Niemann-Pick-Krankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Morbus Niemann-Pick ist auch als Niemann-Pick-Krankheit bekannt. Die Erbkrankheit gehört zu den lysosomalen Speicherkrankheiten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Niemann-Pick-Krankheit?

Bei bekanntem Erkrankungsrisiko ist eine pränatale Diagnostik möglich. Bei Verdacht auf den Morbus Niemann-Pick werden weiße Blutkörperchen aus dem Knochenmark entnommen.
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Der Morbus Niemann-Pick ist eine Erkrankung aus der Gruppe der Sphingolipidosen. Dabei handelt es sich um Stoffwechselerkrankungen, die sich zum Großteil im Zentralnervensystem manifestieren. Innerhalb der Sphingolipidosen gehört die Krankheit zu den lysosomalen Speicherkrankheiten. Diese sind durch Fehlfunktionen in den Lysosomen gekennzeichnet.

Im englischsprachigen Raum wird für diese Erkrankungen der Begriff Lysosomal Storage Diseases (LSDs) verwendet. Beim Morbus Niemann-Pick kommt es zu einer Einlagerung von Sphingomyelin in Leber, Knochenmark, Milz und Gehirn. Die Erkrankung wurde nach ihren Entdeckern Albert Niemann und Ludwig Pick benannt. Die Erstbeschreibung erfolgte im Jahr 1914. Die Niemann-Pick-Krankheit tritt eher selten auf.

Etwa ein Neugeborenes pro 8000 Geburten erkrankt an einer lysosomalen Speicherkrankheit. Dazu gehört aber nicht nur der Niemann-Pick-Krankheit, sondern auch Erkrankungen wie das Hunter-Syndrom oder das Sanfilippo-Syndrom.

Ursachen

Die Niemann-Pick Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt. Beim autosomal-rezessiven Erbgang liegt das defekte Allel auf einem homologen Chromosom beziehungsweise auf einem Autosom. Es erkranken nur homozygote Merkmalsträger. Das bedeutet, dass das Erbgut einer Zelle zwei gleiche Kopien des defekten Gens auf beiden Chromosomen aufweisen muss, damit die Erkrankung ausbricht.

Dem Niemann-Pick-Syndrom liegt ein genetischer Enzymdefekt zugrunde. Betroffen ist das Enzym Sphingomyelinase. Die Sphingomyelinase ist für die Spaltung von Sphingomyelin zuständig. Durch den Enzymdefekt kommt es zu einer vermehrten Speicherung von Sphingomyelinen in den Lysosomen von Milz, Knochenmark, Gehirn und Leber. Lysosomen sind Zellorganellen, die Verdauungsenzyme beinhalten.

Sie verdauen zellfremdes Material wie Erreger oder Zellreste. Sie spielen auch eine wichtige Rolle beim programmierten Zelltod (Apoptose). In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass die Expression des Myelin Gene Regulatory Factors (MRF) durch die Mutation im NPC-1 Gen signifikant reduziert wird. Das Protein MRF ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor. Er spielt bei der Genkodierung eine Rolle bei der Bildung und dem Schutz von Myelinscheiden.

Myelinscheiden umhüllen die Nervenfasern und sorgen für eine schnelle Reizweiterleitung. Vermutlich beruhen die neurologischen Defizite, die beim Morbus Niemann-Pick auftreten, auf einer fehlerhaften Differenzierung von Oligodendrozyten. Diese Zellen gehören zu den Gliazellen. Ihre Zellfortsätze umhüllen als Markscheiden in Form von Myelin die Zellfortsätze der Nervenfasern. Somit kommt es durch die fehlerhafte Differenzierung der Oligodendrozyten zu einer fehlenden oder nicht ausreichenden Myelinisierung.

Beim Morbus Niemann-Pick Typ C ist zusätzlich der Cholesterolstoffwechsel beeinträchtigt. Hier reichern sich neben den Sphingomyelinen auch Cholesterine und andere Stoffwechselprodukte in den Körperzellen an.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der Morbus Niemann-Pick kann in drei Formen unterteilt werden:

  • Der Typ IA wird auch als akute infantile neuropathische Form bezeichnet. Die Erkrankung beginnt im Alter von drei Monaten und äußert sich durch eine Trinkschwäche und durch Entwicklungsstörungen einzelner Gewebe und Organe.

