anleitung zum Selbstkatheterismus. Denn durch die adäquate Inkontinenzversorgung können Infektionen vermieden und die Lebensqualität gesteigert werden.
Durch die eingeschränkte Mobilität müssen Teppiche, Türschwellen oder andere potenzielle Stolperquellen im Wohnraum beseitigt werden. Vor jeder Mobilisation empfiehlt sich eine muskelrelaxierende Massage und ein Durchbewegen der Gelenke, um die Beweglichkeit zu erhalten und den Tonus zu normalisieren.
Aussicht & Prognose
Die Prognose bei Multipler Sklerose ist sehr individuell und entsprechend lassen sich nur allgemeine Aussagen treffen und begünstigende Faktoren benennen. Zuerst ist festzustellen, dass die Krankheit bei circa einem Drittel der Betroffenen zu schweren Behinderungen führt. Ein weiteres Drittel leidet unter neurologischen Einschränkungen, die aber mit einem Berufsleben teilweise noch vereinbar sind und auch die Selbstständigkeit größtenteils wahren. Das letzte Drittel kann das ganze Leben ohne große Einschränkungen verbringen, diverse kleinere Behinderungen oder anderweitige Leiden sind aber möglich. Die Selbstständigkeit bleibt dieser letzten Gruppe aber in jedem Falle erhalten.
Weiterhin haben Menschen mit Multipler Sklerose, die ausschließlich unter einem schubförmigen Verlauf leiden, stets eine bessere Prognose bezüglich der Entstehung weiterer Einschränkungen. Bei dem chronisch-progredienten Verlauf kommen schwerwiegende Einschränkungen weit häufiger vor und bilden sich auch so gut wie nie zurück.
Es hat sich zudem gezeigt, dass weibliche Personen eine bessere Prognose für eine gute Lebenserwartung haben. Dies gilt ebenfalls für Menschen, die vor ihrem 40. Geburtstag erkranken sowie für Menschen mit schubförmiger Verlaufsform bei wenigen Schüben.
Für die Lebensqualität der Betroffenen sind moderne Therapien, der Erhalt der möglichen Selbstständigkeit sowie eine psychische Betreuung und ein stabiles Umfeld entscheidend. Die Lebenserwartung ist vielfach kaum geringer als bei nicht kranken Personen.
Das können Sie selbst tun
Multiple Sklerose ist zwar nicht heilbar, der Krankheitsverlauf kann jedoch positiv beeinflusst werden. Neben der medikamentösen Langzeitbehandlung haben Erkrankte weitere Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.
Der Arzt wird zunächst eine Umstellung des Lebensstils empfehlen. Bewegung und eine ausgewogene und gesunde Diät unterstützen das Immunsystem und andere Organe, die einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Multiplen Sklerose haben. Wichtig ist auch die Unterstützung durch Freunde und Familienmitglieder. Sozialer Rückhalt kann wesentlich zum Wohlbefinden und damit zur Gesundheit beitragen.
Ein gesundes Leben bewahrt auch vor begleitend auftretenden Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Die alltäglichen Beschwerden können durch einige grundlegende Empfehlungen reduziert werden. Wichtig ist eine regelmäßige Medikamenteneinnahme, denn nur eine konsequente Behandlung bringt den gewünschten Erfolg. Sollten Nebenwirkungen auftreten oder aus anderen Gründen der Wunsch auf eine Umstellung der Medikation bestehen, muss mit dem zuständigen Arzt gesprochen werden.
Grundsätzlich sind regelmäßige Arztbesuche angezeigt, damit eine eventuelle gesundheitliche Verschlechterung rasch erkannt werden kann. Maßnahmen wie Krankengymnastik und Sport helfen zusätzlich gegen die typischen Symptome. Erkrankte sollten außerdem viel trinken und ein etwaiges Übergewicht vermeiden bzw. reduzieren. Begleitend dazu kann der Besuch einer Selbsthilfegruppe sinnvoll sein.
Quellen
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013