Nozizeption

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mit Nozizeption wird ein komplexes Zusammenspiel von Nervenreizen bezeichnet, die aufgrund mechanischer, chemischer oder thermischer Reize in schmerzempfindlichen Gewebearten des Menschen zu Schmerzen führen. Die direkten schmerzauslösenden Reize werden durch spezialisierte Sinnesnerven, den Nozizeptoren, in das ZNS übertragen. Die dafür zuständigen Zentren im Gehirn bilden aus den empfangenen Reizen der Nozizeptoren das entsprechende Schmerzempfinden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Nozizeption?

Unter Nozizeption werden alle Nervenreize zusammengefasst, die von spezialisierten Sinnesnerven, den Nozizeptoren, über afferente Fasern an bestimmte Hirnzentren gemeldet werden.

Unter Nozizeption werden alle Nervenreize zusammengefasst, die von spezialisierten Sinnesnerven, den Nozizeptoren, über afferente Fasern an bestimmte Hirnzentren gemeldet werden. Die Nervenreize selbst werden durch umliegende Zellen ausgelöst, die mechanischer, thermischer oder chemischer Verletzungen unterliegen.

Die beschädigten Zellen entlassen Botenstoffe, die dazu geeignet sind, in den Nozizeptoren Aktionspotenziale auszulösen, die zur Weiterverarbeitung an das Gehirn gemeldet werden. Die zuständigen Hirnzentren sammeln die Schmerzreize, werten sie aus und erzeugen daraus ein – normalerweise - angemessenes Schmerzempfinden.

Für die Erfassung der mechanischen, chemischen und thermischen Reize, die von den unter Stress stehenden oder sogar zerstörten Zellen ausgehen, stehen drei verschiedene Nozizeptortypen zur Verfügung. Zum einen sind es die auf mechanische Reize spezialisierten Mechanorezeptoren, die über relativ schnell leitende A-delta-Fasern verfügen, die mit einer Markscheide umgeben sind. Zum anderen handelt es sich um polymodale Nozizeptoren, die sowohl auf mechanische wie auch auf chemische und thermische Reize ansprechen und ebenfalls über A-delta-Fasern verfügen, die allerdings nur schwach myelinisiert sind. Die dritte Klasse von Nozizeptoren bilden polymodale Schmerzsensoren, die über nicht-myelinisierte C-Fasern verfügen und eine niedrige Übertragungsgeschwindigkeit von etwa 1 Meter pro Sekunde haben. A-delta-Fasern leiten ihr Aktionspotenzial hingegen mit etwa 20 - 30 Metern pro Sekunde weiter.

Funktion & Aufgabe

Eine der Hauptaufgaben der Nozizeption besteht in der nahezu verzugslosen Schmerzauslösung bei unmittelbar drohenden Gefahren. Die Nozizeption ermöglicht in diesen Fällen die Generierung eines Schmerzes mit Warncharakter. Die scharfen und stechenden Primärschmerzen, die völlig unerwartet unmittelbar nach einer gefährlichen mechanischen, thermischen oder chemischen Einwirkung auftreten, werden in der Regel durch spezialisierte Mechanorezeptoren oder durch polymodale Nozizeptoren ausgelöst. Beide Klassen von sensorischen Nerven verfügen über die schnellen A-delta-Fasern.

Sie sind in der Lage, Schmerzempfindungen zu generieren, die reflexartige Schutzreaktionen auslösen können, um eine unmittelbar drohende Gefahr abzuwenden. Beispielsweise bei versehentlicher Berührung der heißen Herdplatte schnellt die Hand reflexartig zurück, um drohende Verbrennungsschäden zu vermeiden. Auch drohende oder bereits erfolgte Verletzungen, etwa durch ein Messer oder durch schwere Gegenstände, die den Fuß zu quetschen drohen, führen zu ähnlichen reflexartigen Rückholbewegungen der Hand oder des Fußes.