Leitsymptom ist eine Schwellung der Leber (Hepatomegalie). Diese kann auch in Kombination mit einer Milzschwellung (Splenomegalie) auftreten. Zusätzlich sind die Lymphknoten tastbar und es treten bräunliche Verfärbungen der Haut auf. Im zweiten Lebensjahr beginnt der neurologische Abbau. Die betroffenen Kleinkinder werden taub, blind und verlieren den sozialen Kontakt.

Die Prognose ist infaust, das bedeutet, dass alle Kinder mit Morbus Niemann-Pick Typ IA innerhalb von zwei Jahren versterben. Diese Form ist die häufigste Variante der Erkrankung.

  • Der TYP IS wird auch als chronisch-viszerale Form bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen leichten Verlauf mit Leberschwellung und Lungeninfiltraten. Eine Beteiligung des Zentralnervensystems liegt nicht vor. Die Lebenserwartung der Patienten ist nur leicht eingeschränkt.
  • Beim Typ C des Morbus Niemann-Pick kommt es zu einem neonatalen Ikterus. Die Haut und die Skleren der betroffenen Neugeborenen sind durch Einlagerungen des Farbstoffs Bilirubin gelb gefärbt. Typisch für diese Variante der Erkrankung ist auch eine supranukleäre Blickparese. Dabei kommt es zu einer fortschreitenden Lähmung der Augenmuskeln mit Doppeltsehen oder Störungen des Gleichgewichts.

Auch eine zerebelläre Ataxie mit Störungen der Bewegungskoordination kann beobachtet werden. Im Laufe der Erkrankung entwickeln die Patienten häufig Schluckstörungen. Dadurch können Aspirationspneumonien entstehen. Der Erkrankungsbeginn beim Typ C ist sehr variabel. Die ersten Symptome können bei Säuglingen, Kindern oder auch erst im Jugend- oder Erwachsenenalter auftreten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei bekanntem Erkrankungsrisiko ist eine pränatale Diagnostik möglich. Bei Verdacht auf den Morbus Niemann-Pick werden weiße Blutkörperchen aus dem Knochenmark entnommen. Diese erscheinen vakuolisiert. Das bedeutet, dass die Leukozyten mit Hohlräumen durchzogen sind. Es finden sich zudem vakuolisierte Schaumzellen.

Dieses Phänomen wird als „Sea-blue-Histiozytose“ bezeichnet. In den Kulturen von Leukozyten und Fibroblasten kann die mangelnde Aktivität des Enzyms Sphingomyelinase nachgewiesen werden. Bei jedem zweiten Kind mit Morbus Niemann-Pick zeigt sich bei einer Augenhintergrundspiegelung ein roter Makulafleck.

Komplikationen

Abhängig vom Typ geht die Niemann-Pick-Krankheit mit einer Reihe von Komplikationen einher. Beim TYP IS können Leberschwellungen und Lungeninfiltrate, also Ansammlungen von Fremdkörpern in der Lunge, auftreten. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist leicht eingeschränkt und die Lebensqualität mitunter stark beeinträchtigt. Beim Typ C können die ersten Symptome bereits im Säuglingsalter auftreten.

Dadurch kann es zu schweren Entwicklungsstörungen kommen, die häufig mit einer zerebellären Ataxie mit Störungen der Bewegungskoordination verbunden sind. Im Laufe der Erkrankung treten mitunter Schluckstörungen auf, die zu Aspirationspneumonien und anderweitigen Komplikationen führen. Betroffene zeigen mitunter Symptome der Atemnot, die von Husten mit Auswurf, einer erhöhten Körpertemperatur und einer Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten verbunden ist.

Eine solche Zyanose ist ihrerseits mit schweren Komplikationen verbunden. Beim TYP IA kommt es frühzeitig zu einer Trinkschwäche und Entwicklungsstörungen von Organen und Gewebe. Die Schwellung der Leber ist meist mit einer Milzschwellung verbunden, die bei den Betroffenen schwere körperliche Beeinträchtigungen hervorruft.

So kommt es vermehrt zu Infektionen, der Magen-Darm-Trakt entzündet sich und die körpereigenen Funktionen nehmen rasch ab. Die betroffenen Kleinkinder werden meist innerhalb von zwei Jahren taub und blind, bevor sie schließlich an den schweren Komplikationen der Niemann-Pick-Krankheit versterben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Niemann-Pick-Krankheit ist eine erbliche Erkrankung, die einen progressiven Verlaufh nimmt. Eltern, die feststellen, dass ihr Kind immer wieder an Gelbsucht und Muskelbeschwerden leidet, sollten den Kinderarzt kontaktieren. Sollten motorische Entwicklungsverzögerungen oder psychische Verhaltensstörungen hinzukommen, liegt der Verdacht auf eine ernste Erkrankung nahe, die diagnostiziert und behandelt werden muss.

Die Eltern oder Erziehungsberechtigten sollten ein spezialisiertes Zentrum für seltene Stoffwechselerkrankungen aufsuchen. Kinder, bei denen das Niemann-Pick-Syndrom vorliegt, bedürfen aufgrund der zunehmenden körperlichen und geistigen Probleme einer anhaltenden medizinischen Behandlung.

Ungewöhnliche Symptome oder eine plötzliche Zunahme der typischen Beschwerden müssen dem zuständigen Arzt mitgeteilt werden. Selbiges gilt, wenn das Kind die verordneten Medikamente nicht mehr verträgt oder anderweitige Abweichungen vom üblichen Verhalten zeigt. Routinebehandlungen wie die Einstellung der Medikation und körperliche Untersuchungen können unter Umständen vom Hausarzt durchgeführt werden.

Zumeist müssen Menschen mit der Niemann-Pick-Krankheit von Fachärzten für Stoffwechselkrankheiten behandelt werden. Die einzelnen Symptome werden von Neurologen, Orthopäden und Logopäden behandelt. Außerdem werden Physio- und Ergotherapeuten in die Behandlung involviert. Bei psychischen Beschwerden wie Depressionen oder Wahnvorstellungen kann außerdem ein Therapeut hinzugezogen werden. Aufgrund der Vielzahl der möglichen Symptome muss die Niemann-Pick-Krankheit zumeist von einem Team von Ärzten behandelt werden.

Behandlung & Therapie

Eine kausale Therapie ist derzeit nicht bekannt. Es gibt aber Hinweise darauf, dass spezielle Cyclodextrine die Symptome der Erkrankung lindern können. Cyclodextrine sind cyclische Oligosaccharide, die häufig als Lösungsmittel in der Medikamentenherstellung genutzt werden. Der Morbus Niemann-Pick Typ C wird mit Miglustat therapiert.

Miglustat ist ein Arzneistoff, der in der Europäischen Union ausschließlich zur Behandlung der Niemann-Pick-Krankheit und zur Behandlung des Morbus Gaucher Typ 1 zugelassen ist. Es handelt sich bei dem Arzneistoff um einen Iminozucker und ein n-Butyl-Derivat des Moranolins.


Aussicht & Prognose

Die Prognose der Niemann-Pick-Krankheit ist ungünstig. Bei der Erkrankung handelt es sich um einen genetischen Defekt. Die derzeitige Gesetzeslage verbietet es Wissenschaftlern, einen Eingriff sowie eine Veränderung der menschlichen Genetik vorzunehmen. Obgleich die Erkrankung bereits vor der Geburt diagnostiziert werden kann, ist dennoch basierend auf den rechtlichen Vorgaben keine Heilung möglich.

Ärzte und Mediziner konzentrieren sich bis zum heutigen Tage auf die Entwicklung einer adäquaten medizinischen Versorgung nach der Geburt des Betroffenen. Aktuell besteht die Behandlung in der Einleitung einer medikamentösen Therapie, um den Stoffwechsel des Patienten bestmöglich zu unterstützen. Bereits im Entwicklungsprozess des Patienten sind dadurch Optimierungen möglich, die zu einer Verbesserung der Gesamtsituation beitragen.