Bei einer weniger akuten Gefährdung, die keine unmittelbare Bedrohung für den Körper oder Teile des Körpers bedeuten, übernehmen die polymodalen C-Fasern die sensorische Aufnahme der meldenden Zellen, die Umsetzung in neuronale Aktionspotenziale und die Weiterleitung in das ZNS. Das Schmerzempfinden, das daraufhin generiert wird, ist weniger gut lokalisierbar und fühlt sich meist dumpfer und anhaltender an als der stechende oder brennende und gut lokalisierbare Primärschmerz, wie er beispielsweise bei Schnittwunden oder Verbrennungen auftritt.

Der Nutzen dieser Art von Schmerzempfindungen liegt somit hauptsächlich darin, derartige Situationen aus dem Episodengedächtnis abzurufen, um zukünftig ähnliche Situationen zu vermeiden, die sich als ungünstig für den Körper herausgestellt haben. Das bedeutet, dass die Signale der langsamen C-Fasern in bestimmten Zentren im Gehirn stark prozessiert und mit anderen Sensormeldungen, die zum gleichen Zeitpunkt auftreten, verknüpft werden. Das kann dazu führen, dass bestimmte Sensormeldungen bereits Schmerzempfindungen auslösen können, obwohl objektiv kein Schmerzreiz vorhanden sein dürfte.

Bei den reflexauslösenden Primärschmerzen handelt es sich ausschließlich um einen Oberflächenschmerz, der relativ gut lokalisierbar ist. Im Gegensatz dazu ist der Tiefenschmerz, der an Muskeln, Knochen oder inneren Organen (viszeraler Schmerz) entstehen kann, weniger gut lokalisierbar.


Krankheiten & Beschwerden

Angesichts der Komplexität der Nozizeption und der Verarbeitung der neuronalen Aktionspotenziale der Nozizeptoren zu subjektivem Schmerzempfinden können unterschiedliche potenzielle Probleme eintreten. Zum einen können neuronale Störungen in der Aufnahme der Signale betroffener Zellen durch die Nozizeptoren und/oder die Weiterleitung der Potenziale an das ZNS entstehen. Zum anderen sind auch Probleme in der Verarbeitung der Sensorsignale denkbar, die zu einem übersteigerten oder zu einem verminderten Schmerzempfinden führen.

Es kann daher zwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen differenziert werden. Nozizeptive Schmerzen treten beispielsweise nach Gewebetraumen oder bei chronischen Entzündungen innerer Organe auf. Auch chronische Rücken- und Tumorschmerzen werden häufig durch Veränderungen an den als Signalempfänger fungierenden Endigungen der Nozizeptoren ausgelöst. In diesen Fällen führt eine gestörte Funktionalität der Nozizeptoren zu einem geänderten Schmerzempfinden.

Weitaus häufiger sind neuropathische Schmerzen, die durch eine systemische Veränderung der Signalverarbeitung zu einem reversiblen oder irreversiblen Schmerzempfinden führt. Die Signale der Nozizeptoren werden zunächst in den Thalamuskernen verarbeitet und nach weiterer Prozessierung in bestimmten Regionen des Cortex und der Amygdala auch mit gedanklichen Assoziationen konfrontiert, bevor sie zu konkretem Schmerzempfinden in das Bewusstsein dringen.

Ein Beispiel für ein krankhaft übersteigertes Schmerzempfinden ist das Fibromyalgie-Syndrom, auch als Weichteilrheumatismus bezeichnet. Die Krankheit führt zu Muskelschmerzen, vor allem im Bereich der Gelenke. Das Gegenteil einer krankhaft übersteigerten Schmerzempfindung ist ein stark reduziertes Schmerzempfinden. Es ist symptomatisch bei der Borderline-Störung, einer schweren psychischen Erkrankung. Die Betroffenen neigen dazu, sich Verletzungen beizubringen, ohne dass sie Schmerzen empfinden.

Weitaus häufiger sind allerdings Krankheiten, die symptomatischerweise von chronischen Schmerzen im neuropathischen Bereich begleitet werden. Beispiele dafür sind diabetische Polyneuropathie, Gürtelrose, Multiple Sklerose und auch langjähriger Alkoholmissbrauch.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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