Ohne eine Behandlung ist die Lebensqualität des Betroffenen stark vermindert. Darüber hinaus kann es zu der Entwicklung von lebensbedrohlichen Zuständen kommen, da die Erkrankung mit einer Schwellung innerer Organe sowie einer Atemnot einhergeht. Das Risiko einer Notfallsituation ist ohne eine Behandlung erheblich erhöht. Eine Langzeittherapie ist daher unabhängig von der Intensität der individuell auftretenden Symptome angezeigt. Die Patienten benötigen eine tägliche Pflege sowie eine Unterstützung bei der Alltagsbewältigung. Je nach dem vorliegenden Typ der Erkrankung kann es bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf innerhalb der ersten Lebensjahren zu einem vorzeitigen Ableben des Patienten kommen.

Vorbeugung

Der Morbus Niemann-Pick wird autosomal-rezessiv vererbt. Es gibt derzeit keine wirksame Prävention.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei der Niemann-Pick-Krankheit in den meisten Fällen nur wenige und auch nur eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Aus diesem Grund muss der Patient schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen einen Arzt aufsuchen, damit es nicht zu anderen Komplikationen oder Beschwerden kommt. Je früher dabei ein Arzt kontaktiert wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung, sodass schon bei den ersten Symptomen oder Anzeichen ein Arzt aufzusuchen ist.

Falls es beim Patienten zu einem Kinderwunsch kommt, sollte auf jeden Fall eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um ein erneutes Auftreten der Niemann-Pick-Krankheit zu verhindern. Die meisten Patienten sind dabei in der Regel auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen.

Dabei sollte der Betroffene immer auf eine richtige Dosierung und ebenso auf eine regelmäßige Einnahme achten, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Bei Unklarheiten oder bei Fragen ist dabei zuerst immer ein Arzt zu konsultieren. Ebenso sind viele der Patienten in ihrem Alltag auf die Hilfe und auf die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Vor allem Depressionen und andere psychische Beschwerden können dadurch gelindert werden.

Das können Sie selbst tun

Die Möglichkeiten der Selbsthilfe sind bei der Niemann-Pick-Krankheit äußerst eingeschränkt. Insbesondere der Typ IA bietet keine ausreichenden Möglichkeiten, um eine Verbesserung der Situation zu bewirken. Die Lebenserwartung des erkrankten Kindes ist trotz aller Bemühungen sehr gering.

Im Alltag sollte der Fokus daher auf die möglichst angenehme Gestaltung der gemeinsamen Zeit liegen. Eine angenehme Gestaltung der Freizeit ist wichtig, um Nähe, Zusammenhalt und Stabilität aufzubauen. Die Erkrankung ist für Patienten wie für die Angehörigen eine enorme Herausforderung. Der Aufbau der mentalen Kräfte ist besonders wichtig bei der Bewältigung der Widrigkeiten. Aus diesem Grund ist eine psychologische Betreuung für alle Beteiligten unerlässlich.

Für viele ist es darüber hinaus eine Hilfe, wenn die Möglichkeit eines Austausches zu anderen Betroffenen stattfinden kann. Daher kann die Kontaktaufnahme zu etablierten Selbsthilfegruppen förderlich sein. In gemeinsamen Gesprächen findet ein Austausch auf der Basis eines gegenseitigen Verständnisses statt. Die Kommunikation kann bei der Verarbeitung helfen. Darüber hinaus werden Tipps für eine gute Bewältigung gegeben.

Mentale Techniken und Entspannungsübungen fördern den Abbau von Stressoren. Da es häufig zu Situationen der Überforderung und dadurch zu vegetativen Problemen kommt, können die Trainingseinheiten dabei helfen, Stress abzubauen. Der Umgang mit der Gesamtsituation soll dadurch verbessert werden.

Quellen

  • Kurz, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009

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